»Landfrauen zeigen Flagge« lautet das diesjährige Motto eines Verbandes, dessen Mitglieder sich ehrenamtlich für das Leben im ländlichen Raum ebenso einsetzen, wie für Bildung und Gleichstellung bis hin zu Ernährung, Gesundheit, Familie, Umwelt. Und dessen Bezirksverantwortliche genau das nun der Öffentlichkeit klarmachen wollen.
Eine geradezu himmlische Ruhe herrscht auf dem Strickerhof in den Höhen Oberentersbachs. Zur Besprechung kredenzt Waltraud Rothmann selbstgemachten Saft aus Josta- und Johannisbeeren. Im Landfrauen-Bezirksverband mit seinen elf Ortsvereinen ist die gelernte Einzelhandelskauffrau und Hofbäuerin im Nebenerwerb für den Bereich der Bildung zuständig.
Das fruchtige Getränk lassen sich ihre Mitstreiterinnen gerne schmecken: Da sind Martina Webering aus Nordrach und Rita Vitt aus Prinzbach, beide landwirtschaftliche Brennmeisterinnen – die eine im Nebenberuf, die andere im Hauptberuf. Martina Webering, zudem Edelbrandsommelière und »nebenbei« Hauswirtschaftsleiterin, fungiert im Bezirksverband als Koordinatorin. Rita Vitt »macht die Verwaltungsebene«, ist also für Verbandsversammlungen zuständig und besucht Ortsvereine bei Wahlen oder Generalversammlungen.
Die Vierte am Tisch heißt Monika Schnaiter. »Ich bin der Partylöwe«, lacht die Oberharmersbacherin. Denn gemeinsam mit zwei anderen Frauen organisiert sie den Einsatz bei der Oberrheinmesse, den Bezirkslandfrauentag sowie die alle zwei Jahre stattfindenden Aktionstage.
Ob Arzt, Bus, DSL oder Wolf
Für dieses Jahr hat der deutsche Landfrauenverband das Thema »Landfrauen zeigen Flagge« gesetzt, das jeder Bezirk nach Wahl umsetzen kann. »Wir haben uns im Vorstand so abgesprochen, dass wir an die Öffentlichkeit gehen um zu zeigen, wer die Landfrauen sind«, erklärt Monika Schnaiter.
Wie Waltraud Rothmann auch hat sie, die von Hause aus landwirtschaftstechnische Lehrerin ist, dereinst auf einen Hof geheiratet, »da wird man automatisch Mit-Unternehmerin und trägt dann seinen Part.« Den Landfrauen – der Arbeitsgemeinschaft der LandFrauenverbände in Baden-Württemberg – trat sie 1995 bei, weil sie keine »Hiesige« war, »so habe ich die Leute kennengelernt.«
Und hat am eigenen Leib erfahren, dass die Landfrauen für jene, die in ein Dorf zuziehen, »eine ganz tolle Ebene« bieten: »Weil es Frauen sind, weil´s um Schulungen und Weiterbildung geht, um ehrenamtliches Engagement, um Dinge, die in der Gemeinde stattfinden – man ist ganz schnell drin im ganzen Thema »Dorf«, hat ganz schnell Kontakt zu den Leuten und weiß, wo sie hingehören, was sie machen.«
Hinzu komme die sehr herzliche Atmosphäre, egal in welchem der Ortsvereine. Und von denen kennt sie viele – aufgrund ihres langjährigen Engagements auch auf übergeordneter Ebene, für das sie im letzten Jahr vom Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz mit der Staatsmedaille in Gold ausgezeichnet wurde.
