Dem »König der Instrumente« müsse man stets »neue Freunde zuführen« schrieb Mozart anno 1777 an seinen Vater. Die Vielseitigkeit der Orgel in ihrem Klangspektrum verblüfft immer wieder und wenn man sie so werkdienlich einsetzt wie Jörn Bartels am Mittwochabend bei der 3. »Sommermusik«, dann zeugt das von großer Instrumentalkunst.
Doch im Mittelpunkt des Konzerts unter dem Motto »Tierisch – musikalisch« standen die Solistinnen Ulrike Wettach-Weidemaier und Sonja Kanno-Landoll, die mit verschiedenen Block- und Querflöten Akzente setzten. Wie die beiden Frauen in dieser abwechslungsreichen Musik aus verschiedenen Epochen mit ihren tonmalerischen Etappen den Rhythmen Plastizität verliehen (»La Gallina – Das Huhn«), atemberaubende Virtuosität bei synchroner Wieseligkeit (»Hummelflug«) bewiesen und auch tänzerische Grazie (»Zwei Schmetterlinge«) verströmten, das begeisterte die Zuhörer in der Kirche.
Für Kurzweil sorgten zudem humorvolle Texte, die Jörn Bartels vortrug: Gekonnt, lebendig und mit Empathie reimte er über das »Gürteltier«, welches der Gürtel so sehr »drückte«, dass es schmerzgeplagt rief: »Der Doktor müsse sich bequemen, den Gürtel abzunehmen«.
Was der rezitierende Organist kundtat, erfüllte er auch mit Leben. So erkundete er das »Insektarium« des zeitgenössischen Komponisten und Kirchenmusikers Andreas Willscher, wo »Schnarrheuschrecke – Kartoffelkäfer und Hornisse« zu finden sind, musikalisch dargeboten mit abrupt hin- und herspringenden Tönen, wuchtigen Akkorden und sonoren Klängen der Kirchenorgel.
Anspruchsvoll und auf hohem technischen Niveau
Nikolay Rimsky-Korsakovs »Hummelflug« lieben bereits die Kinder ob seiner genialen Lautmalerei und seiner Rasanz. Ein Kabinettstück für Virtuosen aller Art, die den Weltrekord im Schnellspielen anstreben, wie etwa der »Teufelsgeiger« David Garrett. Davon setzten sich Wettach-Weidemaier und Kanno-Landoll mit ihren Querflöten wohltuend ab, spielten die waghalsigen Passagen durchaus mit Verve, aber mit stets kultiviertem Ton und Gespür für die Melodie. Ein erster Höhepunkt des Abends.
Anspruchsvoll und auf hohem technischen Niveau waren auch die Soli der beiden Flötistinnen, etwa bei Arthur Honeggers »Ziegentanz«, dessen lyrischer Grundton durch dissonante Harmonien der Querflöte wiederholt gebrochen wurde. Eine bizarre Klangwelt entfaltete das »Gespräch einer Heuschrecke mit sich selbst« von Agnes Dorwarth, das – auf der Altblockflöte inszeniert – abwechselnd mit schnarrend-schrillen und gehauchten, gesummten Klängen aufwartete und selbst gesprochene Passagen gleichsam als Parodie darbot. Höchst eigenwillig, experimentell und doch faszinierend.
Der Kontrast zu Vivaldis Concerto »Il Gardelllino« (»Der Distelfink«) hätte nicht größer sein können. Der Jubelton der Flöten, der sich über dem soliden Fundament der Orgel erhob, sorgte an diesem Sommerabend für beste Stimmung. Ein musikalischer Dialog zweier Flöten mit eleganter Phrasierung und einer bemerkenswerten Atemtechnik der beiden Solistinnen. Dazu der Orgelton, transparent und sehr beweglich in der Dynamik und vor allem: gemeinsam »atmend« mit den Flöten. Ein weiteres Konzert-Highlight, das mit anhaltendem Applaus honoriert wurde.
Prächtige Bilder vor dem inneren Auge
Aus Andreas Willschers »Aquarium« hatte Organist Bartels »Rochen-Seepferdchen und Seedrache« ausgewählt und zeigte erneut, wie farbig die Orgel klingt und was sie alles hervorbringt, wenn man das Spiel auf Tasten und Pedalen beherrscht.
Danach meldete sich eine »Beutelmaus« (aus »Meßmers Tierleben«), die besagten Beutel gerne randvoll gefüllt hätte, wäre da nur das nötige Geld vorhanden. Also rezitierte Bartels: » Doch was im Portmonee, reicht nur für Beuteltee« – und sorgte damit für herzhaftes Lachen im Kirchensaal.
Wie Mäuse Fangen spielen (»Mice play catch«) und dabei von einem Vögelchen beobachtet werden (»Little Bird«) schuf prächtige Bilder vor dem inneren Auge und wurde ob der kontrastreichen Musik des zeitgenössischen Komponisten Michael Schütz und der virtuosen Wiedergabe durch die Instrumentalisten zum Ohrenschmaus. Dem stand »Colibri« aus den »Impressions exotiques op. 134« von Sigfrid Karg-Elert in nichts nach: gleißende, flirrende Piccoloflöten-Klänge über dem Auf und Ab der Orgelmelodie.
Der Ausklang der niveauvollen und spannenden Konzertstunde in der Evangelischen Kirche demonstrierte noch einmal das akkurate Miteinander der drei Interpreten. »Le Nid« (»Das Nest«) von Leon Louis Mayeur entfaltete einen veritablen Variationsreigen, den die Orgel gelegentlich marschartig befeuerte.
Die Zugabe – ein Stück aus Schwanensee – rundete das »tierisch-musikalische« Gesamtbild perfekt ab. Bärbel Beck vom Kirchengemeinderat dankte dem Ensemble und überreichte unter großem Beifall des Publikums die weißen »Sommermusik«- Rosen.