Die Kreishandwerkerschaft Ortenau würdigte jahrzehntelange Tätigkeit im Meisteramt und die damit einhergehende Lebensleistung.
Anfang Juni fand in der Gewerbe Akademie Offenburg das traditionelle Meisterjubiläum der Kreishandwerkerschaft Ortenau statt.
Im feierlichen Rahmen wurden 62 Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister aus 23 verschiedenen Gewerken für ihre jahrzehntelange berufliche Leistung mit dem Goldenen, Diamantenen, Eisernen oder Platinen Meisterbrief ausgezeichnet.
Der Kreishandwerksmeister Bernd Wölfle begrüßte die anwesenden Jubilare sowie zahlreiche Ehrengäste, Obermeister, Ehrenmeister und Ehrenobermeister. Gemeinsam mit Ferrit Kellouche, Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Freiburg, überreichte er die Ehrenurkunden.
Auch aus dem Einzugsgebiet der „Schwarzwälder Post“ wurden eine Handwerksmeisterin und drei Handwerksmeister für ihre langjährige Tätigkeit geehrt.
Meisterbriefe in Platin, Diamant und Gold
Wagnermeister Hans Mellert aus Zell-Unterharmersbach erhielt mit dem Platinen Meisterbrief zum 70-jährigen Jubiläum eine besondere und bemerkenswerte Ehrung. Bäckermeisterin Angelika Welle-Männle aus Zell-Unterharmersbach und Fleischermeister Paul Gutmann aus Zell-Unterentersbach wurden zum 50-jährigen Jubiläum mit dem Diamantenen Meisterbrief geehrt. Zum 40-jährigen Jubiläum nahm Elektromeister Jürgen Gißler aus Biberach den Golden Meisterbrief entgegen.
Die Ehrung ist ein Zeichen der Anerkennung für die harte Arbeit und den bedeutenden Beitrag der Meisterinnen und Meister zur wirtschaftlichen Stabilität, gesellschaftlichen Entwicklung und zur Bewahrung kultureller Handwerkskunst.
Rückblick mit Stolz und Dankbarkeit
Mit viel Stolz und voller Emotionen blicken die Geehrten denn auch auf viele Jahrzehnte ihrer Hingabe zum Handwerk zurück. „Der Meistertitel ist nicht nur ein Beweis für fachliche Kompetenz, sondern auch für Engagement, Verantwortung und Leidenschaft für den Beruf“, heißt es vonseiten der Kreishandwerkerschaft. Und weiter: „Mit ihrer langjährigen Erfahrung und ihrem Einsatz als Vorbilder für die nächste Generation ist die außerordentliche Stellung der Ausgezeichneten in der Gesellschaft besonders zu betonen. Das Handwerk ist das Rückgrat unserer Wirtschaft.“ Es schafft Arbeitsplätze, fördert Innovationen, bewahrt wertvolles traditionelles Wissen.
Ehren-Handwerksmeister im Gespräch
Die Schwarzwälder Post hat sich mit den vier Ehrenmeistern aus Zell und Biberach darüber unterhalten, warum sie ihren Beruf dereinst ergriffen und sich dann der Meisterprüfung unterzogen haben, was ihnen an ihrem Beruf besonders gefällt, beziehungsweise gefallen hat und was sie heutzutage tun.
So viel vorneweg: Den Meisterbrief haben alle miteinander erworben, um ein Geschäft zu führen beziehungsweise eine Leitungsfunktion übernehmen zu dürfen.
Bäckermeisterin Angelika Welle-Männle
Foto: Kreishandwerkerschaft Ortenau
Die heute 72-Jährige wuchs in einem Familienbetrieb auf – in einer Bäckerei, die bereits seit 1696 besteht. „Der Papa, der hatte früher eine Mühle dabei gehabt“, erzählt sie von der einstigen, am Harmersbach gelegenen Ochsenmühle, deren Schriftzug noch heute an der Hausfassade prangt, „eine Mehlmühle und eine Ölmühle, und dann ist noch Holz gesägt worden.“
Als Kind war sie regelmäßig in der Backstube und hatte – gemeinsam mit der Schwester – „ein bisschen helfen dürfen“, erinnert sich die Unterharmersbacherin, „da habe ich dann immer als Kind schon gesagt, ich werd` mal Bäckerin.“ Als sie mit 14 Jahren in die Lehre kam, hieß es jeden Morgen um halb vier Uhr: Raus aus den Federn.