»Der Landrat geht jedes Jahr mit den Landfrauen durch die Ortenau«, betont die von Waldshut bis nach Rastatt Vernetzte, »wir bieten dann immer einen Betriebsbesuch an und stellen vor, was wir Frauen so betreiben«. Auch die Probleme des Alltags werden dabei besprochen, »von der Krankenhausschließung respektive der ärztlichen Versorgung über Schülerbeförderung, die fehlende Buslinie oder nicht vorhandenes DSL bis hin zum Wolf, der gefährlich wird, sobald er Rudel bildet – alles, was den Landfrauen auf den Nägeln brennt.«
Bei der Rente gepunktet
Ein Beispiel für das politische Gewicht der Landfrauen ist ihr Einsatz für die Rente: »Wir haben erreicht, dass die ältere Generation der Mütter mehr Punkte für Erziehungszeiten und damit eine höhere Rente erhält«, unterstreicht das am Tisch sitzende Quartett.
Überhaupt decken die Themen, in denen sich Landfrauen engagieren, eine große Bandbreite ab. Nicht nur im Bereich Bildung und Gleichstellung sind sie aktiv, sondern auch betreffs Ernährung und Gesundheit, Familie, Umwelt sowie generell in Bezug auf das Leben im ländlichen Raum.
Umso wichtiger ist es den Landfrauen, das noch immer bestehende Klischee aufzubrechen. Eines, das sie wie folgt beschreiben: »Landfrauen gelten für den Durchschnitt der Bevölkerung als die Frauen, die Kuchen backen und bei bestimmten Veranstaltungen bewirten. Als Frauen, die vom Hof kommen und einmal im Jahr zusammen einen Ausflug machen.«
Ein Bild, das noch aus jenen Zeiten nach dem Krieg stammt, als Bäuerinnen außer ihrem Hof tatsächlich nichts zu sehen bekamen, als am Sonntag die Kirche. Damals, als sich die ersten Landfrauenvereine formierten, ging es daher tatsächlich auch darum, sich untereinander zu treffen, sozialen Kontakt zu finden. Ein wichtiges Ziel bestand jedoch zudem in der Weiterbildung – wenngleich dereinst meist im land- und hauswirtschaftlichen Bereich.
»Mit der Überproduktion der Lebensmittel ist den Landfrauen dann aufgefallen, dass niemand besser bäuerliche Produkte verkaufen kann als sie selbst«, berichtet Monika Schnaiter davon, wie Landfrauen zu Fachfrauen für Verkaufsförderung ausgebildet wurden. Diese warben auch in Supermärkten dafür, heimisches Obst statt Ananas und Aprikosen zu kaufen. »Regional und saisonal ist optimal«, habe der Slogan Ende der achziger, Anfang der neunziger Jahre gelautet. »Damals hat jeder müde gelächelt – heute geht nichts mehr ohne regional«, ruft Monika Schnaiter die damalige Pionierarbeit der Landfrauen in Erinnerung.
Das A und O der Weiterbildung
Vor 20 Jahren dann seien Schulungen im Tourismus sehr aktuell gewesen, erzählt sie. Um regionale Genüsse, Gästebeherbergung, Versicherungs- und Steuerfragen etcetera ging es da. Heutzutage betrifft die von den Landfrauen angebotene Weiterbildung Marketingthemen aller Art, hinzukommt beispielsweise der Umgang mit der Computertechnik, mit den sozialen Medien, das Betreiben von Online-Shops.
»Wenn man nicht irgendwo angeschlossen ist – und bei den Landfrauen sind Schulungen recht günstig – dann ist die Weiterbildung in solchen Bereichen richtig teuer«, unterstreichen auch Monika Schnaiters Kolleginnen.
Bei ihnen – den Landfrauen – sind heutzutage viele »Stadtfrauen« mit von der Partie. Respektive Frauen, die nicht auf einem Bauernhof leben, aber im ländlichen Raum. Womit die unterschiedlichsten Berufsgruppen vertreten sind.
Und was das Bild der »Bäuerinnen« betrifft, wie es der Durchschnittsbürger noch immer im Kopf haben mag: »Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen«, betont Monika Schnaiter, »auf einem Hof arbeitende Frauen – egal ob im Haupt- oder Nebenerwerb – sind heutzutage zwangsläufig Unternehmerinnen.«