Gitarrist Volker Luft gestaltete die 4. „Sommermusik“ in der evangelischen Kirche.
Als Künstler braucht man bekanntlich ein Profil. Wer versucht alles anzubieten, der landet künstlerisch irgendwann bei gar nichts mehr. Es sei denn, man hat die Qualitäten eines Musikers wie Volker Luft, dessen Gitarrespiel in allen Genres entspannt, stets melodiös und natürlich klingt.
Stilistisch reicht sein Repertoire vom Mittelmeerraum über keltisch-irische Musikkultur und europäische Klassik bis zum afro-amerikanischen Blues. Stimmungen wie die Hommage an die Liebe („Occidental Love Tune“) oder das Assoziationen weckende „Sternenstaub“ und vor allem temperamentvolle Flamencos zauberten am Mittwochabend Farben und Formen in den Saal der evangelischen Kirche.
Zitate der spanischen Meister
Als Kompositionspreisträger kann Volker Luft es sich leisten, ein Programm ausschließlich mit Eigenkompositionen oder Bearbeitungen bekannter Stücke zu präsentieren. Selbstbewusst zitiert der Gitarrist hin und wieder die berühmten spanischen Meister Isaac Albeniz oder Francisco Tarrega, etwa bei dem lyrisch angehauchten „Recuerdos de la Al Andaluz“ oder dem fulminanten „Plaza de Toros“. Da erlebte man den Virtuosen mit knalligem Anschlag und kantigem Tremolo.
Welchen Wert Luft auf eine differenzierte Klangsprache legt, zeigte „Tango Piazol“, das er dem argentinischen Tango-König Astor Piazolla widmete. Rhythmik, kunstvolle Pausen, an die sich fließende Läufe und pointierte Basslinien anschlossen, machten das Spiel präsent. Überraschende Ritardanti, ungestüme Accelerandi ließen aufhorchen.
Feines Kolorit der Konzertgitarre
Da brauchte es etwas Entschleunigung mit „Musette de l’ouest“, ein Werk, das an den französischen Barock-Tanz ‚Valse musette‘ erinnert. Dennoch entstand keine Walzerseligkeit, vielmehr agierte Volker Luft mit Leichtigkeit und Gespür für Ästhetik und feines Kolorit der Konzertgitarre.
Dabei ist anzumerken, dass Luft keine gewöhnliche Akustikgitarre spielt, sondern ein vom Oldenburger Gitarrenbaumeister Daniel Stark angefertigtes Spezialinstrument, das mit 24 Bünden und einem ultramodernen Tonabnehmersystem mehr Spielmöglichkeiten bietet, ohne den natürlichen Klang der Gitarre zu verändern.
Eine Feier der Lebensfreude
Darüber hinaus ist der Musiker auch ein Allrounder in Sachen Infotainment: Ganz beiläufig brachte er die Zuhörer mit einem irischen Musikerwitz zum Schmunzeln und ließ sogleich das melodiöse „Carolan’s Dream“ – ursprünglich für die keltische Harfe komponiert – mit feinen atmosphärischen Gitarren-Arpeggien aufleuchten.
Eine Anekdote nahm danach das Publikum mit auf eine Zug-reise von Paris nach Perpignan, wo vor über 80 Jahren dem französischen Chansonnier Charles Trenet eine Melodie einfiel, die unter dem Titel „La Mer“ heute zu den meistverkauften Chansons aller Zeiten gehört. Die Instrumentalversion ließ ungeachtet aller gitarristischen Brillanz doch etwas die Melancholie einer Gesangsstimme vermissen.
Erfrischend und atmosphärisch dicht erklang das an die traditionelle Klezmer-Musik angelehnte „Groys Freyd“; eine Feier der Lebensfreude, tänzerisch, melodisch mitreißend und mit Seele interpretiert. Der Funke sprang über und das Publikum dankte mit viel Beifall.
Einfühlsamer Interpret
Beethoven auf der Gitarre. Geht das? Geht wohl, aber gefällt nicht jeder und jedem. Auch bei den Hörern in der Kirche gingen die Meinungen auseinander. Dabei lag schon auf dem berühmten Intro von Beethovens „Für Elise“ in Lufts exquisiter Tonsprache ein Saitenzauber, der eigentlich auch Klavier-Puristen überzeugen müsste. Vielleicht irritierten manche die Variationen im Mittelteil, die einem wie improvisiert vorkommen, ohne es freilich zu sein. Dass Volker Luft ein einfühlsamer Interpret ist, steht auch beim Klassiker Beethoven außer Frage.
Lufts ausgeprägter Gestaltungswillen machte seine Bearbeitung des Gershwin-Evergreens „Summertime“ zum ausdrucksvollen zeitgemäßen Jazz-Erlebnis: Gelassen-losgelöstes Spiel, emotionale Bewegung und Kontemplation waren hier gekonnt ausbalanciert.
Mit Tiefgang und Hitze
„Salento“, die Eigenkomposition in Form einer furiosen Tarantella mit Ohrwurm-Melodie, erklang rundum voll mit Tiefgang und Hitze. Großartig, wie der Gitarrist Finger- und Handfertigkeit mit Schnelligkeit, Dynamik und Musikalität kombinieren kann.
Das fast brachiale „Puento Nuevo“ zelebrierte Luft als Fest der Flamenco-Gitarre. Inspiriert dazu hatte ihn die gleichnamige Brücke über eine Schlucht nahe der spanischen Stadt Ronda in Málaga. Von 1751 bis 1793 erbaut und mit knapp 100 Meter Höhe galt sie lange als höchste Bogenbrücke der Welt. Immer wieder hätten sich Künstler und Literaten davon inspirieren lassen, erzählte Volker Luft.
Mit Groove und Flamenco-Facetten
Nach der geradezu intimen, mit gefälligen Klängen kredenzten und dem Astronomen Johannes Kepler gewidmeten Komposition „Sternenstaub“ kam der „Boll Weevil Blues“ rhythmisch massiv, gewagt und voller Drive daher.
Der Titel nimmt Bezug auf ein skurriles Denkmal in dem Ort Enterprise/Alabama. Dort hatten Farmer Anfang des 20. Jahrhunderts auf ihren Baumwollplantagen durch den Befall mit einem Schädling namens „Boll Weevil“ enorme Ernteverluste erlitten. Lufts Blues-Stück beschränkt sich nicht auf das gängige Zwölf-Takt-Schema, sondern lebt vom Groove und dem Hybrid-Picking aus dem Jazz-Hintergrund des Gitarristen. Für alle Blues-Aficionados im Publikum ein Hochgenuss.
Als Hommage an den von ihm verehrten Großmeister der Flamenco-Gitarre – Paco de Lucia – intonierte Volker Luft „Flamenco de Sur“: Mit versierter Anschlagstechnik, perlenden Läufen und facettenreichem Saitenklang zitierte Luft sein Vorbild, ohne den eigenen Stil zu vernachlässigen.
Reicher, anhaltender Beifall in der Kirche, der auch den Wunsch nach einer Zugabe ausdrückte. Volker Luft überraschte mit dem locker beschwingten „Western Whisky“, das gut in einen Italo- Western von Sergio Leone gepasst hätte. Die zweite Zugabe „Abendlied“ animierte viele Hörer zum Mitsummen.
Martina Wetzel dankte dem Solisten für den gelungenen Konzertabend und überreichte unter großem Applaus die weiße „Sommermusik“-Rose.