»Wir müssen Kinder und Jugendliche so weit stärken, dass sie nicht Opfer von Missbrauch werden können«, betont Mathilde Zimmermann, Vorsitzende des S.t.a.r.k! e.V.. Der organisiert einen vielseitigen Aktionstag unter dem Motto »Mut macht stark«.


Hier oben auf dem Gorgisenberg, wo Mathilde Zimmermann mit ihrer Familie zuhause ist, umgeben von nichts als Wald und Wiese und mit einem traumhaften Blick hinunter ins Tal – hier oben ist die Welt für Kinder in Ordnung. Andernorts jedoch ist das unter Umständen nicht der Fall, täglich kommen hierzulande 40 Missbrauchsfälle zur Anzeige, als noch wesentlich höher wird die Dunkelziffer eingeschätzt. Deswegen sitzt die »Stark«-Vorsitzende mit einer Gleichgesinnten an einem großen Tisch im Wintergarten, gemeinsam malen die beiden ein weißes X nach dem anderen. Denn dieses wichtige Erkennungszeichen fehlt auf dem grünen Untergrund des Vereinslogos – ausgerechnet auf dem frisch gedruckten Flyer für den im Juli stattfindenden großen »Kindermutmachtag«. Doch wozu gibt es weißen Edding, Augenmaß und eine ruhige Hand – die beiden Frauen lassen sich nicht entmutigen. Weder davon, noch von der Tatsache, dass bislang »kaum ein Verein bei uns in der Region ein vernünftiges Schutzkonzept gegen den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hat«, so Mathilde Zimmermann. Obwohl ein 2015 in Kraft getretenes Bundesgesetz genau dies vorschreibt.
Diesbezüglich hat »Stark« im letzten Jahr die regionalen Vereine daher vermehrt angesprochen. Allenfalls die Feuerwehren verfügten über ein solches Schutzkonzept, weil sie vom übergeordneten Verband dazu verpflichtet worden seien, so Mathilde Zimmermann. Die Präventionsbeauftragte des Jugendamtes Ortenaukreis habe ihr dazu jedoch gesagt, dass viele der Feuerwehr-Ortsvereine nicht wirklich wüssten, was sie mit der Schutzvereinbarung tatsächlich unterschrieben.
Schutzkonzepte müssen gelebt werden
Die »Stark«-Frau stellt klar: »Es bringt mir nichts, wenn ich als Verein ein Schutzkonzept habe und das nicht lebe.« Obwohl es zur Einführung des Gesetzes eine damals sehr gut besuchte Info- und Beratungsveranstaltung gegeben und »Stark« selbst zwei weitere Veranstaltungen im kleineren Rahmen durchgeführt hatte. »Und zweimal sind wir direkt jeweils in einem Verein gewesen, um das Ganze vorzustellen. Aber es ist nichts passiert«, bedauert die hoch Engagierte, »in einem Verein muss wohl erst etwas passieren, damit etwas getan wird.«
Ihre Befürchtung kommt nicht von ungefähr, ist der vor fünf Jahren gegründete und inzwischen 60 Mitglieder zählende »Stark« doch bereits von einem Verein bei einem akuten Fall um Unterstützung gebeten worden. »Gott sei Dank ist nichts Schlimmeres passiert, aber es gab Auffälligkeiten«, erzählt Mathilde Zimmermann, von der entsprechenden Person habe sich der betroffene Verein dann schnell trennen können.
»Stark« ließ nicht locker und wirkte bei einem erneuten Treffen auf Oberharmersbacher Vereinsvorstände mit der Bitte ein, ein Schutzkonzept wirklich aktiv zu leben, Kinder und Eltern einzubinden und zu informieren. Woraufhin die Vorstände vorschlugen, etwas gemeinsam zu machen, es brauche ja nicht jeder Verein »sein eigenes Süppchen zu kochen.«
Gesagt getan, sollte man meinen. »Stark«, der sich als Veranstalter anbot, schrieb alle 152 Vereine in Biberach, Nordrach, Oberharmersbach und Zell an. Von ganzen 30 kam eine Reaktion. Und von diesen erklärten sich lediglich sechs zur Teilnahme am Kindermutmachtag bereit. Doch auch hier ließen sich die Stark-Verantwortlichen nicht entmutigen: »Weil wir schon angefangen hatten und uns die Sache wichtig ist, veranstalten wir diesen Tag trotzdem«, unterstreichen sie. »Wir möchten, dass die Kinder an diesem Tag die Möglichkeit haben, sich in irgendeiner Form zu stärken.« Damit sie nicht Opfer werden können. Damit sie anderen ganz klar ihre Grenzen aufzeigen können, sich wehren und dies auch ausstrahlen können. Denn: Starke Kinder sind schwere Opfer.
Zielgruppe: auch Jugendliche!
Ausdrücklich auch Jugendliche will »Stark« ansprechen. In der Pubertät kenne man seine Grenzen oft überhaupt noch nicht, erläutert die Vorsitzende, weil sich viele eben dieser Grenzen im Entstehungsprozess befänden. »Heute darf mich vielleicht noch ein Trainer im Turnen anfassen«, führt sie aus, »morgen mag ich das aber nicht mehr und kann das aber unter Umständen nicht ausdrücken.«
Stärken können Kinder und Jugendliche sich beispielsweise, indem sie beim Kistenstapeln womöglich über sich hinauswachsen. Unter der Anleitung eines geschulten Kletterexperten und mit Klettergeschirr gesichert – es kann also nichts passieren. Und es werden Therapiehunde vor Ort sein. »Die sind es gewohnt, auch mal falsch angefasst zu werden«, erläutert Mathilde Zimmermann, »damit sich das eine oder andere Kind, das sonst vor Hunden und oder Tieren generell Scheu hat, herantraut. Ein als Therapiepferd geschultes Pony wird ebenfalls Kontakt zu Kindern knüpfen, sogar einige Alpakas werden vielleicht auf der Wiese neben der Halle stehen.
Dazu gibt es Spaß mit dem Jugendrotkreuz, dessen Einsatzwagen man von innen anschauen kann. Wasserspiele mit der Feuerwehr sowie Kinderschminken stehen ebenso auf dem Programm wie das Bemalen von Kieselsteinen, damit die jungen Besucher von diesem Tag etwas mit nach Hause nehmen können. Überdies können sie an einem Rätsel teilnehmen, das sie durch die einzelnen Aktionen und Programmpunkte führt, »und die Eltern hoffentlich hinterher«, lacht Mathilde Zimmermann.
Denn es geht nicht nur um ein vielfältiges Mitmachangebot für Kinder und Jugendliche, das überdies durch Musik und Bewirtung ergänzt wird: Die Veranstalter möchten Eltern, Vereinsvorständen und allen, die für Kinder und Jugendliche verantwortlich sind, in verschiedensten Richtungen zeigen, »was man machen kann, um sie zu stärken, ihnen Mut zu machen.«
Dazu werden Ansprechpartner von sieben Institutionen an Infoständen Rede und Antwort stehen: Aufschrei!, das Jugendamt Ortenaukreis, das MUT-Zentrum, das KUMU-Team für effektive Gewaltprävention, die Prävention in der Erzdiözese Freiburg, der Weiße Ring, die Abteilung Prävention der Polizei.
Infos zur Veranstaltung
Der »Kindermutmachtag« in und um die Reichstalhalle Oberharmersbach findet statt am Sonntag, den 8. Juli, von 11 Uhr bis 17 Uhr. Weitere Infos auf www.stark-ev.info.