Zwar hat es in den letzten Tagen nun recht ergiebig geregnet. Doch aufgrund der relativen Trockenheit in diesem Jahr waren Pilze auch heuer rar. Dennoch brachte am vergangenen Montag eine Exkursion mit dem Pilzsachverständigen Christian Petersen die unterschiedlichsten Funde und damit Erkenntnisse zutage.
Als »halb Rentner, halb Rechtsanwalt« bezeichnet Petersen sich, Pilzwanderungen veranstaltet er aus reinem »Spaß an der Freud’«. In Lehrgängen hat er sich zum Sachverständigen in Sachen Pilzen fortgebildet, daher bietet er auch Führungen an,
mit anschließender Begutachtung und Bestimmung der Pilzfunde.
So ging es dann am Montag vom Treffpunkt im Gasthof Rebstock (Stöcken) aus in Fahrgemeinschaften an den Waldrand, hier teilte sich die Gruppe auf: Wer weniger gut zu Fuß war, wanderte mit Petersen, die anderen hielten sich an seinen »Assistenten« Bernd Firner. »Ich bin kein Sachverständiger, nur Hobby-Pilzfachmann, alles andere wäre übertrieben«, betonte der 42-Jährige in aller Bescheidenheit.
Jeder der Teilnehmer – inklusive zweier erwartungsfroher Kinder – hatte sich mit einem Körbchen und einem Messer ausgerüstet. Letzteres ist allerdings nicht zum Abschneiden der Pilze gedacht, sondern zum Ausgraben, weil häufig auch die Form der
Basis ein wichtiges Bestimmungsmerkmal darstellt. Wie beispielsweise bei Perl- und Pantherpilz: Der eine ist ein sehr guter Speise-, der andere ein berüchtigter Giftpilz. Gemeinerweise sind sich beide zum Verwechseln ähnlich.
Außerdem ist es ratsam, zwei oder drei Exemplare einer Sorte mitzunehmen, da ein und derselbe Pilz mit unterschiedlichen Erscheinungsformen zu verwirren mag, schon alleine in Abhängigkeit von seinem Entwicklungsstadium.
Teils Schwemme trotz Trockenheit
»Im letzten Jahr war es mit dem Pilzesammeln wegen der Trockenheit sehr schlecht«, wusste Christian Petersen, und auch in diesem Jahr konnte der 64-Jährige erst zwei Exkursionen anbieten, beide im September. Die Hoffnung lag auf dem Regen, der vor einiger Zeit gefallen ist, denn Pilze mögen es nun einmal eher feucht. »In den oberen Lagen – also über 700 bis 800 Metern – regnet es immer mehr als in den unteren Lagen«, ergänzt einer der Teilnehmer, »dort gibt es daher dann auch mehr Pilze«.
Wenngleich Ausnahmen die Regel bestätigen. Wie bei den Wiesenchampignons, von denen es, überraschenderweise, in diesem Jahr örtlich regelrechte Schwemmen gegeben hat. Warum? »Da müssen Sie die Wiesenchampignons fragen«, brummte Christian Petersen mit ungerührter Miene.
»Assistent« Bernd Firner dagegen meinte: »Meiner Erfahrung nach – und andere haben mir das bestätigt: Wenn es lange trocken ist und sehr warm, wie in den letzten Jahren, und dann Regen einsetzt, dann wachsen die Wiesenchampignons relativ schnell.« Auch bei manch anderen Pilzarten sei das so, wie beispielsweise dem schmackhaften Parasolpilz. Das ist ein Schirmling mit der Betonung auf hochwachsend und groß, so dass sein Schirm durchaus wie ein Schnitzel in der Pfanne gebraten werden kann. Grundsätzlich hüten jedoch muss man sich vor kleinen Schirmlingen: »Die sind allesamt giftig«, warnte Christian Petersen.
