Ein wenig Anspannung herrscht meist in den Wochen vor Weihnachten, wenn die Schülerinnen und Schülerder 6. Klassen im Deutschunterricht ermitteln, wer am besten vorlesen kann. Am vergangenen Donnerstag versammelten sich die vier Klassenbesten in der Schülerbücherei, um das Finale des Vorlesewettbewerbs zu bestreiten. Mit ihrem gekonnten Vortrag überzeugte Sofia-Marie Bieser (R6b) die Juroren und wurde zur »Lesekönigin 2020« des Bildungszentrums Ritter von Buß gekürt.
Damit die Veranstaltung in diesem Jahr überhaupt stattfinden konnte, galten strenge Hygiene-Auflagen: Abstand und Maskenpflicht für alle Beteiligten. Allein die Vorlesenden durften für die Präsentation und den Vortrag den Mund-/Nasenschutz ablegen.
Die kritischen Ohren der vierköpfigen Jury gehörten den Deutschlehrerinnen Corina Krämer, Myriam Litterst und Beatrice Ruf sowie Büchereibetreuer Hansjörg Wörner. Ihre Aufgabe bestand darin, die Vorlesenden nach den Kriterien Lesetech-nik und Interpretation sowie Textstellenauswahl beim Wahltext zu bewerten.
In der ersten Runde mussten die Teilnehmenden zunächst das Buch ihrer Wahlvorstellen und dann etwa drei Minuten daraus vorlesen. Jesse Schneider (W6a) hatte sich für den Fantasy-Roman »Die Königin der Tigerkrieger« aus der »DinoRiders«-Serie entschieden: Darin ist der junge Connor mithilfe von Saurier-Spielfiguren ins Land der Dinos gelangt, wo er zusammen mit dem gleichaltrigen Freund Fox und Königin Tigereye gegen die bedrohlichen Bloods kämpft. Eher locker und lakonisch geht es im Comic-Roman »Ruperts Tagebuch« zu, aus dem Maurice Denda (W6a) eine Kostprobe zum Besten gab. Wie schon beim Vorgänger »Greg« schafft es Erfolgsautor Jeff Kinney immer wieder, Leser und Zuhörer zum Schmunzeln zu bringen.
Auch Sofie-Marie Bieser (R6b) hatte mit »Ich wollt, ich wär ein Kaktus« von Mina Teichert eine witzig-turbulente Alltagsgeschichte gewählt, in der die Protagonistin Lu mit ihrer Mutter zur Oma auf einen Bauernhof umziehen muss. Das sorgt für ziemliche Hektik und bei Lu für allerlei Gefühlsschwankungen, was Sofia-Marie trefflich darstellte. Spannende Lektüre präsentierte Marina Bleier (R6a) mit dem zweiten »Zuckermeister«-Band »Die verlorene Rezeptur«, wo die »Hel-din« Elina in die Welt der Süßigkeitenwerker abtaucht. Mit ihren Freunden Charlie und Robin muss sie sich dort gegen die Gefahren aus der »Anderwärts-Gesellschaft« verteidigen. Das rasante Geschehen in der ausgewählten Textstelle gab Marina ausdrucksvoll wieder.
Rektorin Medel würdigt die Vorträge
Nach einer kurzen Pause folgte die zweite Runde, in der die Mädchen und Jungen jeweils einige Passagen aus Uwe Timms Schullektüren-Klassiker »Rennschwein Rudi Rüssel« vorlesen mussten. Beurteilt wurden wieder Lesetechnik und Betonung sowie der Einsatz der Stimme, denn die besondere Atmosphäre des Textes sollte zum Ausdruck kommen. Das gelang den vier Kandidaten gleichermaßen gut, sodass die Entscheidung für Sofia-Marie als Schulsiegerin des Vorlese-wettbewerbs sehr knapp ausfiel.
»Es waren wirklich nur Nuancen im Vortrag«, sagte Rektorin Anne-Cathrin Medel, die den Vorlesenden aufmerksam zugehört hatte. Sie beglückwünschte die vier und überreichte ihnen die Urkunden und Buchgutscheine. Die Schulleiterin bedauerte, dass es in diesem Jahr infolge der Pandemie keine Schulweihnachtsfeier geben werde ,wo am letzten Tag vor den Ferien traditionell besondere Leistungen einzelner Schüler gewürdigt wurden. Dank erging auch an die Deutschleh-rerinnen für die Vorbereitung des Wettbewerbs im Unterricht. Rektorin Medel ermunterte die Mädchen und Jungen weiterhin eifrig zu lesen und sich mit Büchern zu beschäftigen.
Gerade in der weltweiten Corona-Krise, wenn öffentliche Aktivitäten von Kindern untersagt sind, wenn auch Schulen wieder geschlossen sind: Dann kann Lesen umso wichtiger werden. Es entführt in andere Welten und in andere Zeiten. Dann kann man sich in wilde Abenteuer stürzen, auf Traumreisen gehen oder mitleiden, wenn jemandem Unrecht geschieht. Lesen kann man alleine. Vorlesen geht gut zu zweit. Man verschwindet in einer Phantasiewelt. Die Journalistin und Literaturkennerin Bettina Schulte beschreibt dies als ein »kleines Wunder«: Je früher man es erlebt, desto eher wird man zum lebenslangen Leser.