»Es sollte jeder Mensch heutzutage mitkriegen, wie ein Schwein zu sterben hat«, sagt Markus Schwarz, »damit er mehr Achtung hat vor dem Tod und vor dem Schwein und vor dem Wegschmeißen.«
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund machte er vor sieben oder acht Jahren für »Die Sendung mit der Maus« eine Führung für etwa 40 Kinder, auch im Schlachtraum: »Da habe ich die Tür zum Kühlraum aufgemacht und alle Kinder durften die darin hängende Rinderhälfte sehen, da war es mal ganz kurz ganz ruhig.«
Der auf die Fachrichtung Schlachten spezialisierte Metzgermeister ist hier auf dem Oberharmersbacher Donissi-Hof aufgewachsen, der auf eine 250-jährige Geschichte zurückblickt. Wie auf Bauernhöfen dereinst Usus, »wurden bei uns im Winter immer einige Schweine für den Eigenbedarf geschlachtet, da kam der Hausschlachter«, erzählt der 49-Jährige.
Und so, wie aus der Hausschlachtung dereinst das Metzgerhandwerk entstand, entwickelte sich auch Schwarz’ Berufswunsch – was der damalige Hausschlachter schon vorausgesehen hatte. »Weil ich immer Interesse gehabt hatte am Fleisch und am Schwein – und am Essen natürlich auch«, flachst der 106-Kilo-Mann, dem Fleisch und Wurst »einfach Spaß machen«, das Würzen inklusive.
Mit 15 Jahren begann er seine Lehre, »mit 16 Jahren hab’ ich im Nachbarhof mein erstes Schwein geschlachtet – ich hab’ zwar ’nen ganzen Tag dafür gebraucht, aber ich hab’s hingebracht«, lacht er mit leisem Stolz. Insgesamt zehn Hausschlachtungen absolvierte er in seiner Lehrzeit, immer samstags, »für ein Dankeschön oder für fünf Mark.«
»Das lernt heute keiner mehr«
Allerdings: »Das eigentliche Handwerk, wie ich es noch gelernt habe – vom Schlachten über das Zerlegen und Verarbeiten – das lernt heute keiner mehr«, betont Schwarz und bedauert die völlig entseelten Zustände in der Großindustrie. Dort werde ein Mensch an ein Band gestellt, »wo er immer dieselben Schnitte machen muss«, und bei Massenschlachtungen gebe es keine Streicheleinheiten und kein gutes Wort für die Tiere, »da geht’s nur noch zack-zack-zack. Aber wir hier auf dem Donissi-Hof, wir machen im Prinzip noch die Original-Hausschlachtung.«
Die von Schwarz verarbeiteten Schweine stammen aus Kippenheim-Weiler und damit aus nächster Nähe. »Früher kamen die Tiere ja auch aus dem nahen Umfeld«, stellt Schwarz den für ihn hohen Stellenwert der Regionalität heraus. Die von ihm verarbeiteten Rinder werden gar auf dem eigenen Hof gehalten, das erste Rind schlachtete er hier 1996. Und wo Wiederkäuer hektarweise Wiese abgrasen und somit vor Baumbewuchs schützen, sorgen sie zudem für eine offene Kulturlandschaft statt einer durchgängig dunklen Waldlandschaft.
Vor dem Schlachten begutachtet ein Tierarzt bei einer Lebendbeschau, ob die Vierbeiner gesund sind, keine für den Menschen schädlichen Krankheiten aufweisen. In einer Box werden sie dann so stressfrei wie möglich zum Schlachtraum transportiert. »Das geht vom Stall bis zur Betäubung mit dem Bolzenschussgerät keine zehn Minuten, ohne Strick und ohne fremde Hilfe«, betont Schwarz.
