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Zell am Harmersbach | 24.02.2020

Fasend lockt tausende Besucher an den Straßenrand

Zell feiert herrlich bunte Fasend mit althistorischem Besuch aus Offenburg, sportlichen Gästen vom ZFV, einem Hauch von Broadway, jeder Menge Petro-Dollars, topfiten Bruchlern, Geisterjägern von der Insel und einem zart-schmelzenden Bürgermeister

Foto:
Die Huldigung des Narrenrats gen Rathausbühne ist gut Tradition. Foto: Hanspeter Schwendemann
von Susanne Vollrath

Die 80er-Jahre waren das Jahrzehnt von Neonfarben und Seifenopern, von Hollywood-Klamauk und Videospielen, von unvergessenen Musicals und von deutschsprachiger Musik, die die Welt eroberte. Die 80er sind und bleiben hip. Warum? Weil es die Zeller Fasend gibt. Das unverhohlene Motto in diesem Jahr: »Zeller Fasend isch schuld, die 80er sin widder Kult.« Das wollten auch die Besucher sehen, die dicht gedrängt in mehreren Reihen den Umzugsweg säumten.

Weiter zurück als in die 80er-Jahre reicht die Zeller Fasendtradition. Von der wurde auch gestern trotz Motto selbstverständlich nicht abgewichen. Der Narrenrat traf mit allem Zipp und Zapp pünktlich um 14 Uhr am Storchenturm ein, wo nach einjährigem tiefen Schlummer die Narrengestalten unter Zuhilfenahme ausdauernden Gebimmels vor unzähligen neugierigen Augenpaaren aus ihrem Schlaf geweckt wurden. Ein gutes Dutzend Mal spielten die Kapellen den Zeller Narrenmarsch, bis rund 700 Bändele und Schneckenhüsli, Spielkarten- und Welschkornnarros ihrer Gruft entstiegen waren. Besonders schön: Man sieht wieder mehr Bändele aus Zeitungspapier. Ebenfalls ein gutes Dutzend Mal stimmte Narrenrat Mathias Damm mit bemerkenswerter Ausdauer den Text zum »rhythmischen Lärm« an. Die Zeilen singt man seit 1956 bei der Zeller Fasend.

Umzugsmotto umgesetzt

Jedem zur Freud, keinem zum Leid übernahmen die Umzugsmoderatoren Ber­t­hold Damm und Manfred Lehmann an der Rathausbühne die Aufgabe, die Besucher kurzweilig durch die kommenden zwei Stunden zu führen. Bei ihrer Kleiderwahl bewiesen sie – ganz 80er – ausgewiesen guten schlechten Geschmack. Auch die Zeller First Lady Heike Pfundstein hatte sich ins 80er-Outfit geworfen und machte aus ihrer heimlichen Liebe zur harten Rockmusik keinen Hehl. Guns n’Roses-Superstar Axl Rose hatte ihr als Inspirationsquelle gedient. Ihr Gatte ließ es in Sachen Kostümierung deutlich gemütlicher angehen und setzte auf den klassischen Look mit Narrenhut.

Texthänger beim Schunkeln

Die Zeit, bis der Umzug den Weg von der Zeller Oberstadt in die närrische »Hauptstadt« absolviert hatte, fabrizierten die Basler Grachsymphoniker vor dem Rathaus ihre Art von »rhythmischen Lärm«, unter anderem eine Guggenmusik-Version des Zeller Narrenmarsches. So waren alle gut aufgewärmt, als der Umzug schließlich am Rathaus ankam. Vorneweg der Narrenrat, gefolgt vom Zeller »Stardirigenten« Stefan Polap mit der Stadtkapelle. Bei einem Ständerle vor der Bühne ließ es sich prächtig schunkeln. Macht nichts, dass der Text zum »Vogelbeerbaum« quasi komplett fehlte, denn schon sah man hunderte Narros die Straße runterhopsen. Ein herrlich buntes Bild mit abwechslungsreichem Anschluss. Gleich zwei Umzugsgäste konnten nämlich 2020 begrüßt werden. Die Althistorische Narrenzunft war mit ihren Narrengestalten und der lautstarken Ranzengarde zu Gast. Sie schoss und böllerte, nicht nur was das Zeug hielt, sondern auch viel lauter als die Zeller Bürgerwehr. Hat sich da etwa eine Alternative für den Silvesterempfang angedient? Mindestens ebenso willkommen war der zweite Gast. Er macht sich an der Fasend normalerweise eher rar. Im Jahr des 100-jährigen Bestehens war es dem ZFV jedoch ein besonderer Wunsch, aktiv am Umzug teilzunehmen. Der Auftritt wurde auch gleich für Schleichwerbung genutzt. Jetzt wissen mehrere tausend Menschen, dass das Jubiläumsfest vom 21. bis 24. Mai steigt.

