Die Seelsorgeeinheit Zell am Harmersbach sucht in der Pfarrgemeinde Oberharmersbach nach einem tragfähigen Konzept für das dortige Pfarrhaus. Vertreter des Pfarrgemeindesrates, des Gemeindeteams, Betroffene und deren Angehörigen sowie der Präventionsverein S.T.A.R.K. e.V. und der Arbeitskreis Pfarrhaus einigten sich auf den weiteren Prozess zur Entscheidungsfindung.
Wegen der Neuorganisation der Pfarreien in der Erzdiözese Freiburg und sich verändernden pastoralen Schwerpunkten wird das Pfarrhaus nicht mehr benötigt. Nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen erschweren eine einfache Entscheidung. Nicht minder schwer wiegt die mit Missbrauch belastete Vergangenheit des Hauses. Diese Verbrechen, über Jahrzehnten hinweg vor allem im Pfarrhaus begangen, prägen mitunter noch immer das Gemeindegeschehen, insbesondere auch deshalb, weil lange Zeit das Thema Missbrauch nicht aktiv angesprochen und aufgearbeitet wurde, wobei auch die früheren Verantwortlichen in der Erzdiözese Freiburg ihren Beitrag geleistet haben.
Im Juni 2021 waren bei einer Sitzung mit Vertretern der Kirche und dem Arbeitskreis Pfarrhaus die unterschiedlichen Auffassungen schier unversöhnlich aufeinander getroffen. Während die einen den Abriss des »Schandmals« mitten im Ort forderten, plädierten die anderen für eine Nutzung als Begegnungsstätte oder für einen Umbau, um Vereinsräume unterzubringen oder um sozialen Wohnraum zu schaffen. Die spannungsgeladene Atmosphäre gelangte erst dann in ruhigeres Fahrwasser, nachdem Diakon Matthias Hoppe Hilfe von außen über Mediatoren angeregt hatte.
Ergebnisoffener Prozess
Tobias Lang und Frank Domonell von der Unternehmensberatung »trigon« haben sich nach reiflicher Überlegung dieser Aufgabe gestellt. »Wir fällen hier keine Entscheidung, sondern begleiten Sie unabhängig«, umriss Lang die Aufgabenstellung. Man wolle hier, so ergänzte sein Kollege Domonell, Räume schaffen für vertrauensvolle Gespräche, um einen ergebnis offenen Prozess anzustoßen. Das Haus sei mit den leidvollen Erfahrungen, dem Schmerz, der Angst und der Hilflosigkeit der Opfer belastet. Deswegen sei die respektvolle Aufmerksamkeit für diesen Personenkreis vorrangig.
»Wir werden auch Entscheidungen nicht im Verborgenen treffen, sondern suchen nach der erforderlichen Vorbereitung den Dialog mit der Gemeinde, um größtmögliche Transparenz zu erreichen«, formulierte Lang. Das sei sicher ein anspruchsvoller und langwieriger Prozess, aber gemeinsam wolle man dieses Ziel bis in einem Jahr abschließen.
Rechtliche Hürden
Einfach wird das sicher nicht, denn es gilt auch rechtliche Hürden zu überwinden. »Seit den 1970er Jahren steht das jetzt 100 Jahre alte Pfarrhaus unter Denkmalschutz«, erinnerte Pfarrgemeinderatsvorsitzender Ansgar Horst hemke, und ergänzte, dass seit 2009 das Pfarrhaus als »Kulturdenkmal der Gemeinde« eingestuft sei. Ferner müssten wegen der Besitzverhältnisse (Gebäude: Kirchengemeinde; Grundstück: Pfarrpfründestiftung) weitere Institutionen einbezogen werden. Dies sei bei einer künftigen Planung immer wieder zu berücksichtigen.
Unterstützende Signale hierfür kommen derweil von der Erzdiözese, mit der die Pfarrgemeinde in ständigem Kontakt steht. »Das was für Oberharmersbach gut ist, wird mitgetragen«, zitierte Pfarrer Bonaventura Gerner die schriftliche Zusage des Erzbischofs Stephan Burger. Wie für die Mediatoren sei damit auch für die Umwidmung des Pfarrhauses die finanzielle Unterstützung zugesagt. Und selbst, wenn die Mehrheit sich für einen Abriss entscheiden sollte, würde sich der Erzbischof für eine Aufhebung des Denkmalschutzes einsetzen.
Die ganze Gemeinde ist betroffen
Die stellenweise bedrückende Atmosphäre ob der zahlreichen sexuellen Übergriffe in dem Kirchengebäude wich nach und nach einer konstruktiven und zielorientierten Zusammenarbeit. »Einfache Mehrheiten nützen hier nichts, wir brauchen eine sehr breite Zustimmung für den Vorschlag, der am Ende unseres Meinungsbildungsprozesses steht«, stellte Domonell fest. Schließlich sei das Thema größer als das Pfarrhaus und im Grunde sei die ganze Gemeinde betroffen. Daher verstehe sich eine möglichst große Beteiligung von selbst.
Für die weitere Planung wurde eine Steuerungsgruppe gebildet, die mit Unterstützung der Mediatoren Personen und Institutionen benennt, um in Format eines »Runden Tisches« die Basis für eine breitere Beteiligung zu legen. Im Verlauf des Prozesses sollen schließlich eine oder auch mehrere Bürgerversammlungen über die bisherigen Überlegungen informieren, bis dann in einem Jahr eine auf breiter Basis beruhende Entscheidung über das Pfarrhaus getroffen wird. »Dass dies ein beschwerlicher Weg ist, um möglichst viele Bürgerinnen und Bürger und vor allem Opfer für eine Beteiligung zu gewinnen, ist uns bewusst«, stellten abschließend die Mediatoren fest. Aber der Arbeitstag habe gezeigt, dass vertrauens- volle Zusammenarbeit möglich sei.