Die Prototyp-Werke GmbH in Zell am Harmersbach im Jubiläumsjahr 2019: 450 Mitarbeiter stellen jährlich 2,4 Millionen Gewindewerkzeuge und 1,2 Millionen Fräswerkzeuge her. In den Werkshallen von Prototyp wird mit über 300 CNC- und NC-Maschinen im 3-Schicht-Betrieb produziert. Weitere 50 Mitarbeiter der Walter AG forschen, entwickeln und konstruieren am Standort Zell für hochkomplexe Werkzeuge und kümmern sich anderweitig um Kundenbelange.
Neben den harten Unternehmensfakten rücken im Jahr 2019 emotionale Höhepunkte die Prototyp-Werke in Zell a. H. in den Blickpunkt. Am 29. Juni 2019 wird das 100-jährige Firmenjubiläum gefeiert: Das Unternehmen öffnet seine Werkstore und lädt die Bevölkerung zu einem »Tag der offenen Tür« ein.
Kurze Zeit später, im September 2019, tritt Geschäftsführer Karl F. Lehmann in den Ruhestand. Seit 2009 steht er an der Spitze des Zeller Industrieunternehmens, dem er nach erfolgreichem Studium schon im Jahr 1979 als junger Maschinenbau-Ingenieur beigetreten ist. Vier Jahrzehnte lang hat er die Entwicklung der Prototyp-Werke vom inhabergeführten Betrieb bis zur Produktionsstätte der Walter-Gruppe miterlebt und mitgestaltet.
Herr Lehmann, wo steht Prototyp heute im 100. Jubiläumsjahr?
Prototyp ist ein hochmoderner Produktionsstandort. Wir fertigen Gewinde- und Fräswerkzeuge aus Vollhartmetall und Hochleistungsschnellstahl für anspruchsvolle Anwendungen am Markt. Unsere Industriekunden kommen aus der Automobilindustrie, dem Maschinen-, Formen- und Flugzeugbau. Oftmals müssen komplexe Materialien hochpräzise zerspant werden. Wir haben die Lösungen dafür.
Das heißt, dass in Zell am Harmersbach nicht nur produziert, sondern auch geforscht und entwickelt wird?
23 Mitarbeiter der Walter AG unter der Leitung von Dr. Sebastian Stein entwickeln in der Abteilung R&D Round Tools für das Bohren, Gewinden und Fräsen. Im Schulterschluss mit unserer Produktion werden regelmäßig Neuerungen entwickelt. Deutlich wird die hohe Spezialisierung von Prototyp beim Blick auf die Produktionszahlen: Ein Drittel entfallen auf Sonderwerkzeuge, zwei Drittel auf Katalogware.
Sie sprechen von Prototyp und Walter. Wie sind die Zusammenhänge im Firmenverbund?
Die Prototyp-Werke sind heute Teil der Walter-Gruppe mit Sitz in Tübingen, der insgesamt 3500 Mitarbeiter angehören. Die Zusammenführung der Marken Walter, Prototyp und Titex wurde im Jahr 2007 vollzogen. Das Headquarter mit Marketing und weiteren zentralen Funktionen befindet sich in Tübingen, der Vertrieb für Deutschland wurde nach Frankfurt verlagert und die gemeinsame Produktentwicklung für Round Tools in Zell a. H. eingerichtet. Die Walter-Gruppe ist wiederum Teil des schwedischen Sandvik-Konzerns, zu dem die Prototyp-Werke bereits seit dem Jahr 1993 gehören. Interessant ist übrigens, dass nicht nur die Prototyp-Werke in Zell sondern auch die Firma Walter in Tübingen in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiern können.
Sie haben Prototyp noch als inhabergeführtes Unternehmen kennengelernt.
