Klimawandel ist spürbar wie nie

Der Oberharmersbacher Klima-Autor Christian Serrer gibt in seinem neuesten Buch viele praxisnahe Tipps, wie man dem Klimawandel begegnen kann. Einige daraus stellte er bei seinem jüngsten Vortrag in der Gengenbacher Stadthalle vor. Es schloss sich eine lebhafte Podiumsdiskussion an.

 

Überschwemmungen, Hitzestress, Ernteausfälle – die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar und werden weiter zunehmen. Aber: „Klima? Na ja … als Gesellschaft haben wir gerade so viele Probleme, dass ich aus erster Hand sagen kann, dass sich immer weniger Leute für das Thema interessieren“, begann Christian Serrer seinen Vortrag mit durchaus erschreckenden Worten. Denn: „Wenn wir uns immer weniger für ein Problem interessieren, das eigentlich total drängend ist, dann kann es umso härter zuschlagen.“

Umso zuversichtlicher stimmt es, dass sich am vergangenen Donnerstagabend über 160 Menschen in der Gengenbacher Stadthalle versammelt hatten und damit einer Einladung der Volksbank Lahr zu einem Serrer-Vortrag mit Podiumsdiskussion gefolgt waren.

„Zum ersten Mal“, verriet der Klima-Autor aus Oberharmersbach, „verwende ich in meinem heutigen Vortrag Teile aus „Eis gegen heiß.“ So lautet der Titel seines neuesten Buches, das er mit drei Co-Autorinnen und -Autoren verfasst hat. Sein erstes Werk „Kleine Gase – große Wirkung“ zur Rolle der Treibhausgase im Klimawandel hatte er im Jahr 2018 herausgebracht. Damals war er 22 Jahre alt und Student der Wirtschaftswissenschaften. Es avancierte ebenso zum Spiegel-Bestseller wie der Nachfolger „Machste dreckig, machste sauber: Die Klimalösung“.

In dem nun dritten Buch geht es um die Dringlichkeit, eine weitere Verschärfung des Klimawandels zu verhindern, sowie darum, wie sich jede und jeder vor Hitzewellen, Überschwemmungen und anderen Klimafolgen schützen kann. Alles einfach und verständlich erklärt, wie es für Christian Serrer oberste Prämisse ist.

Wissenschaft leicht erklärt

Seit acht Jahren betreibt Serrer mit seinem Team Wissenschaftskommunikation im Bereich des Klimawandels. Zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Autor hat er bereits über 100 Vorträge gehalten, unter anderem bei der Europäischen Zentralbank, dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis oder Unternehmen wie der EnBW. „Was wir vermitteln wollen, ist so etwas wie „Die Sendung mit der Maus“ für Erwachsene“, schmunzelte Christian Serrer. Für sein jüngstes Buch hat er mit rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammengearbeitet.

„Wissenschaftskommunikation bedeutet auch, nicht der Ultra-Experte in einem kleinen Bereich zu sein. Unsere Aufgabe ist es, die übergeordneten Dinge zu sortieren, verständlich zu kommunizieren und das große Ganze zu erfassen.“

Kurzum: Dem Wirtschaftswissenschaftler geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse in Alltagssprache zu übersetzen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu erreichen, die dann wiederum selbst aktiv werden können: Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen oder Politik.

Klima ist nicht Wetter

In seinem Vortrag ging Christian Serrer, der aus beruflichen und privaten Gründen aktuell zwischen seinem Geburtsort und der Schweizer Grenze pendelt, zunächst auf die „Basics“ ein – die Erderwärmung. „Seit dem Beginn der Industrialisierung zwischen 1850 und 1900 haben wir eine Erderwärmung von weltweit 1,3 Grad Celsius.“ Weil diese 1,3 Grad ziemlich harmlos klingen, „nehmen wir den Klimawandel oftmals nicht so ernst“, weiß der Fachmann. Denn dabei denke man fälschlicherweise an das Wetter – und nicht an das Klima.

