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Erwiderung auf den Leserbrief von Stefan Lehmann in der Schwarzwälder Post, Ausgabe 8/2024, zum Artikel „Mit dem Rotstift durch den Haushalt“ in der Ausgabe 7/2024.
Der Inhalt des Leserbriefs von Herrn Lehmann ist in weiten Teilen in der Sache unzutreffend und polemisch. Außerdem verzerrt und überzeichnet er die Realität.
Hierzu folgende Erwiderung: Richtig ist, dass ich am 9. Januar 2024 gemeinsam mit vielen Landwirten aus Oberharmersbach und Umgebung an einer sogenannten „Protestfahrt“ teilgenommen, dies anschließend in den Sozialen Medien veröffentlicht und dabei Verständnis für die Proteste der Landwirte geäußert habe. Die Proteste der Landwirte zielten – nach deren eigenem Bekunden – auf die Entscheidung der Bundesregierung ab, als Sparmaßnahme im Bundeshaushalt die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie die Subvention für Agrardiesel zu streichen. Die Art und Weise, wie diese Entscheidung von der Regierung getroffen und kommuniziert wurde, sowie die Tatsache, dass die Landwirte als einzige Bevölkerungsgruppe für eine solche Sparmaßnahme aufkommen sollten, halte ich nach wie vor für falsch. Deshalb würde ich heute genauso wieder an einer öffentlichen Unmutsbekundung teilnehmen und in den Sozialen Medien exakt dasselbe schreiben. Und dies, obwohl Herr Scholz „mein Parteikollege“ ist.
Im Übrigen war mein Ziel, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen, um deren Anliegen zu verstehen. Dies ist mir gelungen und war sehr aufschlussreich. Wenn man mit diesem Verhalten zum „Bauernversteher“ wird, halte ich diese Bezeichnung durchaus für gerechtfertigt und freue mich über diese Ehre.
Polemisch und vor allem in der Sache falsch ist der Vergleich, den Herr Lehmann zwischen der „großen Politik in Berlin“ und den Entscheidungen zu Einsparmaßnahmen im Gemeindehaushalt von Oberharmersbach anstellt. Dies schon allein deshalb, weil – anders als bei den Entscheidungen der Bundesregierung – nicht ausschließlich die Landwirte und die Vereine, sondern auch nahezu alle anderen Bereiche des Gemeindebetriebs einen nennenswerten Beitrag zu den Sparmaßnahmen und der Haushaltskonsolidierung leisten werden. Genau darauf, dass die Belastungen nicht nur von einzelnen, sondern von möglichst vielen Schultern des Gemeinwesens getragen werden, hat der Gemeinderat bei seinen Entscheidungen großen Wert gelegt. Der Forderung von Herrn Lehmann nach einer „gleichmäßig verteilten Lösung“ wird insoweit vollumfänglich entsprochen. Ginge es nach Manier von Herrn Lehmann, hätte der Gemeinderat wohl nur bei denen kürzen dürfen, die derzeit nicht lautstark und sichtbar protestieren. Dies dürfte wohl unter dem Aspekt von Gleichbehandlung und Gerechtigkeit kein sachgerechtes Entscheidungskriterium sein. Im Übrigen ist allgemein bekannt, dass nicht immer derjenige recht hat, der am lautesten schreit.
Hätte sich Herr Lehmann übrigens die Ehre gegeben und die öffentlichen Haushaltsberatungen persönlich im Bürgersaal der Gemeinde verfolgt, wüsste er um die Beweggründe der Entscheidungen und könnte die Beschlüsse, die er in seinem Leserbrief kritisiert, sicherlich besser verstehen.
Die Ausführungen von Herrn Lehmann, wie zum Beispiel „werden die Vereine und die Landwirte im eigenen Ort in den Hintern getreten“ oder „für den Gemeindehaushalt genau die herhalten …“ zeichnen ein verzerrtes und überzogenes Bild der Realität. Tatsache ist, dass neben den vielen anderen Einsparmaßnahmen beschlossen wurde, die Vereinsförderung sowie die Landwirtschaftsförderung befristet für das Jahr 2024 um jeweils ein Drittel zu kürzen. Die sich daraus für die Betroffenen im Einzelfall ergebenden Kürzungsbeträge sind zumutbar und im Interesse einer Erhaltung des finanziellen Handlungsspielraums der Gemeinde auch geboten. Der Beschluss des Gemeinderats beinhaltet, dass ab 2025 wieder die ursprünglichen Förderbeträge gewährt werden sollen. Die von Herrn Lehmann verwendeten Begrifflichkeiten erwecken insofern den unzutreffenden Eindruck, die lediglich auf ein Jahr bezogenen Einsparmaßnahmen der Gemeinde führten die Landwirte und die Vereine ins wirtschaftliche Abseits. Auch hier irrt Herr Lehmann mit seinem Vergleich mit den bundespolitischen Entscheidungen. Die Agrardieselsubvention soll nach derzeitiger Nachrichtenlage nicht nur vorübergehend, sondern schrittweise und dann aber für immer gestrichen werden.
Die Bezeichnung „komplett verfahrenen Gemeindehaushalt“ gehört in die Welt der Polemik, da sie nicht ansatzweise die Hintergründe der schwierigen Haushaltslage im Jahr 2024 wiedergibt. In der Sitzung des Gemeinderats am 15. Januar 2024 und der darauffolgenden Presseberichterstattung war explizit auf die besonderen Gründe eingegangen worden. Dies sind insbesondere ein außerordentlich hoher Tarifabschluss und die Finanzausgleichssystematik mit hohen Umlagen und geringen Zuweisungen.
Die Forderung von Herrn Lehmann, die beschlossenen Sparmaßnahmen der Gemeinde vollständig zurückzunehmen sowie besonders seine eigenen Sparvorschläge einer „Soli-Abgabe“ der Einwohner und dem Gehaltsverzicht des Bürgermeisters und des Personals sind ebenso der „Welt der Polemik“ zuzurechnen. Ganz bemerkenswert und mit einem „Schuss Realsatire“ versehen, finde ich den Sparvorschlag mit dem Gehaltsverzicht. Gerade dies fordert mit Herrn Lehmann jemand, der in den letzten Wochen nichts anderes tut, als lautstark und mit immensem Aufwand dagegen zu protestieren, dass ihm die Bundesregierung ein Teil seines Einkommens streichen will. Wasser predigen und Wein trinken ist nicht unbedingt das Gebot der Stunde.
Ein „argumentatives Eigentor“ schießt sich Herr Lehmann auch mit seinem Vorgehen, kleinere Einsparmaßnahmen („drei Gassiboxen statt fünf“) ins Lächerliche zu ziehen. Wenn er den Wert dieser Einsparung als „peinlich“ bezeichnet, bleibt die Frage, warum er in seinem Leserbrief den Eindruck erweckt, es ginge um die Existenz der Landwirte und der Vereine, bei Einsparbeträgen, die in vielen Fällen nicht einmal den Gegenwert einer einzigen Gassibox ausmachen.
Abschließend sei zu Herrn Lehmanns Behauptung, die sogenannte „Spaltung“ werde durch die angedachten Sparmaßnahmen nur größer noch festgestellt: Die Spaltung wird dann am größten sein, wenn die Gemeinde ihren finanziellen Handlungsspielraum zunehmend einbüßt und es am Ende nichts mehr zu verteilen gibt, weil niemand dazu bereit ist, einen überschaubaren Konsolidierungsbeitrag zu leisten.
Richard Weith
Bürgermeister der Gemeinde Oberharmersbach