Revanche fürs Rathaus

Mit Clowns, Akrobaten und Löwenbändigern fing dann der Umzug der heimischen Fasendgemeinschaften an. Die Dörfle-Kinder durften mit ihrem »Zirkus Maximum« den Anfang machen.

Es schloss sich der Starlight-Express von den Entersbachern an, dessen Zugfahrzeug mit Knatterantrieb, aber ohne Umweltplakette die Weltmeisterschaft der Züge anführte. Die Kleinsten waren der Junior-Express und weil das mit dem Rollschuhlaufen so eine Sache ist, schossen die großen Entersbacher nur zum Teil auf Rollen durch die Hauptstraße. Ortsvorsteher Christian Dumin hatte sich die hypermoderne E-Lok Electra als Figur ausgesucht.

Auf Petro-Dollars aus war das Dörfle. Dallas und Denver-Clan – wer erinnert sich nicht noch an die Straßenfeger-Serien der 80er-Jahre, in denen geliebt, gehasst und intrigiert wurde wie selten danach. Auch im Dörfle gibt es Grund, Revanche zu fordern: Die Wiedergutmachung für das für immer verlorene Dörfle-Rathaus steht aus.

Fahrgelegenheit für Verliebte

Ihrem Naturell entsprechend hatte »die Zeller Vorstadt der Liebe« einen Wagen mit einem großen Herz und Konfettidusche gebaut. Amors Pfeile sollten bei den Klein-Parisern so oft wie möglich ins Schwarze treffen. Verliebte konnten ein Stück auf dem Wagen mitfahren und Erinnerungsfotos schießen. Schließlich gab es noch eine Schachtel Schokolade für den Bürgermeister, der seine zart-schmelzenden Herzen gerne mit den Narren teilte.

Die 80er-Jahre als Jahrzehnt des Hardrocks hatten die Neuhausener Narren musikalisch auf den Anhänger gebracht. Ganz barock im Rock-me-Amadeus-Style beglückten sie mit ihrer fahrenden Bar-Rock-Bar die Besucher und sorgten für musikalische Abwechslung.
Der Bruch präsentierte sich »Enorm in Form«. In Neonfarben wurde die Fitnesswelle aus der Kiste gekramt und »Fitnessgetränke« verteilt. Wer Männer in leuchtenden Leggins in den letzten Jahrzehnten vermisst hatte, kam beim Mega-Gruppenworkout auf seine Kosten.
Die Ghostbusters von der Insel jagten den Narrengeist. Die Bekämpfungsstrategie: Seifenblasen-Pistolen und Farbe fürs Gesicht.

Vorschnell eingebuchtet

Dass der einsame Lohgass-Zigeuner Lucky Luke schneller als sein Schatten zieht, wurde anschließend deutlich. Der Bürgermeister wurde ins Gefängnis abgeführt, kam aber noch vor Umzugsende wieder frei. »Ein Missverständnis« …

Bevor die Grachsymphoniker erneut vors Rathaus kamen, konnte man mit dem Städtle analoges »Jump and Run« mit Seilspringen und Reifenhopsen im Stil von Super Mario spielen. Ernüchternd: Seilspringen scheint schwieriger zu sein, als man denken mag, wenn man sich so die Versuchspersonen betrachtet hat. Alle Figuren des Videospiels waren dabei. Mario und Luigi, die Schildkröte, die Kraftpunkt-Pilze und sogar die Bombe.

Über herzliche Glück­wünsche zum 22-Jährigen durften sich zum Ende hin noch die Eckwaldhexen freuen.

Musik? Top!

