Mit Wehmut und Trauer verlassen am Pfingstmontag die Kapu ziner ihr Kloster in Zell und damit auch die Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten«.
Arbeit hätte es genug gegeben, aber die Provinzleitung der Kapuziner und die Definitoren in München haben so entschieden. Die Gründe kann man nachvollziehen. Der Nachwuchs fehlt und die Rücklagen des Ordens der Kirche schwinden, weil Nachwuchs fehlt.
Wallfahrtskirche geht an die Zeller Pfarrei
Der Ausweg: Klöster werden aufgegeben, andere werden nach ökonomischen Gesichtspunkten neu belegt. Die älteren Brüder finden im Seniorenkloster Werne an der Lippe eine neue Heimat. Die Klöster in München und Münster werden nach den Fähigkeiten und den Bedürfnissen der Mitbrüder belegt. Auch die Liebfrauenkirche in der Stadtmitte von Frankfurt bleibt unverzichtbarer Anlaufpunkt für alle, die in Not und hungrig sind. Altötting als einer der größten Wallfahrtsorte Deutschlands wird weiterhin von Kapuzinern betreut. Die Zeller Wallfahrtskirche geht wieder in die Hände der Zeller Pfarrei zurück und untersteht da – mit Pfarrer Bonaventura Gerner.
Unterstützung kommt aus Polen
Die Wallfahrtskirche wird wie bisher geöffnet bleiben. Auch Messen und Andachten werden weiterhin gehalten. Zum Hochfest Maria Himmelfahrt am 15. August werden zwei oder drei polnische Brüder vom franziskanischen Ordenszweig der Minoriten künftig an der Zeller Wallfahrtskirche ihre neue Auf gabe antreten. Sie werden vorläufig im Kloster wohnen und die Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten«, Wallfahrer und Pilger betreuen. Bruder Berthold: »Wir wollen die polnischen Brüder mit Herzlichkeit und offenen Armen empfangen. Wir sind dankbar, dass sie gekommen sind.«
Der Name »Maria zu den Ketten«
Unter den deutschen Marienwallfahrtsorten trägt die Wallfahrtskirche in Zell am Harmersbach allein die Bezeichnung »Maria zu den Ketten«. Diese seltsam klingende Beifügung geht auf eine alte Legende zurück.
Ein frommer Schmiedegeselle aus Schuttern, der im 25 Kilometer entfernten Zell sein Handwerk ausübte und ein fleißiger Besucher der Marienkapelle war, geriet in der Zeit der Kreuzzüge (1064 – 1270) in die Gefangenschaft der Türken. Gefesselt wurde er nach Jerusalem gebracht. In seiner Verzweiflung flehte er zur Gottesmutter, die er im Gnadenort Zell verehrt hatte. Er versprach, wenn er wieder heimkomme, die Ketten am Gnadenbild aufzuhängen. Der fromme Schmied wurde frei und kehrte unversehrt heim.
Die Legende erzählt, dass die Ketten von seinen Händen und Füßen fielen und ein weißes Pferd bereitstand zum Ritt in die Heimat. In einer Prozession, bei der ihn seine Landsleute begleiteten, zog der glückliche Heimkehrer von Schuttern nach Zell zum Gnadenbild und löste sein Versprechen ein.
Seit jenen Tagen hängen die Ketten in der Kirche und es heißt seither: »Wir gehen zu Maria zu den Ketten.«
Protokolliertes Wunder
Noch ein weiteres Ereignis um diese Ketten lässt aufhorchen: Im 30-jährigen Krieg (1618-1648), als die Schweden nach Zell kamen, gab ein schwedischer Oberst dem Zeller Schmied Grabler den Befehl, die Ketten für seine Pferde umzuschmieden. Der Plan gelang nicht. Die Ketten entschwanden während des Schmiedens und fanden sich an ihrem angestammten Platz in der Kirche wieder ein. Zahlreiche Zeugen bestätigten diesen Vorgang, der beim Rat der Stadt Zell in einem Protokoll von 1697 festgehalten ist.
Als die Schweden 1643 die Zeller Pfarrkirche und die Kirche in Gengenbach zerstörten, blieb auf Anweisung des schwedischen Oberst die Wallfahrtskirche verschont.
Anziehungspunkt für Gläubige
Die Geschichte von den beiden Kettenwundern machte schnell im ganzen badischen Land die Runde. Immer und immer mehr zog sie Wallfahrer nach Zell zu »Maria zu den Ketten«. Schon im 14. Jahrhundert wird von Prozessionen zu Maria zu den Ketten berichtet. Um 1480 schließlich wurde von Abt Jakob von Bern in Kloster Gengenbach der Bau einer größeren Wallfahrtskirche an dem heutigen Platz der Kirche veranlasst. Nach der Fertigstellung nahm die Zahl der Wallfahrer stetig zu. Die Pilger übernachteten oft in der Wallfahrtskirche oder saßen die Nacht über in den benachbarten Gasthäusern an den Tischen. In einem 1697 verfertigten Protokoll stellte der Magistrat der Stadt Zell fest: »Die Wallfahrt ist berühmt, von fern und nah kommen große Volksmengen.«
Hof voller Beichtstühle
Zu allen Marienfesten fanden und finden regelmäßige Wallfahrten statt. Die Gast häuser in Unterharmersbach und Zell konnten die Menge der Wallfahrer kaum bedienen. Dies blieb bis in die 1970er Jahre so. Der Klosterhof war voll mit Beichtstühlen, vor denen sich lange Schlangen von Pilgern bildeten. Nach weiteren Erweiterungen der Wallfahrtskirche hat sie folgende Maße: Die Länge beträgt 55,50 Meter die Breite 12,90 Meter und die Höhe 9,45 Meter. Im Kircheninnenraum hat die Kirche 600 Sitzplätze, auf der Orgel nochmals 200, so dass die Wallfahrtskirche Platz für 800 Besucher bietet.
Wasser aus dem Gnadenbrunnen
Auch heute halten Pilger aus dem ganzen badischen Land an der Tradition fest, an den Marienfeiertagen die Wallfahrtskirche Maria zu den Ketten zu besuchen und die Gottesdienste zusammen mit den Kapuzinern zu feiern. Danach gehen die Wallfahrer zum Gnadenbrunnen vor dem Hauptportal, um die Augen zu benetzen und sie so vor Krankheiten zu schützen. Seit alters her gilt das Wasser des Brunnens als Heilmittel für die Augen.