Als ich im Jahr 1979 als junger Maschinenbau-Ingenieur zu Prototyp kam, leitete Dr. Dietmar Lauermann als Geschäftsführer und Mitinhaber das Unternehmen. 1986 erfolgte der Verkauf an den schwedischen SKF-Konzern. Bereits 1993 kaufte Sandvik das Werkzeuggeschäft von SKF. In Person waren es die Geschäftsführer Klaus Scholl (SKF) und Mats Christenson (Sandvik), die die Entwicklung der Prototyp-Werke mitgeprägt haben.
Wie haben sich die Prototyp-Werke weiterentwickelt?
Rückblickend kann man sagen, dass es eine Zeit mit Höhen und Tiefen war, mit großen Veränderungen und mit einem immensen technologischen Wandel. Ein großer Einschnitt war die Wirtschaftskrise der Jahre 1991/1992, bei der die Mitarbeiterzahl von 580 auf 360 Personen gesunken ist. Die Wirtschaftskrise 2008/2009 konnte mit durchdachten Arbeitszeitmodellen und mit bis zu 60 Prozent Kurzarbeit besser bewältigt werden. Dank der Weitsicht im Konzern hat Prototyp seine Mitarbeiter behalten und konnte damit am extremen Wirtschaftsaufschwung ab dem Jahr 2010 teilhaben. Für mich waren die Krisenjahre Anfang der 1990er Jahre als verantwortlicher Werksleiter besonders schwierig, da ich nicht nur das Unternehmen im Blick hatte, sondern die Mitarbeiter persönlich gekannt habe. Trotz der beiden großen Einschnitte konnte Prototyp stetig den technischen Fortschritt mitgestalten. Laufend wurde in neue Technologien investiert, neue Verfahren entwickelt und auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter, zum Beispiel im Bereich Arbeitssicherheit, deutlich verbessert.
Wie gelingt es Prototyp, mit seinen Werkzeugen am Weltmarkt erfolgreich zu sein?
Garanten unseres Erfolgs waren und sind die Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen und das große fachliche Können. Die meisten »Prototypler« wurden in der eigenen Lehrwerkstatt ausgebildet und kennen das Geschäft von der Pike auf. Aktuell beschäftigt Prototyp 30 Auszubildende und einen BA-Studenten. Unsere jahrelange Erfahrung ist die Basis für die Engineering-Kompetenz, die die Prototyp-Werkzeuge so erfolgreich machen. Im Verbund mit dem Konzern ist es gelungen, sich weltweit neue Märkte zu erschließen.
Was sind die neuesten Innovationen aus dem Hause Prototyp?
Regelmäßig investieren die Prototyp-Werke in modernste CNC-Technologie. Im Jahr 2016 haben wir beispielsweise die größte Einzelinvestition mit einem Volumen von über vier Millionen Euro in Maschinen und Anlagen getätigt. Damit produzieren wir Wechselkopf-Fräser, die nach kurzer Zeit einen Anteil von 30 Prozent unserer Hartmetall-Produktion ausmachen. Diese innovative Technik schont die Ressourcen und ist ein Gewinn für unsere Kunden und die Umwelt.
Wie sehen Sie die Prototyp-Werke in der Zukunft?
Wir wirtschaften gut und erzielen gute Ergebnisse. Unsere Produktion ist hochmodern und es wird uns auch in Zukunft gelingen, die technologische Entwicklung mitzugestalten. Prototyp hat Arbeit und Wohlstand nach Zell und in das Harmersbachtal gebracht und bleibt auch in Zukunft einer der größten Arbeitgeber in der Region. Als Ausbildungsbetrieb genießt unser Unternehmen einen hervorragenden Ruf.
Schon heute freuen wir uns darauf am Samstag, 29. Juni 2019, gemeinsam mit allen Mitarbeitern und ihren Angehörigen, mit vielen Ehrengästen aus dem öffentlichen Leben sowie der ganzen Bevölkerung das 100-jährige Firmenjubiläum mit einem »Tag der offenen Tür« feiern zu können. Für mich persönlich wird diese Feier zugleich emotionaler Höhepunkt als auch Abschied von meiner langjährigen Wirkungsstätte werden. Ende August 2019 werde ich dann den Staffelstab an meinen Nachfolger übergeben.