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Oberharmersbach | 22.12.2023

Ein umstrittener Kapellenbau

Foto:
Stein des Anstoßes: Die Zuwälder Maria-Hilf-Kapelle. Foto: Lehmann-Archiv
von Karl-August Lehmann

Vor 140 Jahren wurde die „Maria-Hilf-Kapelle“ in Zuwald am zweiten Weihnachtsfeiertag eingeweiht.

Foto: Lehmann-Archiv
Umgestaltung: Vom ursprünglichen Innenleben der Kapelle blieb nach der Sanierung 1968 nur wenig erhalten.
Foto: Lehmann-Archiv
Veränderung: Die „Maria-Hilf-Kapelle“ in den 1950er Jahren.
Foto: Lehmann-Archiv
Umstritten: Das Engagement der Juliane Wußler (1857 – 1904) und deren Einfluss auf die vier Kapellen-Bauern entzweit das Dorf.
Foto: Lehmann-Archiv
Ausgeschmückt: Die ursprüngliche Innenansicht der Kapelle wurde 1968 wegsaniert.

Ganz und gar nicht christlich verlief die Vorgeschichte zum Bau der „Maria-Hilf-Kapelle“ in Zuwald. Vor 140 Jahren wurde sie am zweiten Weihnachts feiertag nach heftigen Querelen zwar eingeweiht, aber wegen jener überkochenden Emotionen erteilte die Erzdiözese Freiburg erst 1895 die Erlaubnis, hier auch Messfeiern abzuhalten.

Gelübde von Bläsibauer Georg Lehmann

Die wechselvolle Geschichte der Kapelle nimmt ihren Anfang in den 1830-er Jahren. Bläsibauer Georg Lehmann im Zuwälder Tal hatte, durch Seuchen im Stall arg geschädigt, das Gelübde abgelegt, falls er künftig davon verschont bliebe, eine Kapelle zu errichten. Zur Einlösung seines Versprechens erwirbt er frühzeitig Heiligenbilder und Statuen aus der alten Pfarrkirche, die 1839 dem jetzigen Kirchenbau weichen musste.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten jedoch hindern ihn daran, zu Lebzeiten sein Versprechen einzulösen. Auf dem Totenbett nimmt er seinen Kindern das Gelöbnis ab, sein Vermächtnis zu erfüllen. Der neue Hofbesitzer Fridolin Lehmann beginnt 1882 mit der Planung einer Kapelle, wie auch der von der „Paulimühle“ stammende Vikar Karl-August Lehmann ernsthaft angeregt hatte. Die ursprüngliche Absicht, eine kleine Kapelle zu Ehren des Hl. Wendelins, des Schutzheiligen der Tiere, zu errichten, wird alsbald zugunsten einer größeren Variante verworfen.

Juliane Wußler nahm maßgeblich Einfluss

Maßgeblichen Anteil an diesem Umdenken hat Juliane Wußler, deren Schwester Johanna mit Fridolin Lehmann verheiratet war. Juliane ist bereits in jungen Jahren sehr kränklich. Das mag der Grund dafür gewesen zu sein, dass sie von einem kindlich geprägten religiösen Eifer getrieben wird und die Religion ihren künftigen Lebenslauf entscheidend bestimmt. Personen aus ihrer Umgebung bestätigen mit Zeugenaussagen die eine oder andere Vision, die Juliane zu bestimmten Zeiten gehabt haben soll. Deswegen wird die unehelich geborene und aus ärmlichen Verhältnissen stammende Juliane im Dorf sehr schnell angefeindet, weil sie wegen ihrer religiösen Einstellung großen Einfluss in verschiedenen Familien gehabt haben soll.

Aufgrund einer ihrer Visionen bestimmt sie auch „auf höhere Fügung“ den Platz der zu erbauenden Kapelle. Sie befürwortet ferner die größere Ausführung der Kapelle und legt Wert darauf, dass sie der Gottesmutter Maria geweiht wird.

Der Bau der Kapelle ist daher nicht unumstritten. Gerüchte behaupten, die „Julianer“ – so bezeichnet man die Befürworter des Kapellenbaus – wollten in Zuwald eine Sekte gründen. Nicht das ursprüngliche Anliegen, die Einlösung eines Versprechens, sondern das Engagement der Juliane Wußler rückt in den Mittelpunkt und reizt die Widersacher des Kapellenbaus bis zur Weißglut: Das Dorf ist gespalten. Der mit allen Mitteln und heftig ausgefochtene Streit geht auch quer durch Familien.

Zelebration von Messen wird absolut untersagt

Die „Kontrahenten“ tragen Argumente zusammen und verfassen Eingaben an die Gemeindeverwaltung und den Freiburger Erzbischof Orbin. Der scheint mehr auf die Gegner zu hören und gibt seine Zustimmung, falls hier eine „Kapelle zum Zwecke des Gebets (von Privatandachten)“ errichtet werden soll. Die Zelebration von Messen ist aber – zu mindest vorerst – absolut untersagt.

Im April 1883 wird der Plan endlich genehmigt. Steine werden herangeschafft, Kapellen in der Umgebung besichtigt. Am 2. Juli 1883 wird der Grundstein gelegt. Die Arbeiten gehen sehr zügig voran, nur die „verfluchte Kilwi“, wie Juliane Wußler beklagt, bringt kurzfristige Verzögerungen. Dennoch feiert man bereits Ende September Richtfest. Im November 1883 treffen die erste Glocke und der Altar ein, der Turm ist bis dahin fertiggestellt.

Der Chor der Kapelle misst in der Länge 4 Meter, das Schiff 9,60 Meter, die Höhe erreicht 6,40 Meter, die Breite 7,70 Meter. Der Turm ist 26,80 Meter hoch. Die Kosten belaufen sich auf rund 15.000 Mark. Ausschließlich mit eigenen Mitteln bestreiten die Kapellen-Bauer die Kosten, aber nur durch beispiellosen Zusammenhalt bleibt der eine oder andere vor dem wirtschaftlichen Ruin bewahrt.

Kapelle erhält erst nur eine einfache Hausweihung

Am 26. Dezember 1883 erhält die Kapelle ausschließlich die „benedictio novae domus“, eine einfache Hauseinweihung. Und während der Gottesdienstzeiten in der Pfarrkirche muss die Zuwälder Kapelle geschlossen bleiben.

Die Weihe „benedictio orationis“, um hier auch Gottesdienste abzuhalten, erfolgt erst am 6. Mai 1895, mit der Auflage, die Genehmigung für Eucharistiefeiern in der Zuwälder Kapelle alle zwei Jahre zu erneuern. Ferner soll diese Erlaubnis nur so lange gelten, „als Juliane Wußler sich außerhalb der Pfarrei aufhält“ (diese war 1885 in die Schweiz übergesiedelt).

Die Ausmalung der Kapelle, die Lieferung des Harmoniums und die Aufstellung der Kommunionbank beenden die Arbeiten im Februar 1885. Im Jahre 1968 wird die Kapelle im Stil und dem Trend der damaligen Zeit grundlegend renoviert.

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