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Zum Artikel »Deutschland zieht die Notbremse« in der Ausgabe 150/2020
Warum ich mich Äußere? Ich bin Krebspatientin und somit eine Hochrisikopatientin. Ich möchte Ihnen meine Geschichte erzählen. Dann können Sie die Situation vielleicht mit anderen Augen sehen und vielleicht besser verstehen. Schließlich liegt es an jedem einzelnen, wie lange der Lockdown dauern wird.
Ich bin 43 Jahre alt und seit fünf Jahren an Krebs erkrankt. Mit 37 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Die Angst was kommt und was passiert, wie geht es weiter? Eine Welt bricht zusammen. Operation dann im Anschluß Chemotherapie und Bestrahlung das volle Programm. Man wollte ja sicher sein, dass ich es überlebe und gesund werde. Der ganze bürokratische Aufwand kostet Nerven und noch mehr Geduld. Dabei bist du so schwer erkrankt, dass dir dafür die Energie fehlt. Vom menschlichen Part mal abgesehen. Kinder, die in der Schule gemobbt werden, die selber nicht wissen, ob die Mama überlebt und Angst haben. Eltern, die dich sehen, wenn du vor Schmerzen und Kraftlosigkeit nicht mehr kannst. Ein Partner, der dir zur Seite steht und die Narben, Schmerzen, Wut und Tränen aushalten muss. Dich sieht, wie du nicht gesehen werden willst. Dir fällt die Flasche aus der Hand, weil Du sie nicht halten kannst. Du fällst die Treppe rauf und runter, weil deine Füße streiken. Du musst um Atem ringen, weil sich deine Lunge mit Wasser füllt.
Der Krebs wurde mit den Jahren immer bösartiger. Man musste mir beide Brüste amputieren. Ich musste in Umkehrisolierung. Lockdown für mich. Da mein Körper kein Immunsystem mehr hatte, wäre jeder Mensch für mich ein Todesurteil gewesen. Zum Glück hab ich das überlebt. Dieses Jahr ging es mir durch die Chemotherapie so schlecht, dass ich eine Leukämie entwickelte und eine Bluttransfusion benötigte.
Sie sehen: Es ist nicht leicht ein Hochrisikopatient zu sein. Darum bitte ich Sie alle: Halten Sie die Regeln ein, tragen Sie den Mund-Nasen-Schutz richtig, halten Sie Abstand. Beachten Sie die Hygieneregeln, waschen Sie sich die Hände. Und bitte gehen Sie Blutspenden, wenn es möglich ist. Es rettet Leben. So können Sie vielen Hochrisikopatienten das Leben ein kleines bisschen leichter machen.
Melanie Lehmann,
Zell-Unterentersbach