Erntedank in Oebisfelde feiern

Prädikant Gottfried Zurbrügg hält zehn Erntedank-Gottesdienste in 14 Tagen – Die ganze Geschichte erzählt er hier

Im Sommer hat Prädikant Gottfried Zurbrügg eine ungewöhnliche Anfrage erreicht. Ob er im Herbst in 14 Tagen zehnmal Erntedankgottesdienst in den Drömlingsdörfern halten könne? Zurbrügg fand das spannend und berichtet für unsere Leser von seinen Erfahrungen und Erlebnissen in der Altmark:

Ich kenne die Altmark seit vielen Jahren. Es ist eine landwirtschaftlich geprägte Gegend und Bauernhöfe spielen eine ganz große Rolle.

Gerade in der Nachbarschaft der großen Industriezentren Wolfsburg, Salzgitter und Braunschweig möchten die Menschen in der Altmark ihre ganz eigene Art behalten. Ich sage gerne zu und erlebe eine Überraschung.

Erst am 4. Oktober kann ich kommen. Am 3. Oktober feiert die Stadtgemeinde Oebisfelde ihren Erntedankgottesdienst. Komme ich zu spät? Nein, denn in der Nähe der Katharinenkirche steht eine zweite große Kirche, die seit 1977 stillgelegt ist. Sie ist die Dorfkirche der Drömlingsdörfer. Im sumpfigen Gebiet an der Aller konnte man nur in Oebisfelde eine Kirche bauen und nicht in den Dörfern, die auch alle keinen Friedhof haben. Die Kirche hat sechs Eingänge, für jedes Dorf einen, denn sie ist ein Gemeinschaftswerk. Der heimliche Wunsch: dort wieder einmal Gottesdienst halten wie früher.

Aber die Kirche ist entweiht und der Kirchengemeinderat hat beschlossen, dass dort keine Gottesdienste stattfinden. Also eine Andacht? Die Leitung vom Kurt-Reuber-Altenheim bittet darum. Kurt Reuber ist der »Arzt von Stalingrad«. Sein Name steht für Versöhnung, bei der Gründung des Heimes für Versöhnung zwischen Deutschland und Russland, jetzt für den Ausgleich zwischen Ost und West.

Der Spagat zwischen Wunsch und Kirchenrecht gelingt. Am Sonntag, 10. Okto­ber 2021, halte ich Gottesdienst in der Stadtkirche und am Nachmittag ist Gottesdienst in der Kirche in Gehrendorf. Am Mittwoch, den 13. Okober feiern wir eine Andacht in der alten Kirche. Die Menschen spüren, dass ich sie verstanden habe. Eine Andacht für sechs Dörfer! Am Sonntag, den 17. Oktober gibt es eine Taufe mit vielen Gästen in der Stadtkirche.

Damit habe ich tatsächlich zehnmal Gottesdienst gefeiert und meinen Auftrag erfüllt.

Zu meinen Aufgaben gehört auch die Krankenhausseelsorge in Gardelegen. Wo ist mein Platz bei den vielen Dienststellen? Aber es bleibt Zeit für ein wunderschönes Rahmenprogramm.

Mit der Stadtführerin Frau Bertram gehen wir rund um die Stadt. An der Allerbrücke bleiben wir stehen, denn dort war Deutschland und Europa geteilt. Wir spüren, dass ihr in der Erinnerung an die schlimme Grenze immer noch die Knie zittern. Im nahen Lappwald bei Königslutter steht ein romanischer Kaiserdom. Lothar III war nur wenige Jahre Kaiser und ließ dort 1135 die Grabeskirche bauen. Natürlich besuchen wir Wolfsburg und die Autostadt. Ist das selbstfahrende Auto wirklich die Zukunft oder eine Luxusidee? Ein Ortsteil von Wolfsburg ist Fallersleben, die Heimat des Dichters Hoffmann von Fallersleben. Aus seiner Feder stammen Kinderlieder, wie »Alle Vögel sind schon da«, »Morgen kommt der Weih­nachtsmann« und das »Deutschlandlied«. Die Altmark nennt man auch Land der Gräben. Der größte Graben ist der Mittellandkanal, der Europa verbindet.

Oebisfelde hat eine Sumpfburg. Die Umgebung war so sumpfig, dass man keine Wassergräben brauchte.