Nach 30 Jahren steht für die Miliz- und Trachtenkapelle ein Dirigentenwechsel an. Siegfried Rappenecker, der auf das zweitlängste Dirigat bei den Oberharmersbacher Musikern zurückblicken kann, übergibt zum Jahresende den Taktstock an seinen Nachfolger Rüdiger Müller.




»Nach diesen erfolgreichen Jahren sollte man den Zeitpunkt erkennen, um auch erfolgreich von der Bühne zu gehen«, begründet Siegfried Rappenecker seine Entscheidung für den anstehenden Wechsel. Und es mangelt ihm tatsächlich nicht an musikalischen Erfolgen in den vergangenen Jahrzehnten. Eine ganze Wand beanspruchen die Urkunden und Auszeichnungen, die sich das Oberharmersbacher Blasorchester erspielt hat, ein gerüttelt Maß davon unter der Stabführung ihres langjährigen Dirigenten.
Höchstes Prädikat
Zum Ende seines intensiven Engagements mit der Oberharmersbacher Kapelle gelang ihm bei den Weltmusikfestspielen in Kerkrade – man spricht auch von der »Musikolympiade« – ein fulminantes Finale: 86,83 Punkte. Dieses höchste jemals von den Oberharmersbacher Musikern erspielte Prädikat wertet die Sammlung der zwei Silber- und drei Goldmedaillen aus Kerkrade entscheidend auf.
»Das war schon ein schöner gemeinsamer Erfolg« gibt der 56-jährige Dirigent die Auszeichnung an seine Kapelle weiter. »Fördern und Fordern« war die Maxime des Kapellmeisters, wozu vor allem eine solide Jungmusikerausbildung zählte. Und dann immer wieder Proben, insbesondere vor Konzerten. Zwei bis dreimal in der Woche, zusätzliche Einzelproben, aber dadurch war die Qualitätsteigerung erst möglich, die der Miliz- und Trachtenkapelle durchweg ausgezeichnete Referenzen ausstellt, und ob in Tracht oder Ausgehuniform: zusätzlich steht sie mit ihren Auftritten jeweils für eine ausgezeichnete Außendarstellung.
Immer wieder ließ sich die Miliz- und Trachtenkapelle bei Wettbewerben mit anderen messen. 1997 holte sie im Wiesental beim Bundesmusikfest den 1. Preis mit Auszeichnung und 2015 in Karlsruhe erspielte sich die Kapelle unter den hochkarätigen Mitbewerbern einen dritten Platz. Beim »Flicorno d’Oro« erspielte er sich 2016 in Riva del Garda mit der Jugendkapelle einen 2. Platz.
Männerdomäne durchbrochen
»Solche Erfolge sind nur mit engagierten Musikerinnen und Musikern möglich«, weiß Rappenecker, kennt aber auch die Probleme mit »nur bedingt motivierten Mitstreitern«. Apropos Musikerinnen. Es war ein langer Weg, bis 2002 die Männerdomäne durchbrochen war und das zarte Geschlecht musikalisch eine gute Figur abgab. Natürlich sei die Fluktuation wegen Schule und Beruf manchmal ein Problem. »Aber die Damen haben unsere Flöten- und Klarinettenregister aufgewertet«, lobt der Dirigent den Frauenanteil in der Kapelle. Als er seine Tätigkeit in Oberharmersbach begann, zählte die Kapelle 63 Musiker. Nach mehr als einer Generation und einem zwischenzeitlichen Höchststand von nahezu 90 Instrumentalisten gehören 77 Musiker und Musikerinnen zum festen Stamm des Orchesters.
Um die Zukunft der Miliz- und Trachtenkapelle und deren Leistungsstand ist ihm nicht bange. »Ich habe von meinem Vorgänger Hubert Fritsch ein solides Orchester übernommen und für meinen Nachfolger gut vorgearbeitet«, gibt sich der scheidende Dirigent zuversichtlich. Es würden wohl andere Akzente gesetzt. Unter seiner Regie hat sich die Kapelle stilistisch weiter entwickelt. »So wird auch mein Nachfolger Rüdiger Müller seine Akzente setzen«, ist sich Rappenecker sicher.
Über seinen Abschied hat Siegfried Rappenecker länger als ein Jahr lang nachgedacht, es war keine spontane Entscheidung. »Ich bereue meine Schritte nicht, weder den vor 30 Jahren, die Kapelle zu übernehmen, noch den, zum jetzigen Zeitpunkt aufzuhören« ist er mit sich im Reinen. Und er würde wieder das Engagement in Oberharmersbach übernehmen.
Trachtenuniform mit Stolz getragen
»Die Trachtenuniform habe ich stets mit Stolz getragen«, erinnert er sich an seine Auftritte. Und eine Uniform sollte getragen werden und nicht im Schrank hängen. So hat sie auch in der Stunde seines Abschieds Symbolwert: Seine Trachtenuniform hat er schon abgegeben. Siegfried Rappenecker, Jahrgang 1962, studierte nach bestandener Eignungsprüfung an der Musikhochschule Karlsruhe. Als Diplomorchestermusiker (Trompete) spielte er zwei Jahre beim Heeresmusikkorps in Koblenz und in der badischen Staatskapelle Karlsruhe. Anschließend dirigierte er die Kapellen in Kippenheimweiler und Niederschopfheim. Über den Kontakt von Helmut Dold (damaliger Ausbilder) fand er 1987 den Weg zur Jungmusikerausbildung nach Oberharmersbach und anderthalb Jahre später übernahm Siegfried Rappenecker nach Gesprächen mit dem damaligen Dirigenten Hubert Fritsch und einem Vordirigat, ab 1.1.1989 die Miliz- und Trachtenkapelle.
In den folgenden Jahren dirigierte er neben verschiedenen Musikvereinen auch diverse Projekt- und Auswahlorchester. Seit 2001 ist er im Bund Deutscher Blasmusikverbände als Bundesjugendleiter und ab 2010 als Bundesmusikdirektor aktiv. Getreu seines Credos »man lernt nie aus« absolvierte er von 2014 bis 2018 ein Studium »Blasorchesterleitung«, das er mit dem Musikkorps der Bundeswehr im Januar 2018 und dem Prädikat »summa cum laude« abschloss. Nach der »Ära Oberharmersbach« wird es ihm sicher nicht langweilig werden. »Ich habe noch einige Pläne, von denen sich bereits einige in den Startlöchern befinden«, weiß er. Sicher ist jedoch, dass er die Stadtmusik Elzach und die Winzerkapelle Oberbergen dirigieren wird.