Seit einigen Jahren hat Roland Schopp darauf hingearbeitet, eine schillernde Zeller Persönlichkeit der Biedermeierzeit aus der Vergessenheit zu holen. Er hat den vor 200 Jahren auf die Welt gekommenen »Graf Magga« mit Erfolg zu neuem Leben erweckt.
Fast dreißig Menschen hatten sich am vergangenen Donnerstag gespannt im Storchenturm-Museum versammelt und wurden mit einem Graf-Magga-Aufkleber »gekennzeichnet«. Von Roland Schopp höchstpersönlich, der noch er selbst war, wenngleich bereits geschminkt: Make-Up und Rouge modellierten sein Gesicht – unverkennbar, dass die Maskenbildnerei eine seiner Professionen ist.
»Wir haben ein paar Wiederholungstäter heute Abend«, freute sich Lebenspartner Harald Haiss. Denn einige der Gäste hatten bereits die erste offizielle Veranstaltung besucht, die anlässlich des 200sten Geburtsjahres der historischen Figur Anfang Mai stattfand. Und zwar im Gasthaus Stöcken: jener ehemaligen Poststation, in welcher ein einfacher Töpfer- und Bauernsohn namens Franz Anton Schmider (1817–1893) als vorgeblich hoher Herr dem damaligen Posthalter einen Streich gespielt hatte, dessen weiterer Verlauf ihm den in die Annalen eingegangenen Titel »Graf Magga« einbringen sollte.
Die Ergebnisse ihrer Recherchen zu Dichtung und Wahrheit hatten Roland Schopp und Harald Haiss in Stöcken vorgestellt. Zu jener künstlerisch wie unternehmerisch vielseitigen Gestalt, die in der Zeller Keramikfabrik Karriere machte und es zu hohem Ansehen und Reichtum brachte, ohne dabei sozial Benachteiligte und Arme zu vergessen. Die aus welchen Gründen auch immer ausstieg und nach Amerika ging, mit ihren Erfindungen dort zunächst Erfolg hatte, dann aber mittellos in die Heimat zurückkehrte und sich mit unterschiedlichsten Unternehmungen hier mehrere neue Existenzen aufbaute.
Lediglich diesen Lebenslauf hörten die »Wiederholungstäter« unter den Gästen nochmals, was ob der Ereignisfülle der Vita keinesfalls schaden kann. Schopp und Haiss haben sie aus einer Erzählung des Heimatschriftstellers Heinrich Hansjakob (1837–1916) herausgefiltert, die er schon dem als Schulbub aufgrund seiner besonderen Ausstrahlung Aufgefallenen gewidmet hatte. »Diese 60 Seiten habe ich sicherlich schon fünf bis sechs Mal gelesen, seit ich mich mit Graf Magga beschäftige«, meinte Schopp, »aber jedes Mal entdecke ich etwas Neues.«
Lampenfieber wie lange nicht mehr
Sobald auch die Neulinge im Publikum wussten, mit wem sie es nun gleich zu tun haben werden, machte der Mime sich vor aller Augen ans Werk. Bepinselte sorgfältig eine seiner Augenbrauen mit Kleber, um – zum Vergnügen der Zuschauer – eine gräflich-buschige darauf zu fixieren. Ruckzuck folgte die zweite Braue, und schließlich ein akkurat-eleganter, grau-melierter Oberlippenbart.
Fehlte noch die selbstgemachte Perücke. Der 54-Jährige sprang auf und wirkte nervös, als er sich die schwarz gelockte Pracht prüfend an den Kopf drückte. Später wird er gestehen, dass er schon lange nicht mehr ein solches Lampenfieber gehabt hatte. Und das will etwas heißen bei dem staatlich anerkannten Heilpraktiker für Psychotherapie, der in einem ersten Leben über viele Jahre hinweg ungezählte Auftritte als mit internationalen Preisen bedachter Zauberkünstler absolvierte.
Doch das Lampenfieber hatte einen guten Grund, hegte er doch schon in seiner Stuttgarter Gymnasialzeit die Leidenschaft fürs Schauspiel. Später vermischte die sich mit der Liebe zur Zauberkunst, um nun in der Rolle des Graf Magga zu gipfeln.
Dass der Wahlzeller mit einem Schauspielcoach gearbeitet hat, machte sich bezahlt: Zwei, drei Schritte und eine kurz dahergesummte Melodie, dann stand er in aller Präsenz da: Graf Magga. In lässig-erhabener Pose schaute er seinem Publikum entgegen, ein wenig trotzig, ein wenig verletzlich vielleicht auch, sehr ernsthaft und doch bunt, mit einem unbändigen Augenzwinkern.
Informatives und unterhaltsame Anekdoten
Kurz darauf führte er sein Gefolge gräflich forschen Schrittes durch die Altstadt, mit allerlei unterhaltsamen Anekdoten und gar einem seiner Frau gewidmeten Zauberkunststück im Gepäck. Machte dabei an all jenen Orten halt, die mit seinem Leben einst zusammenhingen: Vor der ersten, 1847 im heutigen »Becherer« eingerichteten Zeller Poststation beispielsweise, wo er einstmals im ersten Stock wohnte, mit Blick auf das noch heute existierende Gasthaus Krone. Und wo er sich an eines seiner Kinder erinnerte: an die kleine Luise. An diesen Wildfang, der beinahe weggegeben worden wäre. Der ihm stattdessen einen Triumph über einen arroganten Obermaler in der Zeller Keramikfabrik bescherte.
Völlig von den Socken war der »Graf« angesichts des neuerdings zur verkehrsfreien Zone umgestalteten unteren Teils der Kirchstraße: »Zu meiner Zeit hatte keiner Zeit, auf der Straße zu sitzen und Kaffee zu trinken«, konstatierte er, findet aber doch die Vorstellung schön, sich hier aufhalten zu können ohne Gefahr zu laufen, von einem Pferd tot getrampelt oder von einer Kutsche überfahren zu werden.
Einige Meter weiter verwies er auf den Kirchgassbeck, wo sein Onkel wirkte. Und der Durchbruch in der Stadtmauer war ihm als Bub eine beliebte Abkürzung gewesen, wenngleich es sich vor der »keifigen« Eugenia vom Öhlerbeck zu hüten galt.
Am 11. Juli Geburtstagsfeier im Bärenkeller
Unverzichtbar auf diesem Spaziergang waren natürlich die noch immer in Nutzung befindliche Familiengruft sowie das Gelände der Alten Fabrik mit seiner früher weitläufigen Gartenanlage, dem heutigen Park. Ein Firmen-Transporter mit der Aufschrift »Schmider« parkte hier zufällig. »Graf Magga«, wagte jemand aus der Gruppe den illustren Herrn zu befragen: »War das dein Dienstwagen?«
Mit »Note Eins« beurteilte das Publikum die Darstellung des Graf Magga, Informationsgehalt und Unterhaltungswert der Veranstaltung, die im September eine Wiederholung findet. In Franz Anton Schmiders ehemaligem Wohnhaus, dem heutigen Gasthaus »Bärenkeller«, klang der Abend bei eingemachtem Kalbfleisch und »Magga« (Malagawein) aus. Dort wird Graf Magga außerdem auf den Tag genau seinen 200. Geburtstag feiern, mit einem zauberhaft-überraschungsvollen »Dinnerspektakel« am 11. Juli.