Geburt, Hochzeit, Abschied – das Standesamt begleitet die Menschen in den wichtigsten Momenten ihres Lebens. Seit diesem Jahr gibt es dafür in Zell am Harmersbach und Oberharmersbach nur noch eine gemeinsame Anlaufstelle, die im Zeller Rathaus liegt. Eine Entscheidung, die viel mit Fachkräftemangel, steigenden Anforderungen und pragmatischer Zusammenarbeit zu tun hat.
„Bitte unterschreiben“, forderte Zells Hauptamtsleiter Ulrich Reich gestern im Sitzungssaal des Rathauses Bürgermeister Günter Pfundstein auf. Ein Moment, ein Schriftzug – und die Bestellung war besiegelt. Mit seinen Unterschriften machte Pfundstein den „Standesamtsbezirk Zell am Harmersbach“ offiziell und ernannte die zuständigen Standes- und Eheschließungsbeamten. Pfundsteins eigenes Dokument unterzeichnete Bürgermeister-Stellvertreterin Dr. Brigitte Stunder. Das Landratsamt Ortenaukreis hatte am 2. Dezember 2024 die Bildung eines gemeinsamen Standesamtsbezirks offiziell genehmigt.
Premiere in der Ortenau
Seit dem 1. Januar 2025 gibt es in Zell und Oberharmersbach nicht mehr zwei Standesämter, sondern nur noch eines. Ab Jahresbeginn ersetzt der neue Standesamtsbezirk Zell am Harmersbach die bisherigen getrennten Ämter – das erste Modell dieser Art in der Ortenau.
Der neue gemeinsame Bezirk übernimmt künftig alle Aufgaben rund um Geburten, Eheschließungen, Sterbefälle und sonstige Personenstandsangelegenheiten. Alle Verwaltungsvorgänge werden zentral in Zell bearbeitet, Trauungen bleiben weiterhin in beiden Gemeinden möglich.
Was sich für die Bürger ändert
Für die Einwohner von Oberharmersbach bedeutet die Umstellung, dass sie sich künftig für alle standesamtlichen Angelegenheiten an das Rathaus in Zell wenden müssen. Wer eine Geburts- oder Sterbeurkunde benötigt, eine Namensänderung beantragen will, aus der Kirche austritt oder eine Vaterschaftsanerkennung braucht, wird künftig dort betreut. Viele Standesamtsangelegenheiten lassen sich mittlerweile online per E-Mail-Kontakt erledigen.
Die Urkunden tragen weiterhin das Wappen des bisherigen Zeller Standesamts. Doch das bedeutet keineswegs, dass Oberharmersbach von Zell „geschluckt“ wurde – vielmehr haben beide Gemeinden einen neuen, gemeinsamen Standesamtsbezirk gegründet.
Auch das Archiv der alten Standesamtsakten aus Oberharmersbach wurde bereits nach Zell verlagert – samt historischer Register, die bis ins Jahr 1870 zurückreichen. Wer in Zukunft einen alten Familieneintrag sucht, wird ihn also in Zell finden.
Eheschließungen weiterhin an beiden Orten möglich
Beim Standesamt denken die meisten zuerst ans Heiraten – an das Ja-Wort, Ringe und Glückwünsche. Brautpaare können sich nun zwischen sechs Standesbeamten und sage und schreibe sieben Trauorten entscheiden.
In Oberharmersbach steht weiterhin das Trauzimmer im Rathaus zur Verfügung, in Zell gibt es neben dem Rathaus etliche stimmungsvolle Alternativen. Trauungen sind auch im Rundofen, im Storchenturm, im Fürstenberger Hof sowie in den Rathäusern in Unterentersbach und Unterharmersbach möglich. „Wir wollten für alle unbedingt sicherstellen, dass Trauungen weiterhin vor Ort stattfinden können“, betont Bürgermeister Günter Pfundstein aus Zell. „Gerade bei Hochzeiten ist der persönliche Bezug wichtig.“ Die Anmeldung zur Eheschließung erfolgt jedoch ab sofort ausschließlich über das neue Standesamt in Zell.
