Beim 4. Konzert der Sommermusik zeigten Pianistin Hölzl und Schlagzeuger Flottau, dass Klassik und Jazz keine Alternativen sind, sondern durchaus miteinander können. Rund 80 Konzertbesucher waren von der musikalischen Mischung restlos überzeugt und quittierten die Darbietungen mit Bravo-Rufen und anhaltendem Applaus.
Zunächst wurde vom Piano ein gemeinhin bekanntes Thema, sozusagen ein Ohrwurm mit wenigen Anschlägen in Erinnerung gebracht, danach stimmlich verbreitert, um in der Mitte des Stückes in einen Jazz-Rhythmus zu verfallen und dabei in die Vollen zu gehen. Nach diesem Muster waren die meisten Titel gestrickt. Raffiniert waren die Wechsel von der Klassik in den modernen Stil, die nicht als Brüche, sondern als organische Übergänge gestaltet wurden. Dahinter standen die kompositorischen Ideen von Annette Hölzl. Bewundernswert war zugleich die technische Virtuosität, mit der die Ideen umgesetzt wurden.
Dass das Klavier, ein melodisch wie rhythmisch veranlagtes Instrument, sich mit einem exklusiv rhythmischen Schlagzeug zusammentat, erschien zunächst etwas ungewöhnlich, überzeugte jedoch im Verlauf immer mehr. Zu verdanken war dies dem
ausgezeichneten Drummer Philip Flottau. Wie ein Handzettel verriet, hatte er schon als Zehnjähriger auf allem rumgehämmert, »was nicht niet- und nagelfest« war. Seine Kunst verdeckte nicht die Melodien, sondern unterstrich sie rhythmisch.
Den Auftakt bildete das Bolero von Maurice Ravel, das bekanntermaßen einem strengen Rhythmus folgt und sich daher für das Miteinander von Klavier und Schlagzeug hervorragend eignet. Nach einer Folge gemessener Schritte schlug das Tempo in einen rasanten Boogie-Woogie um, der automatisch in die Beine ging. Einfühlsam begann danach die wunderschöne Romanze für Elise. Die Pianistin ließ sie problemlos in einen Ragtime hinübergleiten. Vom Besinnlichen zum Bewegten war einmal mehr der Duktus.
Aus dem Trauermarsch von Frédéric Chopin wurde ein verhaltener Blues, den die Pianistin selbst entworfen hatte. Einmal mehr sorgte der Schlagzeuger für einen unaufhaltsamen Drive, den er mit unkonventionellen Klängen dekorierte. Die pure Lust, auf allem was Spaß macht »herumzuhämmern«, war unverkennbar. Zierlich kam im folgenden Titel ein Glockenspiel daher. Es schmiegte sich an das Lied von Papageno in Mozarts Zauberflöte. Hin und wieder blickte die Pianistin hinauf, mit dem Wunsch, es möge dem Komponisten gefallen.
Keinerlei Berührungsängste zeigten die beiden Künstler bei einem Potpourri zum Thema »Eisenbahn«. Da kam doch tatsächlich das Volkslied »Auf der Schwäbischen Eisebahne« zum Zug, natürlich verjazzt. Der Titel fand sich in guter Gesellschaft mit Duke Ellingtons »Take the A Tran«, aber auch Udo Lindenbergs poppigem »Sonderzug nach Pankow«. Für den Schlagzeuger kein Problem, die schnaubend anfahrende Lok in Szene zu setzen.
Verabschiedet wurden die Besucher der Sommermusik mit einer Jazz-Version von »Nehmt Abschied Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr«. Solveigh Petersen machte es sichtlich Freude, sich im Namen der Evangelischen Kirchengemeinde bei den beiden Akteuren herzlich zu bedanken und ihnen zum Abschied eine weiße Rose zu überreichen.