Mit Achtung vor dem Tier
Mit einem Schnitt durch die Kehle tritt der Tod tritt durch das Entbluten ein. Beim Schwein wird das Blut aufgefangen und gerührt, damit es nicht gerinnt, Blutwurst wird daraus entstehen. Doch auch, wenn das Tier beim Entbluten zuckt oder strampelt: »Das ist kein Ausdruck von Tierquälerei durch den Metzger«, so Schwarz, »sondern es handelt sich um körperliche Reflexe, durch die Betäubung spürt das Tier nichts. Wir quälen keine Tiere und wir schlachten sie mit Achtung«, hebt der Fleischer mit großem Nachdruck hervor, Massenschlachtung lehnt er ebenso rigoros ab wie Massentierhaltung.
Direkt nach der Schlachtung erfolgt die Fleischbeschau durch den Tierarzt. Ein Schwein wird dann in der Brühwanne mit 80 Grad heißem Wasser gebrüht, die Haare werden abgeschabt. Anschließend wird es halbiert, Schulter und Hals werden herausgetrennt, der Bauch und der Rücken, die einzelnen Teilstücke werden ausgebeint und zerlegt. Der Schinken wird in eine Wanne gelegt, wird zugeschnitten und gesalzen, dann kommt der Bauchspeck dazu. Schweinerücken, Hals, Filet und Schweineschulter wandern zum Verkauf in den vor zehn Jahren eröffneten Hofladen.
Während die mageren Abschnitte für die zunächst getrocknete und dann geräucherte Bauernbratwurst verwendet werden, kommen Schwarten, Kopf, Innereien und Fettabschnitte vorwiegend für – ebenfalls geräucherte – Blut- und Leberwurst zum Einsatz.
Abgefüllt wird die Wurst mithilfe einer Wurstspritze. Die erste seines Lebens schenkte Schwarz dereinst die Oma, da war er im zweiten Lehrjahr. Zwar nutzt er diese Spritze nicht mehr, hält sie jedoch hoch in Ehren: Ein Sechs-Kilo-Gerät, dessen Kurbel von Hand gedreht werden musste, um beispielsweise Bratwurst in Schweinedärme zu füllen. Im laufenden Betrieb ist es längst einer elektronisch gesteuerten 30-Liter-Maschine mit Hydraulik gewichen.
Viele Veränderungen
Auch sonst hat sich viel verändert auf dem Donissi-Hof, für die Zukunft sieht der Familienvater seinen gemeinsam mit Ehefrau Marlis geführten Betrieb bestens gerüstet: Wo sich früher der Misthaufen befand, ist ein blitzsauberer Schlachtraum entstanden, dem sich Zerlege- und Kühlraum anschließen. Und wo einst der Schweinestall war, verströmt heute eine hochmoderne Räucherkammer ihren unvergleichlichen Duft.
»Bei einer Hausschlachtung wird das Schwein an einem Tag komplett verarbeitet«, erklärt der Metzgermeister. Besonders für die Bratwurst sei die Warmfleischverarbeitung sehr wichtig. Und auch für den Schwarzwälder Schinken sei es besser, wenn er noch warm gesalzen wird – das erspart Zusatzstoffe zur Haltbarmachung. Während in der Großindustrie ein Schinken nicht länger als zwei bis drei Wochen getrocknet und geräuchert werde, »braucht er bei uns ein halbes Jahr, bis er so weit ist, dass wir ihn verkaufen.«
»Reich werden wir damit nicht, aber das wollen wir auch gar nicht«, sagt der Mann, der mit innerem Reichtum angefüllt zu sein scheint. Und der sich über die neue Spülmaschine freut, „damit es diejenigen, die im Laden arbeiten, einfacher haben.“ So, wie auch sonst immer wieder investiert werden muss. Schon alleine, um der ständig steigenden Flut an Vorschriften gerecht werden zu können.
Handwerk
Das Handwerk des Fleischers respektive Metzgers geht bis auf die Wurst herstellenden Gallier zurück. Mit der Konzentration auf wenige Schlachtstätten hat sich das Berufsbild in den vergangenen Jahren erheblich gewandelt, an die Stelle des Schlachtens ist die Veredelung von Fleisch getreten: Die noch bis in die 1970er Jahre übliche schlachtwarme Verarbeitung von Fleisch für die Herstellung von Brühwurst ist daher kaum noch möglich.