Geschichtlicher Beitrag von Dr. Dieter Petri anlässlich des Ortsjubiläums, das in diesem Jahr gefeiert werden kann. Teil 3: Frohnen oder Steuern zahlen.
Das 950-jährige Ortsjubiläum von Unterentersbach, das in diesem Jahr gefeiert werden kann, gibt Anlass, die Geschichte des Ortes in den Blick zu nehmen und auf die eine oder andere Besonderheit aufmerksam zu machen.
Teil 3: Frohnen oder Steuern zahlen
Wenn wir heute das Wort „Frohn“ hören, denken wir unwillkürlich an eine Form der Knechtschaft. Das Frohnen war aber lange Zeit der übliche Beitrag zum Gemeinwohl. Ursprünglich bedeutet „frohnen“ schlicht „dienen“. Es setzt freilich eine Herrschaft voraus, der gedient werden muss. Allerdings sollte Herrschaft kein Selbstzweck sein, sondern im Dienst des Gemeinwohls stehen. Im 19. Jahrhundert, als die Bürger gegenüber der Herrschaft selbstbewusster wurden, hat man u. a. die Entersbacher gefragt, ob sie lieber Steuern bezahlen oder Frohndienste leisten.
Es gab zwei Formen des Frohndienstes. Wer über ein Pferdefuhrwerk verfügte, wurde mit diesem zur Arbeit herangezogen. Die anderen Bürger hatten Schaufel und Hacke zur Baustelle mitzubringen.
In der Regel ging es beim Frohnen um einen Einsatz beim öffentlichen Wege- und Flußbau, vereinzelt auch beim Brückenbau.
Am 12. März 1810 verschickte das Bezirksamt Gengenbach einen Brief eines Ingenieurs namens Rochlitz an die Gemeinde Entersbach. Der Fachmann war zuständig für den Flußbau an der Kinzig. Er erlaube sich „einen Vorschlag“ zu einer Änderung des Frohndienstes zu unterbreiten, welcher den „gegenwärtigen Zeitverhältnissen angemessen“ sei. Bekanntlich sei das „Frohnen im Allgemeinen, und besonders beim Flußbauwesen der lästigste Gegenstand“ sowohl für die Bauleitung als auch für die „Unterthanen selbst“, so der Ingenieur.
Zunächst klagt der Fachmann, dass die Frohnleister sehr oft zu spät zur Baustelle kämen. Er räumt ein, dass die Einhaltung der Pünktlichkeit bei größeren Entfernungen ein Problem sein könne. Manchmal würden die geforderten Männer nur ihre Frauen schicken, die nicht in gleicher Weise zupacken könnten. Manche würden sich am Nachmittag mit Berufung auf den langen Heimweg zu früh wieder von der Baustelle entfernen. Auch bei bester Planung ziehe sich ein Vorhaben dadurch in die Länge und verursache der Baubehörde erhöhte Kosten.
Deshalb schlage er vor, die Handfrohn (mit Hacke und Schaufel) und die Fuhrfrohn (mit Pferdegespann) durch bezahlte Tagelöhner und bezahlte Fuhrwerke zu ersetzen. Die frohnpflichtigen Bürger sollten stattdessen mit einer Geldabgabe, sprich Steuer belastet werden. Für den Bürger habe dies den Vorteil, dass er sich mehr seiner Landwirtschaft, seinem Handwerk oder seiner sonstigen Nebentätigkeit widmen könne. So gestalte sich die Umstellung von Frohnarbeit auf eine Steuer nicht nur für die Baubehörde, sondern auch für den Bürger als Vorteil.
Es sei der Behörde nicht immer möglich, die Bürger nur an Zeiten zu den öffentlichen Vorhaben heranzuziehen, wenn in der Landwirtschaft jahreszeitlich bedingt wenig Arbeiten anfallen. An der Kinzig könne im Winter nicht gearbeitet werden.
Das Schreiben des Bezirksamtes richtet sich nicht nur an die Gemeinde Entersbach, sondern allgemein an die Gemeinden im Einzugsbereich des Dammbaus. Der Ingenieur rechnet vor, welcher jährliche Aufwand beispielsweise für die Zeller Raumschaft zu erwarten sei:
Bei Zell
8 Fuhren und 104 Handfrohnen
Bei Entersbach
28 Fuhren und 14 Handfrohnen
Bei Biberach
21 Fuhren und 76 Handfrohnen
Bei Nordrach
33 Fuhren und 47 Handfrohnen
Bei Harmersbach
67 Fuhren und 279 Handfrohnen
Im Ganzen
157 Fuhren und 520 Handfrohnen
Nach seiner Modellrechnung hätte Entersbach bei einer Umstellung von Frohnarbeit auf eine Geldabgabe bei den Handfrohnen eine Steuerlast von 67 Gulden und 12 Kreuzern und bei den Fuhrfrohnen eine Steuerlast von 895 Gulden und 4 Kreuzern aufzubringen.
Kaum zu glauben, dass es von Unter-Entersbach erst 1885, also 75 Jahre später, eine Reaktion auf den Vorschlag aus dem Bezirksamt Gengenbach gegeben hat. Der Entersbach hatte sich in der Zwischenzeit, 1851, in zwei Gemeinden, in Unter- und Oberentersbach geteilt.
Unter dem Vorsitz von Bürgermeister K. Rothmann traten die 34 männlichen Bürger von Unterentersbach zusammen. Zur Abstimmung wurde ihnen folgende Frage vorgelegt: „Soll das Frohnen in hiesiger Gemeinde beibehalten werden oder nicht?“ 33 Bürger haben mit Ja gestimmt, 1 Bürger mit Nein.
Vielleicht hat die Reaktion auf den Brief solange gedauert, weil man im Grunde bei einer Änderung des Frohndienstes zugunsten einer Steuer keinen Vorteil, sondern eher eine Belastung sah. Generell war es für die Bürger leichter, sich mit ihrer Zeit und ihrer Arbeitskraft für ein Gemeinwohl-Projekt einzubringen, als bares Geld aufzutreiben. Der Übergang von der Natural- und Tauschwirtschaft zur Geldwirtschaft war zwar im Gange, hatte sich aber noch nicht durchgesetzt.
Der Vorschlag des Ingenieurs war nicht falsch, sondern kam nur verfrüht. Erst die Zukunft hat seiner Idee recht gegeben. Kein Bürger käme heute auf die Idee, man solle statt der Bezahlung einer Steuer zum Frohndienst zurückkehren.
Quelle
Stadt-Archiv Zell a. H. – Abteilung Unterentersbach, IV Gemeinde-verwaltung 4-8.