Brandenkopfturm in guten Händen

In diesem Jahr feiert der Schwarzwaldverein Oberharmersbach seinen 100. Geburtstag. Vielfältig sind Anliegen und Aufgaben des Vereins, wobei der Aussichtsturm auf dem Brandenkopf seit jeher sein liebstes Kind war – und Sorgenkind blieb. Teil 2 unserer Serie zum Jubiläum.

Dem hölzernen Aussichtsturm, 1905 auf dem Harmersbacher Hausberg errichtet, war nur ein kurzes Dasein beschieden. Bereits 1914 musste er aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. 1921 erfolgte der Abbau. Die bereits in der Gründungsversammlung im März 1925 erklärte Absicht, auf dem Brandenkopf wieder einen Aussichtsturm zu errichten, nahm den Verein über Jahre hinweg bis an die Grenze der Belastbarkeit in Anspruch.

Ein ehrgeiziger Plan

Bereits ein Jahr nach der Gründung gab eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Vorstandschaft den Auftrag für die Errichtung eines Aussichtsturms. Der Hauptverein und die umliegenden Ortsgruppen sicherten ihre Unterstützung zu. Schreiben von Karlsruhe bis Freiburg mobilisierten „Bausteine“ von jeweils 100 Mark. Die Gemeinde Oberharmersbach stellte 13.000 Mark aus einem außerordentlichen Holzhieb zur Verfügung. Damit war der Grundstock für das auf 20.000 Mark veranschlagte Projekt gelegt. Den Auftrag erhielten die Architekten Wacker und Müller, die Bauarbeiten wurden an den Bauunternehmer Louis Fischer vergeben. Eine gemeinsame Begehung am 29. September 1928 symbolisierte den Beginn des ehrgeizigen Projekts. Die Erdarbeiten stießen in 1,40 Meter Tiefe auf Fels, der die Last des Turms auffangen sollte.

Baustelle in „weltentlegener“ Lage

Sandsteine in der ganzen Umgebung wurden gebrochen und eine Lichtstromleitung zur Baustelle gelegt. Aus dem angrenzenden Wald des Fürsten von Fürstenberg erhielt der Schwarzwaldverein unentgeltlich 172 Gerüststangen von 12 bis 16 Meter Länge – insgesamt rund 23 Festmeter. Den später monierten tatsächlichen Einschlag von nahezu 41 Festmetern begründete die Bauleitung damit, dass das angewiesene Holz zu schwach gewesen sei und man eben stärkere Stangen benötigt hätte. Dem vermeintlichen „Waldfrevel“ war damit Genüge getan…

Ein langer Winter über den Jahreswechsel 1928/29 unterbrach die Arbeiten bis in das späte Frühjahr hinein. Dann war es schwierig, auf einer „derart weltentlegenen Baustelle“ die Handwerker zu bekommen. Einen „Motivationsschub“ zur Wiederaufnahme der Arbeiten leistete ein Fest am 20. Juni 1929. Nach Anlaufschwierigkeiten stieg dann die Zahl der Maurer, die zwischen 48 und 66 Pfennig (!) Stundenlohn erhielten, von drei auf 17. Nochmals bat der Verein um Gerüststangen. Dabei hatte er den Einbacher Gemeindewald im Auge, der nach vorheriger Besichtigung „eine kleine Durchforstung“ in Eigenarbeit vertragen könne.

Feierlicher Abschluss

Der Turm wuchs in die Höhe, die Vorbereitungen für die Einweihungsfeierlichkeiten rückten in den Mittelpunkt. Das ausgearbeitete Programm für das Festwochenende am 5./6./7. Oktober wurde verschickt, Sonderzüge der Reichsbahn mit Anschlüssen für die Harmersbachtalstrecke sollten die Heerscharen der Gäste befördern.

Drei Tage feierte Oberharmersbach die Fertigstellung des Wahrzeichens auf dem Brandenkopf. Am Samstag begrüßten die Musikkapelle Oberharmersbach-Dorf (!) und der Männergesangverein „Frohsinn“ die Gäste im Stubensaal. An die 300 Personen hatten sich dort eingefunden, um das Ereignis mit der Ortsgruppe Oberharmersbach zu feiern. Gedichte würdigten das Bauwerk, dem die Festredner, unter ihnen auch Geheimrat Dr. Karl Seith als Präsident des Badischen Schwarzwaldvereins und der Vertreter des Zeller Schwarzwaldvereins, Herr Fabrikant Zapf, ihre Anerkennung zollten.

