Ein Fernsehbericht über die Orgelbauwerkstatt Winterhalter weckte die Aufmerksamkeit der Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Petra Olschowski. Zusammen mit dem Landtagsabgeordneten Thomas Marwein vom Bündnis 90/Die Grünen informierte sie sich vor Ort über die Herausforderungen im Orgelbau, der inzwischen zum Weltkulturerbe zählt.
Die Orgelbauwerkstatt wurde 1955 von Franz Winterhalter gegründet. Aus bescheidenen Anfängen heraus wuchs ein Betrieb, dem ein hervorragender Ruf vorauseilt. Sein ältester Sohn Claudius übernahm 1985 die Werkstatt, die inzwischen zu den renommiertesten Orgelbaubetrieben in Deutschland gehört. Mehr als einmal ließ er mit seinen unkonventionellen und gewagten, aber immer auch überzeugenden Lösungsansätzen die Fachwelt aufhorchen. Zu seinen über 70 Orgeln – jede ein Kunstwerk für sich – zählt unter anderem die gelungene Erneuerung der Orgel in der berühmten Wieskirche im Allgäu, die symphonische Konstanzer Konzilsorgel und die jüngst fertig gestellte »Doppel-Orgel« in Gelnhausen. Mit der 17 Tonnen schweren, auf Luftkissen fahrbaren Orgel-Skulptur in der Alpirsbacher Klosterkirche hat er mit seiner Mannschaft ein weltweit einmaliges Meisterstück fertiggestellt. »Gerade bei dieser Orgel spürten wir viel Gegenwind,« erinnert Claudius Winterhalter an die Genehmigungsphase des spektakulären Instruments, das manche für eine »Schnapsidee« hielten. Nach Information der »Staatlichen Schlösser und Gärten« hat sich der Besucherstrom seit der Fertigstellung 2008 mehr als verdoppelt.
Komplexe Arbeit
Der Rundgang durch die Werkstatt zeigte den Besuchern aus Stuttgart, welche Komplexität die »Königin der Instrumente« von der ersten Idee bis zum Einspielen im Kirchenraum einnimmt. Bis zu 80.000 Teile müssen hergestellt werden und perfekt zusammenpassen. Die Materialien umfassen eine ganze Bandbreite: Aus mindestens fünf verschiedenen einheimischen Hölzern entstehen Gehäuse, Windladen, Pfeifen und feinste Trakturteile. Dazu werden unterschiedlich legierte Zinnpfeifen und diverse Metalle wie Messing, Edelstähle und schwarz geschmiedetes Eisen, Leder vom Hirsch, Elch und Schaf verwendet. »Dann kommt es darauf an, mit hochmotivierten Mitarbeitern ein Topergebnis zu erzielen,« lobt Winterhalter seine Mannschaft. Nicht nur die Komponenten der Orgel, auch die Menschen in
der Werkstatt müssten harmonisieren. Jeder habe seinen Fertigungsschwerpunkt. Und es sei nicht einfach, in jüngster Zeit geeignete Nachwuchskräfte zu finden. Man beobachte einen latenten Mangel an Begabung und Veranlagung für die vielschichtige Ausbildung »Wir haben aktuell wieder eine Auszubildende, die zu uns passt,« gibt er sich zuversichtlich.
Atmungsqualität entscheidet
Einige fertig gestellte Blasbälge in der Montagehalle führen zu einem der wichtigsten Bestandteile der Winterhalter-Instrumente. Es geht trotz vieler technischer Finessen vor allem um den Klang. »Orgeln sind große Blasinstrumente die ihren speziellen Sound auch von der
Lebendigkeit und Atmungsqualität der Windanlage beziehen,« erklärt er das speziell entwickelte Windsystem. Dieser klangliche »Winderkennungseffekt« gehöre zur Handschrift der Winterhalter-Orgeln, die zusammen mit den zeitgenössischen Prospekt-Entwürfen eine gewisse Unverwechselbarkeit schaffe.
Bis zu 40 Parameter hat eine Orgelpfeife, unterschiedliche Größen von mehreren Metern Länge bis gerade einmal vier Millimeter.
Aufmerksam verfolgten Petra Olschowski und Thomas Marwein die Arbeit des Intonateurs Alois Schwingshandl. Ein außergewöhnliches Gehör und geschickte Hände sind gefragt, um den Pfeifen den richtigen Ton zu entlocken. Bruchteile von Millimeter entscheiden darüber. Seine Arbeit kommt zur vollen Entfaltung, wenn die Orgel schließlich im Kirchenraum aufgebaut ist und er den spezifischen Klangcharakter der Orgel mit der Akustik des Raumes zu einem harmonischen Ganzen verbindet. »Und dann fasziniert jede Orgel aufs Neue,« zeigt sich Winterhalter nach über 40 Berufsjahren noch immer begeistert.
»Wir erleben einen Wandel,« gibt Claudius Winterhalter mit Blick auf zurückgehende Kirchenbesucher zu bedenken. Der Beruf des Orgelbauers werde sicher nicht museal, aber der Wettbewerb werde in Deutschland härter. Und er flachst: »Ich hoffe immer noch, dass der Islam sich jetzt mal mit den Thema Orgel beschäftigt.«
Zum Abschied verabredete er sich mit seinen beeindruckten Gästen zum großen Jubiläums-Konzert mit Chor und Streichorchester am 2. Dezember in Alpirsbach.