Als einzige Frau unter 80 Männern
In der Bäckerfachschule war sie damals, anno 1975, unter 80 Meisteranwärtern die einzige Frau und stand als solche ihren Mann. Ihre Liebe zum Beruf hat sich bis heute gehalten: Noch immer steht sie jede Nacht ab sage und schreibe 23.30 Uhr in der Backstube. „Immer wieder etwas Neues ausprobieren, neue Rezepte finden, das macht mir Spaß“, sagt Angelika Welle-Männle, „auf Naturbasis und vieles mit Dinkel, was ja jetzt im Trend ist.“
Doch auch der Arbeitskräftemangel treibt sie zu ihrem noch immer unermüdlichen Engagement, „man kriegt ja niemanden mehr, gerade in diesem Beruf – wegen dem frühen Aufstehen und der körperlichen Anstrengung.“
Ihr Sohn hat ebenfalls Bäcker gelernt, arbeitet jedoch in einem Planungsbüro für die Pharmaindustrie. Ihre Tochter Jessica ist Konditorin, eine Weile um die Welt gereist und nun wieder zurückgekommen. „Jetzt schauen wir halt mal, ob sie und ihr Freund den Laden weiterführen wollen“, sagt die Jubilarin, „aber man weiß ja nie, wie die Zeit wird.“
Fleischermeister Paul Gutmann
Foto: Kreishandwerkerschaft Ortenau
Der Unterentersbacher versteht sich auf das Erzählen von Anekdoten. Auch und erst recht in Bezug auf seinen Handwerksberuf. „Wir haben daheim auch immer geschlachtet“, erzählt der 1952 Geborene von seiner Kindheit auf dem Land, „mein Wunsch war dann, mal Metzger zu probieren. Da bin ich als Bub in meiner kurzen Lederhose in die damalige Metzgerei Wagner-Schwendemann in Zell gegangen und hab´ gefragt, ob ich dort in die Lehre gehen darf.“
Der Fünfzehnjährige durfte. Weil gerade ein neues Schlachthaus gebaut wurde und zusätzliche Kräfte vonnöten waren, schließlich wurde er Betriebsleiter. Das für ihn Faszinierende am Fleischerberuf? Vor allen Dingen das Kreative und Vielfältige. „Das war ja damals noch anders als heute“, sagt Paul Gutmann mit Blick auf die inzwischen gegebene Spezialisierung. „Früher hat man nicht nur gemetzgert oder ausgebeint oder was auch immer – da hat man alles gemacht, auch das Vieh beim Bauern abgeholt.“
„Wurstmachen ist mein Leben“
Jedes Vieh war anders. Eines ist ganz ruhig gelaufen, das andere hat Faxen gemacht. „Man musste immer aufpassen, dass sie einem nicht auf die Füß` stehen und dass man nicht in die Hörner kommt.“ Aber nie habe er „aus Angst“ eines dieser mächtigen Tiere rennen lassen, lacht Paul Gutmann, und auch das dazugehörende Schlachten, das Töten, hat ihm nichts ausgemacht.
Das „Wursten“, das war sein Leben. Denn jede Wurst ist anders: je nach Fleisch, Gewürz, Zubereitungsart und je nach Art des befüllten Darms. Als Paul Gutmann sich 2011 für die letzten fünf Jahre seines Berufslebens selbstständig machte, genoss er es, nach Herzenslust Rezepturen ausprobieren zu können. Heutzutage stellt er Wurst nur noch für den Eigenbedarf her, als Hobby.
Wagnermeister Hans Mellert
Foto: Kreishandwerkerschaft Ortenau
Stolze 93 Lenze zählt der noch immer rüstige Senior inzwischen: Zwar wollen die Ohren nicht mehr so, wie sie sollen. Arme und Hände hingegen können noch immer ihren kundigen Dienst verrichten, können schaffen und entstehen lassen.
