Kann eine Mitgliederversammlung eines Tennisclubs zu einem Spiegelbild unserer Gesellschaft werden? Ja – wenn die Schauspieler des bekannten Theaters zu Tennisspielern werden und eine rasante und hoch pointierte Boulevardkomödie daraus machen. So war es zumindest am Donnerstag im Kultur zentrum, wo das Theater Baal Novo »Extrawurst« auf die Bühne brachte.
In »Extrawurst« sind die Zuschauer als Vereinsmitglieder direkter Teil des Geschehens und erleben mit, wie sich eine Gesellschaft im Streit um ein banales Thema komplett zerlegen kann. Eigentlich geht es nur um einen Grill, den sich der Verein für seine Feste anschaffen will. Gäbe es da nicht den Vorschlag, für das einzige türkische Mitglied des Vereins einen eigenen Grill zu kaufen. Denn gläubige Moslems dürfen ihre Grillwürste nicht auf einen Rost mit Schweinefleisch legen. Eine gut gemeinte Idee, die aber immense Diskussionen auslöst und den eigentlich friedlichen Verein vor eine Zerreißprobe stellt.
Immer tiefer schraubt sich der Konflikt um den Grill in die Beziehungen der Mitglieder. Gleichzeitig respektlos und komisch leben die Tennisspieler ihre Sichtweisen zu Atheisten und Gläubigen, Vegetariern und Fleischessern sowie Deutschsein und Türkischsein aus. An einer Einigung ist niemand wirklich interessiert, am Aufrechterhalten des Konflikts durch immer neue Aspekte sehr wohl.
Streit köchelt
Zeichnet sich eine Lösung ab, indem zum Beispiel das türkische Mitglied Erol seinen eigenen Grill zu den Festen mitbringen will, wird dieser Vorschlag von einem anderen Mitglied abgelehnt mit der absurden Begründung, »der Grill von Erol ist größer und besser ausgestattet als unser neuer Grill, das geht ja nun mal gar nicht!« Ständig neue, gar nicht zum Thema passende Argumente, fachen den Streit immer neu an. Sollen die Vegetarier im Verein auch einen eigenen Grill bekommen? Letztlich droht der Vorsitzende Heribert mit einem Rücktritt und mit dem zu erwartenden Chaos.
Nach der Pause wittert der 2. Vorsitzende Matthias seine Chance und will die Abstimmung über den Grill schnell durchziehen, bevor Heribert zurückkommt. Als die Abstimmung den Kauf nur eines neuen Grills ergibt, ist er damit nicht einverstanden – er hätte lieber einen großen Grill für alle und einen kleinen Grill für Erol gekauft.
Diskriminierungs erfahrungen
Dann kehren die Mitglieder wieder zu der ungelösten Frage zurück, wie viele Rechte eine Mehrheit im Verein einer Minderheit einräumen muss. Geht es darum nicht auch in unserer Gesellschaft? Die Minderheit ist das einzige türkischstämmige Mitglied mit seiner eigenen Religion, Sitten (»meine Frau trägt Kopftuch«) und den Erfahrungen von Diskriminierung, Intoleranz und Ausgrenzung. Auch in unserer Gesellschaft gibt es diese Minderheiten mit Migrationshintergrund, die ähnliche Erfahrungen machen.
Situation eskaliert
Die Streitkultur im Tennisclub in der Theaterauf führung ist gekennzeichnet durch Anschuldigungen, Rechtfertigungen, Provokationen, Beleidigungen und ganz viel Sarkasmus. Nachdem einige Mitglieder wutentbrannt die Bühne verlassen und reumütig wiederkommen und sich sogar entschuldigen, führt dies zu keiner Wende in den Streitgesprächen. Jeder möchte weiter seine »Extrawurst« haben und reagiert beleidigt, wenn er sie nicht bekommt. Die Mitglieder Erol und Melanie spielen sehr erfolgreich im Doppel Tennis bei Wettkämpfen und der Ehemann von Melanie ist eifersüchtig. Er braucht lange Kämpfe mit sich selber, bis er dies endlich zugeben kann. Dies führt zu einer Krise in ihrer Beziehung und auch zu einer Krise mit allen anderen, da sich die Mitglieder einmischen und am Ende sogar handgreiflich werden und sich auf der Bühne rumschubsen. Die Tennisspieler reagieren zunehmend hilflos auf die erneute Eskalation des Streits und verabschieden nacheinander aus dem Verein und von der Bühne.
Neuanfang als Lösung?
Resignation macht sich breit. Zurück bleibt der Vorsitzende Heribert – alleine und verzweifelt. Er rettet sich in Galgenhumor: »Türken sind auf eine andere Art idiotisch wie die Deutschen, die auch idiotisch sind.« Die einzige Frau des Vereins beendet das Theaterstück mit dem weisen Satz: »Vielleicht braucht dieser Verein einen Neuanfang.«
Überall Bühne
Die Schauspieler des Theater Eurodistrict Baden Alsace spielen die Charaktere ihrer Rollen mit viel Übertreibung in Gestik und Mimik, die dadurch bisweilen komisch wirken. Sie agieren zum Teil aus dem Publikum heraus, sitzen zeitweise mittendrin und benutzen den Zuschauerraum als zweite Bühne. Mit ihrer Schauspielkunst gelingt es ihnen, die Zuschauer in das Geschehen mit einzubeziehen, der sich dadurch als Teil des Theaterstücks fühlen kann.
Eine außergewöhnliche Erfahrung von Theater, die das Publikum mit viel Beifall belohnte.