»Der Danielenhof war damals einer der ersten Betriebe, zu denen ich zur Milchkontrolle gekommen bin«, erinnert sich Franz Huber. Gemeinsam mit seiner Frau Anneliese sowie Oberharmersbachs Bürgermeister Richard Weith sitzt er am großen Tisch in der Stube der Familie Birk.
Die hatte am vergangenen Donnerstagabend zu einer Jubiläumsfeier im corona-konformen kleinen Kreis eingeladen, als Dankeschön an Franz Huber und seine ihn unterstützende Gemahlin. Seit sage und schreibe 65 Jahren kontrolliert der 1933 Geborene regelmäßig die Milch dieses Hofes, der rund zwei Kilometer außerhalb des Dorfkerns in idyllischer Höhe liegt, seit 1828 existiert und noch immer im Haupterwerb betrieben wird. Was Hofbauer Andreas Birk und Hofbäuerin Karin Birk dank unterschiedlicher Standbeine gelingt. Eines von ihnen: die arbeitsintensive Milchwirtschaft.
Das, was die Euter von derzeit 36 Milchkühen – die überdies zur Offenhaltung der Landschaft beitragen – hier tagtäglich hergeben, unterzieht Franz Huber einmal im Monat einer Prüfung. Und zwar im Namen des LKV, des Landesverbandes Baden-Württemberg für Leistungs- und Qualitätsprüfungen in der Tierzucht. Eine der Aufgaben dieses eingetragenen Vereins mit seiner in Stuttgart befindlichen Geschäftsstelle besteht in der sogenannten Milchleistungsprüfung.
»Fast schon familiär«
»In den 25 Jahren, seit ich hier eingeheiratet hab’, war nur zweimal jemand anderes als der Franz gekommen, und das aus gesundheitlichen Gründen«, unterstreicht Hofbäuerin Karin Birk die unbedingte Zuverlässigkeit des Milchkontrolleurs, der aus Gengenbach-Reichenbach stammt und in Unterentersbach wohnt.
Man duzt sich, natürlich. Den heutigen Hofbauern kennt Franz Huber von klein auf, »mit seiner Mutter war die Beziehung schon fast familiär.« Sogar beim Kirschenpflücken hatte er damals geholfen, »gemeinsam mit weiteren zehn bis 15 Personen aus dem Dorf« – noch heute stellt die Obstbrennerei eines der Standbeine des seit 1828 existierenden Danielhofs dar.
Ebenso wie die Forstwirtschaft. »Der Großvater vom heutigen Hofbauern, der war mehr Wald- als Viehbauer«, weiß Franz Huber aus eigenem Erleben, »aber die Bäuerin damals, die Paulina, die hatte den Stall bestens im Griff.« In der folgenden Generation sei das ähnlich gewesen. Und auch jetzt, zum Dritten, sei es wieder die Bäuerin, die melkt, »das ist eine der Besonderheiten des Danielenhofs.«
Wobei die nächste Generation schon lange in den Startlöchern steht, mit dem einundzwanzigjährigen Florian, dem zweitältesten der vier Birk’schen Söhne: Der gelernte Melktechniker wird den Hof einmal übernehmen, das wollte er schon als Kind. »Er war nicht im Kindergarten«, schmunzelt Mutter Birk, »er wollte lieber auf dem Hof helfen – in der Schule war er dann trotzdem gut.« Milchkontrolleur Huber wiederum ergänzt: »Als sechsjähriger Bub hatte der Florian schon alle der damals 35 Kühe namentlich gekannt und mir die Namen genannt, wenn ich meine Melkkontrollzettel ausfüllte.«
Ausnahme Oberharmersbach
Insgesamt 450 Kühe unterlagen anfangs Franz Hubers Zuständigkeit, »daraus wurden dann 1400 Kühe in 90 bis 100 Betrieben«, vor allem im Kinzig- und Harmersbachtal. Der auf einem Winzerhof Aufgewachsene und ursprünglich zum Küfer Ausgebildete hatte 1955 »auf Tierzucht umgeschult«, ist neben der Milchkontrolle auch in der Zucht- und Betriebsberatung zugange. Als er das offizielle Rentenalter erreichte, wurde sein Zuständigkeitsgebiet zwar auf die Kollegen aufgeteilt, doch man bat ihn um weiterhin praktische Unterstützung. Inzwischen hat der rüstige Senior und passionierte Wanderer sein Pensum auf zwölf Höfe im Harmersbach- und Entersbachtal reduziert.
