»Was kann ich tun, um gesund zu bleiben oder es – nach Krankheit – wieder zu werden?« Auf diese Frage gab die Heilpraktikerin Marianne Burger auf einer Fortbildungsveranstaltung des Zeller Kneipp-Vereins die Antwort: »Richtig essen und richtig atmen.«
»Wo haben Sie eben Ihre Zunge?«, fragt Marianne Burger im kleinen Saal des Kultur- und Vereinszentrums in die Runde. Wer feststellt, dass sich das Organ locker in der Mitte seines Mundes befindet, darf sich über ein zufriedenes Kopfnicken der Heilpraktikerin freuen.
Wird die Zunge jedoch permanent gegen den Gaumen gedrückt, zeugt das von Stress im System. Wobei eine dauerhaft nach oben gedrückte Zunge Nackenschmerzen und in der weiteren Folge Kopfschmerzen bewirkt. Und: Sie behindert die Atmung. Mit schön gelöster Zunge also tut das Publikum auf Burgers Geheiß nun, was uns angeboren ist und ohne das nichts geht: Es atmet. Ganz bewusst allerdings – Marianne Burger macht vor, wie es geht.
»Es lohnt sich, von Zeit zu Zeit mal tief durchzuatmen«, erfahren die Zuhörer, »ruhig zwei bis dreimal in der Stunde.« Zum einen senkt sich beim tiefen Einatmen das Zwerchfell und übt dadurch auf Leber und Nieren einen Druck aus, der sich mit dem ebenso intensiven Ausatmen wieder löst. Auf diese Weise kann man die inneren Organe bewusst mit frischem Sauerstoff versorgen. Den benötigt eine jede Zelle des menschlichen Körpers um ihn zu verbrennen. Im Zuge dieses Stoffwechselvorgangs entsteht Kohlendioxid – eine Säure, die ausgeatmet wird. Folglich ermöglicht eine tiefe Atmung zum Zweiten das Entsäuern.
Die richtige Wahl der Lebensmittel
Auch die Ernährung beeinflusst den Säure-Basen-Haushalt. Dieser wird über den pH-Wert definiert, der für den Ablauf vieler Vorgänge im Körper entscheidend ist – Enzyme beispielsweise sind nur in gewissen pH-Bereichen wirksam. Reines Wasser hat einen pH-Wert von sieben und ist neutral. Was darunter liegt, wird als sauer bezeichnet, wie der salzsäurehaltige Magensaft mit einem Wert von zwei bis drei. Alles über sieben Liegende ist basisch – wie Blut mit einem Wert von 7,4.
Der Organismus ist bestrebt, dass er nicht übersäuert, aber auch nicht zu viele Basen im Körper behält. Um ihn dabei zu unterstützen, »gilt die gute alte Ernährungspyramide noch immer, trotz aller sich ständig ändernder Trends«, wie die Referentin und Vorsitzende des Zeller Kneippvereins erklärt.
Demgemäß sollten zu den basischen Nahrungsmitteln zählendes Obst und stärkefreies, mit hochwertigen Fetten zubereitetes Gemüse am häufigsten auf dem Speiseplan stehen. Milchprodukte, Eier, mageres Fleisch, Fisch, Nüsse und Hülsenfrüchte folgen auf der nächsten Stufe der Pyramide. Noch sparsamer im Verbrauch sollte man bei Vollkornprodukten, Kartoffeln, Nudeln und Reis sein und ganz selten nur zu verarbeitetem Getreide (Weißmehl) sowie Süßigkeiten greifen. Vor allem Letztere haben saure Valenzen.
Zufuhr von Calcium und Basenpulver?
»Um den pH-Wert auszugleichen, holt sich der Körper Calcium aus den Knochen«, warnt Burger vor zu Osteoporose führendem Knochenschwund. Und ergänzt, dass eine zusätzliche Calciumzufuhr durch Tabletten nur in Verbindung mit viel Bewegung helfe: »Der Knochen braucht Zug und Druck, damit er das Calcium einbaut.« Andernfalls scheidet der Körper den Stoff aus. Ein Teil aber bleibt in den Arterien liegen, »dann verkalken wir.«
Ein Zuviel an Säure wiederum lagert sich vor allem in den Gelenken ab, Rheuma-ähnliche Schmerzen sind die Folge. Doch auch Basenpulver darf man nur mit Bedacht zu sich nehmen. Sonst nämlich steuert der Magen dagegen, indem er mehr Säure produziert, was wiederum die Magenschleimhäute angreift. »Lieber einen Kräutertee trinken«, empfiehlt die Expertin.
