Laut Programmansage hätte das Konzert in der Evang. Kirche eine Auswahl exquisiter Stücke der klassischen Gitarrenliteratur von der Renaissance über den
Barock bis zur Moderne geboten. Pandemiebedingt musste sich der Interpret am Mittwochabend mit einem verkürzten Recital begnügen, das immerhin mit Kompositionen der Star-Virtuosen des 19. Jahrhunderts – Sor und Tarragena – aufwartete.
Dem lauschigen Sommerabend, den Petrus beim 4. Konzert der »Zeller Sommermusik« leider nicht gewährte, huldigte Achim Langenkämper dafür mit einer melodiösen Meditation auf der Gitarre, wobei er seine Vorliebe für Arpeggien und wendige Läufe erkennen ließ, die sich spontan aus den Akkorden lösen. Eindrucksvoll auch der pianissimo Ausklang mit einem wie gehaucht klingenden Basston.
Dieser sacht gesetzte Schlusspunkt kennzeichnete auch die Gitarrensuite, die Langenkämper zur Geburt seines Sohnes komponiert und in die er drei spanische Tänze eingefügt hat, von denen »Malaguena«, das heutzutage zum Standardrepertoire jedes klassischen Gitarristen gehört, besonders gefiel. Was konnte besser zum Sommer passen als dieser andalusische Volkstanz?
Da Langenkämper das gesamte Recital ohne Notenvorlage bestritt, konnte er den Tempi und Phrasierungen eine eigene Handschrift verleihen. Mit überraschenden Ritardandi und Accelerandi stellte der Solist einen souveränen spielerischen Bezug her. Den Gesamteindruck trübte indes die mitunter unsaubere Intonation beim Spiel in den hohen Lagen, sodass der Sound schwächelte.
Der Interpret hatte nicht den besten Tag »erwischt«, wie er selbst bemerkte. Er sei etwas indisponiert, da seine Familie in Hagen unmittelbar von der Flutkatastrophe betroffen gewesen sei. Das wirke nach, betonte Langenkämper. Die Zuhörer in der Kirche zeigten viel Verständnis.
Gemäßigte Tempi
Francisco Tarrega und Antonio de Torres: Ohne diese beiden großen ‚T’s aus dem Spanien des 19. Jahrhunderts wäre die Gitarrenwelt nicht das geworden, was sie heute ist. Das gilt auch für Fernando Sor, wenngleich der die meiste Zeit seines Künstlerlebens in Frankreich verbrachte. Mit Sor hat sich Achim Langenkämper eingehend beschäftigt, wobei er sogar ein Theaterstück über den großen Klassiker der spanischen Gitarre verfasst hat. Das machte Sors »Gran Solo opus 14« hörenswert. Während viele Gitarristen mit Höchstgeschwindigkeit durch die überreich vorhandenen Skalen jagen, bevorzugt Langenkämper gemäßigte Tempi, ohne jedoch in eine fragwürdige Rubato-Spielweise zu verfallen. Ihm scheint offenkundig mehr an der Darstellung der Kontrapunktik zu liegen und er garnierte das Stück mit etlichen Verzierungen. Allerdings war auch hier die Intonation nicht durchgehend makellos.
Dafür erwies sich Langenkämper bei der »Spanischen Romanze« als ausdrucksvoller, sensibler Interpret, der mit feinem Ton den intimen Charakter dieser Kantilene trifft, die leider oft als simpler »Ohrschmeichler« abgetan wird.
Zündende Melodien
Eine Kostprobe seiner Bearbeitungen von Volksweisen gab der Solist mit einem Stück aus Galizien – mit Bezug auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela und einer »Collage« aus kurzen charmanten Kompositionen aus Argentinien. Diese Carnevalitos sind zwar harmonisch eher schlicht, besitzen aber zündende Melodien, die angenehm ins Ohr gehen.
Langenkämper spielte die Melodie auf einer Siku (ein der Panflöte verwandtes Instrument) und begleitete auf der Gitarre. Das Akkordspiel und die effektvollen Läufe auf den tiefen Saiten wirkten zusammen mit den Flötenklängen ausnehmend kommunikativ. Beim Publikum in der Kirche kam die »Collage« dementsprechend gut an, wie der reiche Beifall bestätigte.
Vielleicht wäre das auf dem Programmblatt verzeichnete »Percusion Flamenca« von Paco de Lucia eine Hommage an den 2014 verstorbenen und größten Famencogitarristen aller Zeiten geworden, aber der Solist beschränkte sich am Mittwochabend auf die spanische Romantik und Francisco Tarrega. Dessen »Recuerdos de la Alhambra« empfindet poetisch die Stimmung des maurischen Palasts in Granada nach. Langenkämper stellte beim Vortrag seine beachtliche Tremolo-Technik unter Beweis, ebenso ein profundes Klanggefühl. Ein außergewöhnlicher Moment an diesem doch eher durchwachsenen Konzertabend.
Das passende Schlusswort fand wie so oft Pfarrer Reinhard Monninger, indem er an ein Bibelwort aus dem Buch Samuel erinnerte: Dort lässt König Saul den jungen David holen, damit dessen Spiel auf der Harfe den Herrscher von einem »bösen Geist« befreit. Musik als ein Heilmittel – vor 3000 Jahren nicht anders als heute. Immer dann, wenn Klangschönheit und Musikalität im Publikum für ein kollektives Glücksgefühl sorgen.