Schritt für Schritt kommen Steuergruppe und Runder Tisch der Aufarbeitung des Missbrauchs näher. Ein Fahrplan für das alte Pfarrhaus soll her.
Nach Übereinstimmung aller Teilnehmer braucht es eine grundlegende Veränderung und Neugestaltung der Räume im noch bestehenden Pfarrhaus, in welcher Form auch immer. Nach Abwägung aller machbaren Möglichkeiten soll die Lösung in einem Bürgerforum vorgestellt werden.
Der Generalvikar der Erzdiözese Freiburg Christoph Neubrand und sein persönlicher Referent Anselm John erlebten vor Ort das Engagement dieser Gremien. „Es ist beeindruckend, wie sich die Gruppe ehrenamtlich für die Aufarbeitung einsetzt“, lobte Neubrand nach einer ausführlichen Vorstellung die bisherigen Ergebnisse. Die Erfahrungen, die hier gemacht würden, könnten anderen als Richtschnur dienen. Wichtig sei die Präsenz vor Ort, um Entscheidungen zu begleiten. „Wir erleben auch die Offenheit für diesen Prozess und die Arbeit hier“, ergänzte John. Er hoffe, dass man künftig den „Apparat Kirche“ nicht als Störfaktor erlebe.
Ein Gebäude als ungelöstes Problem
Eines der Ziele des Besuchs aus Freiburg war, die Realität in der Pfarrei zu erleben. Dazu zählte auch eine Begehung des Pfarrhauses, das nach wie vor als ungelöstes Problem dasteht. Man solle „wach und präsent reingehen, um zu empfinden, was das Gebäude und seine Geschichte mit einem macht“, wie die Moderatoren Tobias Lang und Frank Domonell vorschlugen.
Nur das Knarren der alten Holztreppe war beim Gang ins Obergeschoss zu hören. Welche Ahnungen müssen die Betroffenen überfallen haben, wenn sie hier vor Jahrzehnten die Stufen mit ihrem Peiniger hochgingen? Doris Lehmann zitierte (anonym) aus dem Brief eines Missbrauchsopfers, das zwar nichts mit dem Geschehen im Pfarrhaus zu tun hat, aber exakt die Stimmung figurierte. Und wieder wurden quälende Erinnerungen lebendig. „Der Geruch hier drin ist immer noch präsent“ ergänzte Raphael Hildebrandt als Betroffener.
Generalvikar Neubrand: „ein heikles Thema“
Das Pfarrhaus soll, egal in welcher Form auch immer, ein Ort des Neuanfangs, kein Ort des Vergessens sein, so der Tenor der Gesprächsrunde. Und was Steuergruppe und Runder Tisch schon geleistet haben und noch leisten werden, soll als Chance für die Kirche, als Signal nach außen begriffen werden und wie man aus der Vergangenheit gelernt hat. „Oberharmersbach hat eine gute Ausgangssituation. Der Prozess hier wird medial begleitet und an ihm wird man nicht mehr vorbeikommen“, zog Generalvikar Neubrand ein vorläufiges Fazit. Die Umgestaltung des Pfarrhauses, ob Umbau, Sanierung oder Abriss und Neubau mit völlig neuem Ansatz sei ein komplexes und heikles Thema.
Kommt ein Begegnungsraum?
„Wir setzen mit der Aufarbeitung ein deutliches Zeichen“, betonte Pfarrgemeinderatsvorsitzender Dr. Ansgar Horsthemke. Dazu bedürfe es der Unterstützung der Diözese, weil man auch „Anlaufstelle für die Fläche“ sei. „Wenn es notwendig ist, werden wir wieder kommen“, sicherte Generalvikar Neubrand der Gemeinde Hilfe zu.
Auf dem weiteren Weg muss die Steuergruppe noch hohe Hürden überwinden. Unabhängig davon, wie letztendlich Räumlichkeiten umgestaltet und diese künftig genutzt werden, gilt es etliche Varianten auszuloten. Angedacht sind eine „Anlaufstelle für Hilfesuchende“, eventuell auch mit Vernetzung anderer Institutionen, Begegnungs- oder Multifunktionsräume, auch hinsichtlich auf die strukturelle Neuorganisation der Diözese und der Pfarrei im Rahmen der „Kirchenentwicklung 2030“ mit einem Büroraum.
Kein Platz mehr für Franz Bühler
Für die weitere Planung muss das Bauamt der Erzdiözese vorab eine Expertise über den baulichen Zustand des Gebäudes erstellen, um Kostenklarheit über verschiedene Varianten – Umbau, Sanierung, Abriss und völlige Neugestaltung – zu haben. Und schließlich ist noch die Frage des Denkmalschutzes zu klären.
Bis zum Spätjahr 2024 will man einen möglichst rundum abgeklärten Konzeptentwurf in einer Versammlung der Gemeinde vorstellen. Nicht eine Mehrheit soll entscheiden, sondern eine größtmögliche Basis soll hinter der ausgearbeiteten Variante stehen. Um nach außen zu zeigen, dass sich etwas bewegt, wird das große Gemälde des „Guten Hirten“ an der Fassade des Pfarrhauses überdeckt und auf der Tafel mit den eingravierten Namen der Priester in der Pfarrei St. Gallus seit 1643 soll der Name Franz Bühler durchgestrichen werden.