Genießbar oder giftig beziehungsweise zumindest ungenießbar – genau darum geht es ja beim Sammeln jener Gewächse, die neben Tieren und Pflanzen eine eigenständige Art bilden. Unter anderem einen Risspilz stöberte der Pilzsachverständige auf. Das Exemplar mit dem braunen, vom Rand her charakteristisch eingerissenen Hut ist dermaßen giftig, dass Petersen es in einen geleerten Kaffeebecher in seinem Korb deponierte, damit es nicht mit den anderen, teils essbaren Pilzen in Berührung kam. Eine der Teilnehmerinnen hatte sich aus Furcht vor Gesundheitsunzuträglichem gar Einmalhandschuhe übergezogen. Christian Petersen äußerte sich dazu kurz und knapp: »Davon halte ich nichts.«
Steinpilze bis in den Dezember
Auf einige wenige Pfifferlinge stießen die Suchenden, die kannte fast jeder in der Gruppe, so wie nahezu jedem auch der Steinpilz geläufig war – den man hier in der Region im Übrigen teils bis in den Dezember hinein finden kann, je nach Witterung.
Was nach zwei Stunden des Sammelns dann aber zur Bestimmung ausgebreitet auf einer langen Tischreihe im Gasthof Rebstock landete, stellte sich als eine im wahrsten Sinne des Wortes bunte Mischung heraus. Ein goldgelb leuchtender Hörnling war dabei – hübsch anzuschauen, doch ebenso wenig zum Verzehr geeignet wie der grünblättrige Schwefelkopf. Ansonsten sorgten vor allem Täublinge für Farbe. Einige dieser Lamellenpilze betören mit einem appetitlichen hellen Rot – dass eben sie den Namen »Speitäubling« tragen, sagt allerdings alles.
Andererseits befinden sich sehr gute Speisepilze unter den nicht immer einfach voneinander zu unterscheidenden Täublingsarten. Da trifft es sich gut, dass der leckere Frauenpilz eindeutige Merkmale besitzt: Sein Stiel bricht wie Styropor, zerfasert also nicht. Und wenn man über seine Lamellen streicht, brechen diese nicht, es entsteht also kein »Trümmerfeld«, wie es bei anderen Täublingen der Fall wäre. Vielmehr geben die Lamellen dieses Exemplars elastisch nach. Als weiteres Merkmal schmeckt sein Fleisch mild, das aller ungenießbaren Täublinge hingegen scharf.
Sogar eine breitblättrige Glucke, auch Tannenglucke genannt, lag auf dem Tisch. Sie braucht eine Kiefer oder Tanne als Begleitbaum: die Pilzwurzeln gehen eine Lebensgemeinschaft ein mit den Wurzeln des Baumes. Zwar sind ihre vielen blättrigen Windungen unter Umständen schwer zu säubern, doch für den Kochtopf ist die Glucke bestens geeignet.
Auch ein Büschel des seltenen, gepanzerten braunen Raslings befand sich unter den Funden – ein wenig zäh, aber essbar. Sein weißer Kollege hingegen ist giftig. Und dann stach da noch ein wahrhaft stattlicher Hexenröhrling ins Auge. Obwohl er rundherum »giftig« aussieht, handelt es sich um einen ausgezeichneten Speisepilz.
Doch auch bei Röhrlingen heißt es aufzupassen: Bei einem hellen Hut in Verbindung mit den Farben gelb und rot an Poren und/oder Stiel sollten alle inneren Alarmglocken schrillen. So lautet die Faustregel. Denn dann kann es sich beispielsweise um den gefährlichen Satanspilz handeln.
All dies zeigt, was jedem Sammler klar sein sollte: »Wenn man sich nicht sicher ist, lässt man die Finger von dem Pilz«, mahnte Firner, »oder man bringt seinen Fund zu einem Sachverständigen.«
Was Pilze überhaupt sind
Lange wurden sie zu den Pflanzen gerechnet, auch wenn sie keine Fotosynthese betreiben können. Heutzutage jedoch gelten die botanisch als »Fungi« bezeichneten Pilze als näher mit den Tieren verwandt, da sie sich wie diese durch die Aufnahme organischer Substanzen ernähren. Die allerdings nehmen sie in gelöster Form aus ihrer Umgebung auf.