»Oberharmersbach stellt hier in der Region eine Ausnahme dar, was die Zahl der Milchbetriebe betrifft«, erläutert er mit einem Glückwunsch an Bürgermeister Richard Weith, »in Biberach zum Beispiel gab es mal viel Viehzucht, aber auch da hat der Letzte jetzt aufgehört.«
Von jeder einzelnen Kuh überprüft Franz Huber nach wie vor die mengenmäßige Milchleistung und nimmt Proben zur Feststellung von Keim- und Zellzahlen sowie von Milchinhaltsstoffen wie Fett, Eiweiß und Lactose. Die Flaschen mit den Proben leitet Franz Huber weiter zu einer Sammelstelle, von dort aus geht es zum Untersuchungslabor in Künzelsau.
Die Ergebnisse werden dem Bauern mitgeteilt und helfen ihm beim Herdenmanagement. Das erklärt, warum stolze 86 Prozent des baden-württembergischen Milchkuhbestandes unter Milchleistungsprüfung stehen – freiwillig. »Die Milchkontrolle war nur bis nach dem Krieg Pflicht«, weiß der langgediente LKV-Mann und betont, dass sich seit einigen Jahren mit einer extra Probe sogar die Trächtigkeit einer Kuh feststellen lasse.
Per Mofa oder zu Fuß
Immer wieder stellt Bürgermeister Weith dem inhaltlich bestens vorbereiteten Jubilar hoch interessante Fragen. Will unter anderem wissen, wie er denn früher die langen Wege bewerkstelligt habe. »Anfangs bin ich immer mit dem Motorroller gekommen«, lautet die Antwort, »ich wundere mich, wie ich die Probenflaschen damals transportiert hab’«. Eine Aktentasche mit einem Drahteinsatz für 20 Flaschen diente diesem Zweck, »das hat immer gereicht, die Betriebe waren viel kleiner.« Heutzutage hingegen füllen die noch von ihm betreuten zwölf Höfe alleine sieben bis acht Kisten.
Bei einem Unfall zu Bruch gegangen ist Franz Huber nie etwas. Und das, obwohl die Straßenverhältnisse gerade im Hinterland früher sehr schlecht waren, besonders im Winter. »Deshalb habe ich auf einigen Höfen übernachten dürfen«, erinnert sich der Milchkontrolleur, denn seine Tätigkeit ist stets zweimal hintereinander vonnöten: am Abend und am darauffolgenden Morgen. Oftmals, wenn er in die Höhe musste und die Straße sehr glatt war, ließ er sein Zweirad unten stehen und lief zu Fuß zu dem jeweiligen Hof hinauf.
Umso angenehmer, wenn ihn an seinem Einsatzort ein familiäres Entgegenkommen erwartet, wie auf dem Danielhof. »Bei meinem 50-jährigen Jubiläum hat jemand ausgerechnet, dass ich da schon über 6.000 Mal hier oben auf den Hof gekommen war«, lacht der Unermüdliche. So kommt es nicht von ungefähr, dass ihm die »Besonderheiten« des Danielhofs am Herzen liegen. Schließlich ist der Betrieb eines von zwei hiesigen Mitgliedern im Zuchtverband und seine Tiere »haben am laufenden Band große Preise auf Zuchtschauen geholt.«
Die Pflicht hält fit
Überdies zähle er zu den »hoch effizienten« Zuchtbetrieben, weil Hofbauer Andreas Birk »ein Stück weit selbst Tierarzt ist, dank entsprechender Schulung selbst besamen kann.« Das Ergebnis dieses großen Vorteils: Lediglich sechs Wochen vor dem Kalben werden die Mutterkühe trockengestellt, bevor sie wieder Milch geben. »Diese Zeit zählt zu den Spitzenzeiten«, freut sich Franz Huber.
Als Milchkontrolleur weitermachen will der überaus vital wirkende 88-Jährige, solange es ihm gesundheitlich gut geht »und die Betriebe es möchten.« Denn zum einen bereitet ihm diese Tätigkeit noch immer Freude. Und zum anderen: »Wenn man jeden Tag eine Pflicht hat, für die man raus muss, auch wenn man mal nicht will – das hält auf Trab.«
Bürgermeister Richard Weith und die Familie Birk bedankten sich bei Franz und Anneliese Huber mit jeweils einem Geschenkkorb. Bei einem üppigen Vesper klang der Abend aus.