Sie sind eine Augen- und Ohrenweide: Die Basler »Grachsymphoniker«, die seit dem Jahr 2007 den fasendsonntäglichen Zeller Umzug bereichern. Sie bringen die Zuschauer zum Staunen, bringen Arme und Beine zum Schwingen, sorgen unweigerlich für Stimmung.
Mit einer ganz eigenen Optik und einem nicht weniger eigenen, unverkennbaren Sound warten die 38 Basler Guggenmusiker auf. Die von fetzigem Schlagzeug unterlegten Blechblasinstrumente kredenzen einen jazzigen Rhythmus, bei dem man nicht anders kann, bei dem man einfach »mit muss.«
Dazu prachtvolle Kostüme mit Köpfen, die ob ihrer Dimensionen ebenso beeindruckend wie ulkig aussehen. Letzteres gilt vor allem für den Major mit seinem riesigen Schwellkopf. Wenn der sich dagegen klein und schmächtig ausmachende Körper des unter der Maske steckenden Menschen dirigiert und tanzt oder gar Verbeugungen macht, wirkt das unsagbar komisch.
Wie die Musiker auf diese Idee gekommen sind? »Das ist Tradition der Basler Fasnacht«, so der Grachsymphoniker-Präsident Kurt Künzler. »In Basel gibt es bei einem Umzug keine Fasnachtsfigur, welche nicht einen Kopf trägt, so wie wir ihn haben«, erklärt er, »es ist verpönt, wenn man an der Basler Fasnacht bei einem Umzug oder Auftritt ohne solch einen Kopf
rumläuft.«
Die überdimensionalen Masken kennt man hierzulande allenfalls aus dem Mainzer Karneval, wo sie als »Schwellköpp« gar als Marke eingetragen sind. Mit diesem Begriff allerdings vermag Kurt Künzler nichts anzufangen. »Bei uns heißen diese Masken ›Larven‹«, stellt er richtig und ergänzt: »In unserer Gruppe haben wir nur einen einzigen, der mit einem riesengroßen Kopf vornewegläuft – das ist der Major. Bei den anderen Symphonikern sind die Köpfe einfach nur ein bisschen größer als normal.«
Kraftakt für den Major
Dennoch bringen sie im Schnitt 1,5 Kilogramm auf die Waage. Der Major hingegen muss circa 15 Kilogramm auf seinen Schultern tragen. Früher war das Roger Birrer, seit letztem Jahr ist es Florian Kainz. Ob die beiden eigens ein Krafttraining absolvieren? »Mit Sicherheit kann ich das natürlich nicht sagen«, lacht Kurt Künzler. »Ich weiß nur, dass beide sportliche Typen sind. Aber ein spezielles Training, so dass man sagt, ich gehe jetzt mit einem Gewicht auf dem Kopf draußen im Wald üben – das glaube ich eher nicht«, lacht er wieder.
Aus Pappmachée bestehen die Larven. Selbst gefertigt? »Nein, nein«, wehrt der Präsident ab, »die lassen wir machen«, und zwar in sogenannten Larvenateliers, die meistens mit einer Kostümschneiderei kombiniert sind. Ein eigenes Business sei das, eine gut gehende Branche, erklärt der 58-jährige Informatiker, der den Grachsymphonikern – auch kurz »Grachys« genannt – seit neun Jahren vorsteht.
Jedes Jahr überrascht die 1965 gegründete Gruppe mit einer komplett neuen Kostümierung, für die pro Mitglied jeweils ein Budget von 475 Schweizer Franken zur Verfügung steht und die von einer Sujet-Kommision entwickelt wird. In Zell kann man die Musiker jeweils im Outfit des Vorjahres bewundern. Das aktuelle Kostüm dagegen wird grundsätzlich an der Basler Fasnacht zum ersten Mal getragen – und die findet eine Woche später statt. Denn die größte Fasnacht in der Schweiz, die 2017 im Übrigen in die »Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit« aufgenommen wurde, beginnt am Montag nach Aschermittwoch um vier Uhr morgens, um nach exakt 72 Stunden zu enden.
Ihre jeweils neueste Kostüm-Kreation präsentieren die Grachys den Basler Zuschauern am Montagnachmittag. Am darauf folgenden Dienstag dann begeistern sie das närrische Volk in ihrem herrlich schrägen Stammkostüm mit dem Motto »Mozart«. Mit Ausnahme eben dieses Kostüms befinden sich alle Fasents-Outfits im Privatbesitz der Mitglieder und werden von diesen auch jeweils Zuhause aufbewahrt. Weil das mit der Zeit zu Platzproblemen führen kann, gibt der eine oder andere unter Umständen ältere Kostüme nach einigen Jahren weg.
Dabei rein im Maskulinum zu sprechen ist völlig richtig: Die Grachsymphoniker setzen sich ausschließlich aus Männern zusammen. »Das ist historisch bedingt«, erklärt der Präsident, »am Anfang war es eine gemischte Gruppe, aber irgendwann hat man in den Statuten festgelegt, nur noch ein Männerverein sein zu wollen. Vor 40 Jahren, glaube ich, war die letzte Frau dabei.«
Am Fasendsonntag fünfmal in Zell
Der Kontakt der hochkarätig spielenden, weil regelmäßig intensiv übenden Guggenmusiker nach Zell ist aus der Geschäftsbeziehung eines »Grachys« zu einem Zeller Narrenratmitglied entstanden. Aus der Einladung »mal an einem Umzug teilzunehmen« hat sich eine enge Freundschaft über die Fasend hinaus entwickelt. »Das ist sehr schön«, freut sich Kurt Künzler stellvertretend für alle Beteiligten.
Anlässlich des Zeller Fasendumzuges am Sonntag, 11. Februar, werden die »Grachys« gleich fünfmal zu hören sein: Um 14.15 Uhr vor dem Rathaus mit einem Platzkonzert, ab 14.45 Uhr im Umzug, um 20 Uhr beim Nachtumzug, um 22 Uhr im Bräukeller und um Mitternacht in der Palmenbar.