Schon mit der Art der Nahrungsaufnahme lässt sich viel für die jeweils eigene Gesundheit tun. Was damit anfängt, sich genügend Zeit zu nehmen. Denn wenn wir in Aktion sind, dann sind Gehirn, Herzkreislauf-System und Muskulatur gut durchblutet, nicht aber die Verdauungsorgane. »Schieben wir uns nun während der Arbeit schnell was rein«, kann es daher zu Fehlverdauungen kommen.
Es sei lohnend, sich die Disziplin zu nehmen, ermuntert Marianne Burger ihre Zuhörer: »Wenn ich arbeite, dann arbeite ich. Und wenn ich esse, dann esse ich.« Nur in einer Ruhephase wird das Blut wirklich auf die Verdauungsorgane umverteilt: auf Magen, Bauchspeicheldrüse, Leber, Galle, Darm. Schon das appetitliche Anrichten einer Speise leitet diesen Prozess ein. Auch Zeitunglesen sollte beim Essen tabu sein, »damit man außerdem mitbekommt, was man isst. Und wann man satt ist.«
Das oberste Gesetz für die Zeller Heilpraktikerin jedoch ist, jeden Bissen 30 bis 45 Mal (!) zu kauen, »damit alles gut eingespeichelt und verwertet werden kann.« Der Speichel enthält wichtige Verdauungsenzyme, die beispielsweise besonders für die Kohlenhydratverdauung erforderlich sind.
Ebenso eindringlich plädiert sie dafür, eine halbe Stunde vor, während und nach dem Essen nichts zu trinken – »das haben die Alten noch richtig gemacht«, verweist sie auf ihre Oma und Mutter. Mit dem Trinken nämlich stellen die Speicheldrüsen ihre Tätigkeit ein. Verspüre man Durst, solle man mit dem Essen aufhören und lieber später nochmal etwas essen, rät Marianne Burger.
Hinzu komme: »Mit Trinken verwässere ich die Magensäure und die Eiweißverdauung im Magen kommt nicht in Gang«; auch könne die verdünnte Salzsäure dann nicht alle Viren und Keime abtöten, die auf Obst und Gemüse sitzen.
Vorsicht: »Giftküche im Darm«
Noch einmal zurück zu dem Motto »Gut gekaut ist halb verdaut«. Ein altbewährtes Motto, das zudem der schlanken Linie dient. Denn je besser die Nahrung gekaut ist, desto schneller wird man satt. Der Grund: Je feiner der Nahrungsbrei, desto schneller wandert er vom Magen – diesem alles durchmischenden Sammelbehälter – in den Zwölffingerdarm, von wo aus die Inhaltsstoffe in den Blutkreislauf gelangen und der Leber zugeführt werden. Der Blutzuckerspiegel steigt, das Gefühl der Sättigung stellt sich ein.
Mit ausführlichem Kauen tut man außerdem den Zotten Gutes, mit denen der Zwölffingerdarm ausgekleidet ist – dem ersten, etwa 30 Zentimeter langen Abschnitt des Dünndarms. Auf einem einzigen Quadratmillimeter befinden sich 30 dieser gut durchbluteten Zotten. Sie »erfühlen, was da an Nahrung vorbeikommt und geben Meldung an Galle und Bauchspeicheldrüse, damit diese die entsprechenden Verdauungsenzyme liefern«. Ist die Nahrung nicht gut gekaut, können diese winzigen und entsprechend empfindlichen Zotten durch mechanische Verletzung gereizt werden.
Und schließlich: Grobstückiges wird nur angedaut. Mit dem Ergebnis, dass Eiweiße faulen und Kohlenhydrate gären, Fäulnis- und Gärungsgase entstehen. »Dann habe ich im Darm meine eigene Giftküche gebraut«, resümiert die Referentin vor dem besonders für Infektanfällige bedeutsamen Hintergrund, dass sage und schreibe zwei Drittel unseres Immunsystems im Darm sitzen. Dazu veranschaulicht Marianne Burger: »Die Oberfläche von Zwölffinger-, Dünn und Dickdarm ergibt zusammengenommen eine Länge von sieben Kilometern«.