1947 war es, dass Hans Mellert seine Ausbildung in einem Beruf begonnen hat, der heutzutage fast ausgestorben ist. Wagnerzünfte gab es ab dem 14. Jahrhundert. Sie stellten Räder und Wägen aus Holz her, desgleichen landwirtschaftliche Geräte wie Eggen, Kuh- und Ochsenjoche, Kummetstollen, Werkzeuge. Vieles davon wurde direkt vor Ort gefertigt, auf den Höfen der Bauern.
Nach dem Krieg noch vier Wagnereien
Aus freien Stücken gewählt hat Hans Mellert dieses Handwerk ursprünglich eher nicht. „Nach dem Krieg gab es nicht viele Ausbildungsmöglichkeiten“, erinnert sich der Unterharmersbacher an seine Zeit als Jugendlicher, „da hat man im Endeffekt nehmen müssen, was man kriegt.“ Immerhin: Das Können und Wissen eines Wagners war damals noch gefragt, „vier Wagnereien gab es bei uns im Tal.“
Und Hans Mellert hatte Glück: Die Arbeit war ihm beileibe nicht bloße Pflicht, sie machte ihm Spaß. Im Hauptberuf ausüben konnte er sie aufgrund der schließlich massiv wegbrechenden Nachfrage allerdings nur bis ins Jahr 1981, von da an übernahm er eine Tätigkeit als Hausmeister.
Noch immer jedoch geht er sehr gerne in die Werkstatt. Und zwar im Betrieb seines Sohnes Jürgen, seines Zeichens Parkettlegermeister, einem Spezialisten für Bodenverlegungen aller Art. Holzstiele fertigt der Wagnermeister Hans Mellert in dessen Firma beispielsweise. Oder – wie neulich erst – hochwertige hölzerne Sockelleisten oder Treppen aus Holz.
Elektromeister Jürgen Gißler
Foto: Kreishandwerkerschaft Ortenau
Der Biberacher hatte schon früh den Entschluss gefasst, auf seinem Interessensgebiet schnell voranzukommen. Dank Sondergenehmigung musste er nach der Gesellenprüfung nicht erst – wie damals üblich – fünf Jahre Berufserfahrung sammeln, sondern konnte seine Meisterausbildung frühzeitig beginnen.
Den technischen Teil in Appenweier und den kaufmännischen Teil in Offenburg absolvierte er gleichzeitig. „Das ging über zwei Jahre. Es war anstrengend, aber ich wusste, wofür ich es mache“, rekapituliert Jürgen Gißler. Im direkten Anschluss gründete er 1985 sein Elektrotechnik-Unternehmen – für Elektroinstallationen, SAT-Anlagen, Netzwerktechnik, Zählerschränke, Wallboxen und vieles mehr.
Am Puls der Zeit
Als die Nachfrage nach erneuerbarer Energie stieg, entstand 2004 zusätzlich die SEB-Solar GmbH mit dem Fokus auf Photovoltaikanlagen, Stromspeichertechnik und E-Ladestationen. Im Jahr 2024 dann die offizielle Einweihung eines neuen Firmengebäudes in Berghaupten, „in Biberach war es mit der Zeit einfach zu eng geworden.“
Ohne die Unterstützung seiner Frau Annemarie, die von Anfang an für die Finanzbuchhaltung verantwortlich ist, sei das alles nicht möglich gewesen, betont Jürgen Gißler und freut sich, dass Tochter Anne-Kathrin die Qualifikationen dafür hat, die beiden Firmen in Zukunft erfolgreich weiterzuführen.
„Handwerk ist mehr als ein Beruf“, unterstreicht der Elektromeister, „es ist eine Leidenschaft, die Zukunft gestaltet.“ Worauf er am meisten stolz ist? „Auf das, was wir als Familie mit viel Fleiß und Herzblut gemeinsam geschafft und aufgebaut haben“, sagt er, „und es erfüllt mich, dass wir mit unserem Handwerk einen echten Beitrag zur Energiewende leisten.“