Musikalisch waren die 80er Jahre ein äußerst abwechslungsreiches Jahrzehnt. Die Entersbacher Musik stimmte unter anderem Roland Kaisers »Joanna« an, es gab Melodien aus »Starlight Express«, deutschen Pop von Purple Schulz, Welthits von Europas ersten weißen Rapper Falco, Filmmusik aus Ghostbusters und vieles mehr. Die Evergreens wie die »Schwarzwald-Marie« von den Unterharmersbacher Musikern durften auch nicht fehlen.

Bleibt zum Schluss nur noch eine kleine Geschichte vom Umzugsrand. Augen auf bei der Wahl des Urlaubsziels will man Gästen vom Niederrhein am liebsten raten. Sie wollten eigentlich dem Karnevalstrubel zu Hause entkommen – und sind mitten im närrischen Zell gelandet. So kann‘s gehen…

Foto: Hanspeter Schwendemann
Auf der Bühne vor dem Rathaus behielten die Moderatoren Berthold Damm und Manfred Lehmann (von links nach rechts) den Überblick und Bürgermeister-Familie Pfundstein konnte schnell für den Schabernack gefunden werden.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Der Stadtkapelle folgten hunderte Narros. Sie machten ordentlich Rabatz.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Die Basler Grachsymphoniker überraschen stets mit phantasievollen Kostümen. Diesmal ging der Suppen- kasper der närrischen Musik voran.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Fast so aufwändig wie im echten Musical präsentierten sich die Kostüme des Entersbacher Starlight-Express.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Elektra ist die äußerst selbstbewusste und egozentrische E-Lok des Erfolgsmusicals.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Rasant ging es auf Rollschuhen oder Schusters Rappen durch die Hauptstraße.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Fußball ist ihr Leben. Mit der Teilnahme am Umzug ging für die Sportler des ZFV im Jahr des 100-jährigen Bestehens ein Wunsch in Erfüllung.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Fußball ist ihr Leben. Mit der Teilnahme am Umzug ging für die Sportler des ZFV im Jahr des 100-jährigen Bestehens ein Wunsch in Erfüllung.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Beim Dörfle gibt es noch einen Kinderwagen. Der war als Zirkus unterwegs.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Närrischer Dörfle-Nachwuchs
Foto: Hanspeter Schwendemann
Die Zeller „Vorstadt der Liebe“ hatte sich den Show-Klassiker Herzblatt zum Motto genommen.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Wer wird wohl ihr Herzblatt sein?
Foto: Hanspeter Schwendemann
Kein Umzug ohne Musik. Auch die Hombacher Musik stimmte den Narrenmarsch an.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Die Entersbacher Musik unterhielt mit 80er Schlagern.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Sportlich, sportlich. Der Bruch zeigte sich enorm in Form.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Jane Fondas Erbe: die Beinschere.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Keine Geldsorgen hatte das Dörfle dank Petro-Dollars.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Witziger Getränkespender, eine Ölkanne.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Die Science-Fiction-Fantasy-Komödie Ghostbusters brachte die Insel auf die Straße.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Der Rucksack kann Geister komprimieren und unter Verschluss halten.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Digitale Spieleträume der 80er-Jahre wurden mit „Super Mario and Friends“ vom Städtle analoge Wirklichkeit.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Foto: Hanspeter Schwendemann
Den Wilden Westen holte die Lohgass mit dem Lucky Luke-Thema nach Zell. An der mobilen Bar wurde Hochprozentiges ausgeschenkt.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Für echte Pferde ist so ein Umzug nichts. Man wich deshalb auf den aufblasbaren Jolly Jumper aus.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Foto: Hanspeter Schwendemann
Foto: Hanspeter Schwendemann
Hommage an einen Superstar der 80er-Jahre: Neuhausen und Falcos „Rock me Amadeus“.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Als Karikierung einer Bürgerwehr ins Leben gerufen, pflegt die Ranzengarde den Brauch des Böllerns und Schießens.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Die Eckwald-Hexen verteilten feine Likörkirschen ans Publikum.
Foto: Hanspeter Schwendemann
Die Spättle-Hansel der Althistorischen Narrenzunft Offenburg hatten den Wagen mit der großen Rätsche dabei.
Foto: Hanspeter Schwendemann

 

 

 

 

 

 

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