Warum sich Oberharmersbach für die Fusion entschied
Ein eigenes Standesamt gehörte in Oberharmersbach immer zur Gemeinde. Doch als im vergangenen Jahr eine langjährige Standesbeamtin in den Ruhestand ging, stellte sich die Frage: Wie geht es weiter? Erst einmal blieb die Hauptamtsleiterin Dominika Hättig als einzige Vollstandesbeamtin. Das bedeutete: Alle standesamtlichen Aufgaben lagen bei ihr – zusätzlich zu ihrer Haupttätigkeit in der Verwaltung. Eine Dauerlösung konnte das nicht sein. „Wir haben überlegt, ob wir eine eigene Lösung finden können, aber das wäre wirtschaftlich einfach nicht sinnvoll gewesen“, erklärt Bürgermeister Richard Weith. Standesbeamte müssen nicht nur umfassend geschult sein, sondern sich auch regelmäßig weiterbilden. Viel Aufwand für eine Stelle, die in Oberharmersbach gerade einmal mit zehn Wochenstunden veranschlagt war. Ob die überhaupt zu besetzen gewesen wäre, war eine weitere Frage.
Provisorium wird Regel
Bereits im März 2024 hatte es deshalb erste Gespräche über eine Verhinderungsvertretung durch das Zeller Standesamt gegeben, erinnert sich Weith. Doch schnell sei klar geworden, dass eine langfristige Lösung gefunden werden muss. Im September fiel im Gemeinderat die Grundsatzentscheidung zur Fusion, im November dann der offizielle Beschluss in beiden Gemeinderäten der beteiligten Gemeinde.
Die Zahlen untermauern die Entscheidung. In Oberharmersbach gab es 2024 zehn Eheschließungen und rund 20 Sterbefälle – in Zell waren es im selben Zeitraum 48 Hochzeiten und an die 90 Sterbefälle. Zells Bürgermeister Günter Pfundstein ist sich sicher, dass die regelmäßigen Weiterbildungen im Standesamt künftig sinnvoll gebündelt werden können und auch die Vertretungsregelungen deutlich einfacher zu lösen sind: „Das ist eine gute interkommunale Lösung für alle Beteiligten!“
Das Team hinter dem neuen Standesamt
Wie angesprochen sind im neuen Standesamtsbezirk insgesamt sechs Personen im „Dienst“. Als Vollstandesbeamte bestellt sind weiterhin Monika Selinger, Martin Müller und Dominika Hättig. Allerdings springt Dominika Hättig nur noch im Notfall ein. Diese Mitarbeiter können alle Aufgaben übernehmen, etwa Urkunden ausstellen, Geburten beurkunden, Namensänderungen bearbeiten und vieles mehr. Rechtskräftige Eheschließungen können zudem der Unterharmersbacher Ortsvorsteher Jürgen Isenmann, Oberharmersbachs Bürgermeister Richard Weith und Zells Bürgermeister Günter Pfundstein als sogenannte Eheschließungsbeamte vornehmen. Zells Hauptamtsleiter Ulrich Reich hat den neuen Standesamtsbezirk rechtlich auf die Beine gestellt. Der ist organisatorisch im Hauptamt Zell am Harmersbach angesiedelt und fällt somit in Reichs Aufgabenbereich.
Kosten und Finanzierung: Wer zahlt was?
Oberharmersbach wird sich mit einer jährlichen Pauschale an den Verwaltungskosten in Zell beteiligen. Die genaue Höhe steht noch nicht fest – zu-nächst werden Fallzahlen erfasst und Abläufe beobachtet, um eine realistische Berechnungsgrundlage zu schaffen. Klar ist aber: Die Kosten sollen nicht mehr als ein Viertel der einer Standesbeamtenstelle betragen. Die einmaligen technischen Umstellungskosten belaufen sich auf 2.000 Euro, hinzu kommen laufende Ausgaben in gleicher Höhe pro Jahr.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Der neue Standesamtsbezirk ist der erste seiner Art im Ortenaukreis – und könnte wegweisend sein. Nordrach hat bereits Interesse signalisiert, sich dem neuen Verbund anzuschließen. Doch bevor über weitere Kooperationen entschieden wird, soll sich das Modell erst einmal bewähren. „Wir wollen sehen, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Zell und Oberharmersbach einspielt“, betont Bürgermeister Günter Pfundstein.
Den kompletten Bericht finden Sie in der Print-Ausgabe der Schwarzwälder-Post.