Volksfest auf dem Berg

Am Sonntag begann nach dem obligatorischen Gottesdienst die „Völkerwanderung“ auf den Brandenkopf, ein „zwangloser Aufstieg zum Turm“, wie der Gastgeber die etwa zweistündige Wanderung beschrieb. Die vier „Festwirte“ (Bärenwirt, Adlerwirt, Lindenwirt und Dürrholder-Wirt) hatten alle Hände voll zu tun, um die zahlreichen Gäste zu bewirten.

Gesangvereine des Gaues Kinzigtal, die auch einen Massenchor aufgeboten hatten, umrahmten die mittägliche Feierstunde, an die sich musikalische Unterhaltung der Oberharmersbacher Musikkapellen bis zum Einbruch der Dunkelheit anschloss. Ein nochmaliges Treffen im Stubensaal ließ den Tag ausklingen.

Nachklang und Bilanz

Die Feierlichkeiten hatten damit ihr Ende keineswegs erreicht. Am Montagnachmittag trafen sich, wie die Lokalpresse heiter anmerkte, „einige lustige Herren, Festnachbummler und ‚Festjümpferli‘“, um mit Schulkindern zum Gasthaus „Sonne“ zu ziehen – „Wurstschnappen, Brezelhaschen und Sacklaufen“ sowie Tanz unterhielten Jung und Alt.

Dann folgte ein Abstecher zur Riersbacher Bahnhofswirtschaft, wo im Jahre 1925 die Gründungsversammlung stattgefunden hatte. Vorsitzender Dr. Arthur Heitzler dankte allen Beteiligten für die großartige Ausrichtung des Festes.

Jetzt lag auch die Schlussrechnung für das Projekt „Aussichtsturm“ vor, das trotz der witterungsbedingten Unterbrechung während des langen Winters in knapp einem Jahr fertiggestellt worden war. Auf 20.000 Mark veranschlagt, wies die Schlussrechnung 23.092 Mark aus. Die Gemeinde Oberharmersbach brachte 13.000 Mark mit einem außerordentlichen Holzhieb ein, der Hauptverein legte 2.626 Mark dazu, Bausteine und sonstige Spenden beliefen sich auf 2.190 Mark. Die Ortsgruppe hatte bei der Volksbank Oberharmersbach somit noch ein Darlehen von 5.276 Mark zu tilgen. Mit einer weiteren Unterstützung des Hauptvereins war diese Schuld, trotz der neuerlichen wirtschaftlichen Probleme während der Weltwirtschaftskrise sowie dem Ende der Weimarer Demokratie und der folgenden Diktatur des Nationalsozialismus, bis 1936 getilgt.

Sanierungen im Lauf der Jahrzehnte

Der Sandsteinturm zeigte sich deutlich dauerhafter als sein kurzlebiger Vorgänger, aber gegen die extremen Witterungsverhältnisse war er auf Dauer auch nicht gefeit. Der nunmehr über 90 Jahre alte Turm war immer wieder auf Pflege angewiesen. In fast regelmäßigen Abständen standen Sanierungsmaßnahmen an:

1953 – Sanierung der inneren Betondecken und Ausbesserung der Fassade; Erneuerung der im September 1953 durch ein Gewitter zerstörten Blitzschutzanlage (Gerüstarbeiten).

1956 – Neuerliche Behebung von Schäden mit einem fahr-baren Gerüst.

1977 – Vollständiges Gerüst auf allen vier Turmseiten; Anbringen zweier Betonkränze auf Höhe der Aussichtsplattform; Imprägnierender Schutzanstrich gegen den äußerlichen Verwitterungsprozess; Verglasung der Aussichtsöffnungen gegen eindringendes Regenwasser.

1981 – Diebstahl der kupfernen Orientierungstafeln, 1985 nach mühsamer Sammlung der Daten erneuert.

1992 – Austausch der hölzernen Treppen, Erneuerung des Innenanstrichs durch Mitglieder.

1993 – Weitere Sanierung aller vier Seiten des Turms (Ausmörtelung der Fugen und neuerliche Imprägnierung in Eigenleistung der Mitglieder).

2013 – Sanierung der Süd- und Westseite des Turms (Hebebühne) durch Stefan Kienzle und Thomas Vollmer; Unterstützung durch die Firma Martin Lehmann (Abschluss vor dem Winter).

Beliebtes Ausflugsziel

Der Aussichtsturm auf dem Brandenkopf gilt nach wie vor als beliebtes Ausflugsziel. In den vergangenen fünf Jahren besuchten im Durchschnitt 6.500 Personen pro Jahr den Turm, obwohl in dieser Zeitspanne die Corona-Beschränkungen galten und das Wanderheim rund neun Monate ohne Pächter verwaist war.