Der „Runde Tisch“, der sich mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vor Ort auseinandersetzt, ließ jetzt den Namen des Täters aus der Liste der Oberharmersbacher Seelsorger streichen.
Der dutzendfache Missbrauch in der Pfarrgemeinde Oberharmersbach wird über Jahrzehnte hinweg die Menschen noch länger belasten. Der „Runde Tisch“, der sich seit gut zwei Jahren intensiv mit der Aufarbeitung vor Ort auseinandersetzt, ließ jetzt den Namen des Täters aus der Liste der Oberharmersbacher Seelsorger streichen.
Stefan Hupfer hat sich sein Handwerkszeug zurechtgelegt. Der Steinmetz aus Wittelbach, momentan mit der Sanierung der Außentreppen an der Pfarrkirche beschäftigt, hat eine keineswegs alltägliche Arbeit vor sich. Auf der großen Altarplatte, ein Sandsteinrelikt aus der 1968/69 renovierten Pfarrkirche St. Gallus, sind die Seelsorger der Pfarrei seit 1643 eingraviert. Aus der Liste der 49 Namen soll der zweitletzte Namen gestrichen werden. Es ist ein symbolischer, aber für die Aufarbeitung der Verbrechen ein wichtiger Schritt, dem Mitglieder des „RundenTisches“, und Betroffene, Pfarrer Bonatventura Gerner und Pfarrgemeinderatsvorsitzender Ansgar Horsthemke ihre Aufmerksamkeit schenken.
Franz Bühler war im Februar 1967 als Pfarrer nach Oberharmersbach gekommen. Er schien ein rühriger Seelsorger zu sein. Die ein Jahr später begonnene Renovierung der Pfarrkirche lief unter seiner Regie. Fast alle verstand er mit seinen Aktivitäten zu blenden. Er organisierte für die Ministranten Fahrten nach Skandinavien und Rom, lud zu Ferienfreizeiten ab, rief einen Kinderchor ins Leben und stand Pate bei der Gründung der DJK. Im Pfarrhaus ließ er als Jugendtreffpunkt die „Gallusklause“ bauen. 1980 wurde das auf seine Initiative zwischen Kirche und Pfarrhaus gebaute Pfarrzentrum eingeweiht. Insofern schien es auch anlässlich seiner aus heiterem Himmel erfolgten Versetzung im Jahre 1991 nur angemessen, ihn zum Ehrenbürger der Gemeinde Oberharmersbach zu ernennen.
Doch es gab auch eine andere Seite, die sich hinter der Fassade des freundlichen und engagierten Seelsorgers verbarg, deren tatsächliches Ausmaß wohl noch längst nicht bekannt ist und mit der einige Oberharmersbacher noch immer nicht klar kommen. Nur kurze Zeit nach seiner Ankunft in Oberharmersbach hatte die abscheuliche und für Dutzende von jungen Menschen peinigende Zeit des Missbrauchs begonnen.
„Man muss es klar sagen: Bühler war ein Verbrecher“, platzt es aus Fridolin Laifer heraus. Mit dieser Auffassung steht der engagierte Mitarbeiter in der Pfarrei nicht allein da. Dass Bühler nahezu ein Vierteljahrhundert diese Verbrechen begehen konnte, ist auch der Untätigkeit der Erzdiözese Freiburg unter dem damaligen Personalreferenten und späteren Erzbischof Robert Zollitsch geschuldet. Selbst nach der ersten Anzeige eines Betroffenen und dem Suizid von Pfarrer Bühler im Jahre 1995 hielt man sich eher bedeckt.
Freiburg schickte den Kinzigtäler Dekan nach Oberharmersbach, der während eines Gottesdienstes den Gläubigen vorerst mal reinen Wein einschenkte. Aber erst nach Bekanntwerden der aufrüttelnden Fällen des Missbrauchs im Canisius-Kolleg und in der Odenwaldschule im Jahre 2010 musste und hat Freiburg reagiert.
Stefan Hupfer zieht akribisch mit seiner Wasserwaage Striche im Abstand von wenigen Millimetern über den zu tilgenden Namen. Behutsam setzt er den kleinen Presslufthammer mit dem Schriftmeißel an. Unter den aufmerksamen Augen der Beobachter arbeitet sich der Steinmetz Millimeter für Millimeter an seinen Hilfslinien entlang. Für einige Minuten ist nur das monotone Hämmern zu hören. Mit Druckluft bläst er den Staub weg. Nur die Jahreszahl „1967/91“ bleibt unversehrt stehen, um zu zeigen, wie lange der Missbrauch durch Wegschauen und Vertuschen und Lügen möglich war.
Eine kleine Hinweistafel soll Auswärtige darüber aufklären, warum der Namen gestrichen wurde. Dann kann sich das Gremium des „Runden Tisches“ der nächsten, viel größeren Aufgabe widmen: wie soll es mit dem Pfarrhaus, dem häufigsten Ort des Missbrauchs, weiter gehen?