Die von der Fraktion der Freien Wähler angestoßene politische Diskussion über das Fortbestehen der Ortschaftsverfassung und damit den Erhalt der Ortschaftsräte von Unterharmersbach, Unter- und Oberentersbach wird zunächst in den Ortschaftsräten selbst geführt. Zur Durchführung einer Meinungsumfrage unter den Bürgern der Stadt Zell wird es vorerst nicht kommen. In der öffentlichen Gemeinderatssitzung am Montag stellte CDU-Gemeinderat und Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner den Antrag auf Einhaltung der Gemeindeordnung. Es kam zwar zu einer kontroversen Aussprache im Ratsgremium, letztlich aber zu keiner weiteren Beratung und Beschlussfassung.
Wie bereits berichtet ist es das Bestreben der Fraktion der Freien Wähler, die Meinung der Zeller Bürger einzuholen, ob der Fortbestand der Ortschaftsverfassung noch notwendig ist. Am Montagabend stand dieser Antrag auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Mit dem Beschluss des Gremiums sollte die Verwaltung beauftragt werden, die Befragung unter den kommunalwahlberechtigten Bürgern der Stadt Zell am Harmersbach durchzuführen. Auch die Fristen waren schon definiert. Bis zum 21. Dezember sollten die Bürger ihre Abstimmungsunterlagen erhalten. Am 7. Januar 2019 sollte das Abstimmungsergebnis öffentlich im Rathaussaal festgestellt werden.
Ortschaftsverfassung ist zeitlich unbefristet
Zu dieser Umfrage wird es – zumindest vorerst – nicht kommen. Gleich zu Beginn der Beratungen ergriff Gemeinderat Hans-Peter Wagner das Wort und erinnerte daran, dass es in der Vereinbarung zwischen der Stadt Zell und der Gemeinde Unterharmersbach zur neuen Stadt Zell keine zeitliche Befristung für die Dauer der Ortschaftsverfassung gebe. »Pacta sunt servanda«, zitierte Wagner die alten Römer, die damit die absolute Vertragstreue im öffentlichen und privaten Recht meinten.
Dieser Satz, so Gemeinderat Wagner weiter, müsse auch heute, gerade für öffentliche Einrichtungen, uneingeschränkt gelten, da gebe es nichts zu rütteln. Beide Vertragspartner müssten sich daran halten, ansonsten dürfe man sich nicht über Politikverdrossenheit beklagen. An die Adresse der Freien Wähler gerichtet, zeigte sich Wagner sicher, dass diese sehr wohl wüssten, dass ein Bürgerentscheid in Sachen Auflösung der Ortschaftsverfassung nicht möglich sei. Er kritisierte, dass die von den Freien Wählern gewählte Form einer Meinungsumfrage ein Versuch sei, diese Hürde zu umgehen.
Antrag spaltet mehr als zu vereinen
»Es passt wirklich gar nicht in die heutige Zeit, dass ausgerechnet die kleinste demokratische Einheit einer Stadt oder eines Ortes entsorgt werden soll«, wandte sich Gemeinderat Hans-Peter Wagner gegen den gestellten Antrag. Die Ortschaftsräte seien die unmittelbarsten Ansprechpartner für ihren Ort. Sie würden darauf schauen, dass alles funktioniert, das Vereinsleben blüht und wichtige Einrichtungen wie Schule oder Kindergarten im Ort bleiben. Wagner bedauerte, dass der Antrag in der vorweihnachtlichen Abschlusssitzung behandelt werden müsse: »Ein solch brisantes Thema zieht mehr Gräben und spaltet anstatt dass es vereint!«
In seiner Funktion als Ortsvorsteher erinnerte Hans-Peter Wagner an § 70 der Gemeindeordnung, die in allen wichtigen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, dem Ortschaftsrat Unterharmersbach ein Anhörungsrecht einräumt. Da das Anhörungsrecht zu diesem Tagesordnungspunkt, der die Ortschaft in ihren Festen erschüttert, noch nicht ausgeübt worden sei, dürfe der Tagesordnungspunkt nicht weiter behandelt oder gar entschieden werden. »Eine weitere Beratung ist rechtswidrig«, stellte Wagner unmissverständlich klar. Er verwies in seiner Stellungnahme auch auf die nächste Ortschaftsratssitzung, die am 19. Dezember um 18 Uhr in Unterharmersbach stattfindet.
Wie denkt die Bevölkerung über das Thema?
Trotz dieser Erklärung zu Beginn der Tagesordnung bekam Fraktionssprecher Thomas Dreher die Gelegenheit, den Antrag der Freien Wähler zu erläutern. Schon seit Jahren mache man sich Gedanken, wie es mit den Ortschaftsräten weitergehen könne. Die Gremien könnten zwar Empfehlungsbeschlüsse geben, die Abstimmung erfolge letztlich im Gemeinderat.
Gemeinderat Dreher widersprach Gemeinderat Wagner. Die Freien Wähler wollten keinen Bürgerentscheid herbeiführen, sondern nichts anderes als eine Meinungsumfrage, um zu erfahren, wie die Bevölkerung über dieses Thema denkt. Ganz klar stehe für alle Beteiligten fest, dass sich der Ortschaftsrat nur selbst auflösen könne.
Gemeinderat Thomas Dreher erinnerte auch an die Tatsache, dass acht Gemeinderäte aus Unterharmersbach gleichzeitig im Gemeinderat und im Ortschaftsrat vertreten sind. Es gelte bei Entscheidungen, die gesamte Stadt im Auge zu behalten. Den Freien Wählern gehe es nicht darum, die Verwaltung zu zentralisieren. Die Ortsverwaltungen sollten erhalten bleiben. Die Frage gehe nur um das politische Gremium und darum, ob die Ortschaftsverfassung noch zeitgemäß sei. »Irgendeiner muss den Anfang machen, und diese Frage stellen«, bezog Gemeinderat Dreher klare Position.
Bürgermeister bezieht neutralen Standpunkt
»Ich sehe das Thema leidenschaftslos«, stellte sich Bürgermeister Günter Pfundstein in der weiteren Aussprache auf einen neutralen Standpunkt. Letztlich folgte er dem Antrag von Gemeinderat Hans-Peter Wagner und verwies die weitere Beratung zunächst in die Ortschaftsräte.
Kritik über das Vorgehen gab es seitens der Freien Wähler. »Wir drehen eine Runde und landen wieder hier«, stellte Gemeinderätin Andrea Kuhn fest. Eine Umfrage unter den Bürgern sei zutiefst basisdemokratisch. Unterstützung erhielt sie von Gemeinderätin Brigitte Stunder. Gegen eine Meinungsumfrage gebe es nichts einzuwenden.
Seitens der SPD-Fraktion forderte Gemeinderat Ludwig Schütze, dass der Antrag von Ortsvorsteher Wagner eingehalten werde. »Die Rechtslage ist eindeutig«, bekräftige Hans-Peter Wagner seine Forderung nach Ende der Debatte.
Gleich im Anschluss unter dem Punkt Verschiedenes fragte Gemeinderätin Sybille Nock nach, wie hoch die Kosten für eine mögliche Meinungsumfrage seien. Rund 5.000 bis 6.000 Euro, informierte Bürgermeister Pfundstein. Letztlich hänge es davon ab, wie hoch die Zahl der Rückläufe sei und wieviel Postgebühren dadurch anfallen.