Das Klima ist per Definition das durchschnittliche Wetter über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren. Dazu nennt Serrer ein Beispiel: „Nehmen wir Berlin. Wir haben einen lauen Sommertag mit etwa 20 Grad Celsius, T-Shirt und kurze Hose. Wenn es am nächsten Tag fünf Grad kälter wird, ist das kein Problem – das ist Wetter. Wenn sich aber das Klima um fünf Grad ändern würde, dann läge Nordeuropa wieder unter kilometerdickem Eis.“

Der Temperaturunterschied zwischen einer Warmzeit, in der wir aktuell leben, und einer Eiszeit beträgt weltweit nur vier bis sieben Grad Celsius. „Die genannten 1,3 Grad Erderwärmung, vor allem in so kurzer Zeit, sind daher ein riesengroßes Problem.“

In Deutschland liegt die Erwärmung bereits bei rund 2,5 Grad Celsius, da sich Land schneller erwärmt als Ozeane. Verursacht wird das durch den Menschen, der seit der Industrialisierung durch die Verbrennung fossiler Energieträger Treibhausgase freisetzt und so den natürlichen Treibhauseffekt verstärkt.

Folgen auf allen Ebenen

Das Ergebnis: Schnee und Eis schmelzen, der Meeresspiegel steigt, trockene Landflächen nehmen zu. Das schadet der Artenvielfalt, neue Krankheitsüberträger breiten sich aus, Waldbrände werden häufiger. Unter den Wetterextremen leidet die Landwirtschaft und mit ihr die gesamte Gesellschaft. Hinzu kommen Rückkopplungseffekte, die den Prozess weiter beschleunigen.

„Es gibt nicht die eine Folge, die den Klimawandel zum Problem macht“, betonte Serrer. „Vielmehr ist es die Summe der Auswirkungen, die für die Menschheit fatal ist.“ Klimaschutz sei daher unerlässlich, um Wohlstand und Lebensqualität zu bewahren.

Klimaschutz und Anpassung gehören zusammen

Serrer machte deutlich: „Wir müssen jeglichen weiteren Temperaturanstieg so gut es geht verhindern.“ Doch seit der industriellen Revolution steigen die Emissionen unaufhörlich. Kohlendioxid entsteht zum Beispiel in der Zementindustrie, durch Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Mooren und Landwirtschaft. Methan entweicht aus der Tierhaltung, Lachgas bei der Düngemittelproduktion. Fluorierte Gase aus der Industrie verstärken den Effekt zusätzlich. „Wir haben heute einen Treibhausgas-Ausstoß von weltweit 55 Milliarden Tonnen. So hoch war er noch nie.“ Bleibt es bei den derzeitigen Maßnahmen, steuert die Erde bis Ende des Jahrhunderts auf 2,5 bis 3 Grad Erwärmung zu – mit katastrophalen Folgen.

Warnsysteme und Eigenverantwortung

Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags war die Unterscheidung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung. Neben der Reduzierung von Emissionen gehe es auch darum, Gebäude, Städte und Infrastrukturen widerstandsfähiger zu machen.

Wichtig sei zudem, sich individuell zu schützen. Serrer empfahl, Warnsysteme wie die NINA-App zu nutzen, um bei Extremwetter rechtzeitig reagieren zu können. Auch Vorsorgemaßnahmen und richtiges Verhalten bei Hitze oder Hochwasser seien entscheidend. „Den Kopf in den Sand zu stecken bringt nichts“, betonte er. Aktiv zu werden helfe sogar gegen Ängste, auch gegen die sogenannte Klimadepression.

Handeln auf allen Ebenen

Professionell, lebendig und verständlich – so begeisterte Christian Serrer sein Publikum. Daniela Becker, Umweltwissenschaftlerin und Nachhaltigkeitsbeauftragte der Volksbank Lahr, moderierte die anschließende Podiumsdiskussion. Mit auf dem Podium saßen Peter Rottenecker, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Lahr, Gengenbachs Bürgermeister Sven Müller und Martin Wenz, Finanzvorstand des E-Werks Mittelbaden.
Diskutiert wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in Innenstädten (wie Begrünung, kühle Flächen und Räume), regionale Klimastrategien, die Sicherstellung der Energieversorgung sowie entsprechende Anpassungen – etwa der Einsatz von Wärmepumpen, Nahwärmenetze und innovative Ansätze zur Nutzung von Abwärme. Auch die Rolle der Finanzbranche als Vermittler nachhaltiger Investitionen und als Treiber von Anreizsystemen kam zur Sprache. Zum Abschluss appellierten alle Teilnehmenden an Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen, gemeinsam aktiv zu werden – denn nur gemeinsames Handeln könne den Folgen des Klimawandels wirksam begegnen.