Am 15. Oktober 2017 wurde Richard Weith im ersten Wahlgang mit 65,40 Prozent der Stimmen von den Oberharmersbachern zum Bürgermeister gewählt. Am 2. Januar war sein erster Arbeitstag. Seither sind 100 Kalendertage vergangen; Anlass, um im Gespräch mit unserem Mitarbeiter Karl-August Lehmann eine kurze Bilanz zu ziehen.
Karl-August Lehmann: Herr Weith, wie haben Sie die ersten 100 Tage erlebt?
Richard Weith: Oberharmersbach ist für mich ja kein gänzliches Neuland. Ich war dort schon mehrere Jahre als Rechnungsamtsleiter tätig und daher waren mir viele Menschen, sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch Einwohnerinnen und Einwohner, immer noch bekannt und vertraut. Das hat den Einstieg wesentlich erleichtert. Da ich in den letzten Jahren berufsbedingt unzählige Verwaltungen im Land kennen gelernt habe, konnte ich auf diesen Erfahrungen aufbauen. Ich habe versucht, die anstehenden Aufgaben nach Dringlichkeit anzugehen, so haben wir beispielsweise in der Wasserversorgung bereits ein ganzes »Maßnahmenpaket« in Gang gesetzt. Auch was die städtebauliche Sanierungsmaßnahme »Ortsmitte« angeht, möchte ich nun zeitnah umsetzen, was vom Gemeinderat beschlossen und den Förderbehörden gegenüber signalisiert wurde. Als Grundlage hierfür haben wir den Haushaltsplan unter Hochdruck erstellt und noch fristgerecht verabschiedet. Darauf, in den ersten 100 Tagen mit den Brückenschäden konfrontiert zu werden, hätte ich allerdings verzichten können.
Da war sicher mal eine kurze Verschnaufpause angesagt.
Allerdings, ich hatte in der Woche vor Ostern ein paar Tage Urlaub. Da der Terminkalender ansonsten weitgehend den Takt vorgibt, verzichtete ich für die Feiertage auf eine Planung.
Sie sagten bei Ihrer Amtseinführung, Sie seien auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Hat der noch an Fahrt gewonnen?
Aus meiner Sicht schon. Ich bin bemüht, zusammen mit meinem Team von Rathaus, Bauhof und Tourist-Info sowie den Waldarbeitern die anstehenden Maßnahmen und laufenden Projekte zügig umzusetzen. Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen bremsen den Zug manchmal, aber die Herausforderung, den Zug dann wieder zu beschleunigen, macht das Amt des Bürgermeisters auch reizvoll.
Welche positiven Erlebnisse hatten Sie und welche Erwartungen wurden enttäuscht?
Es hat mich besonders gefreut, dass ich mit meiner Familie bislang überall herzlich empfangen wurde. Beim Besuch zahlreicher Veranstaltungen, Feste und Vereinsversammlungen, auch bereits vor meinem Amtsantritt am 1. Januar 2018, ergaben sich schon viele nette Begegnungen. Auch bei meiner Kollegin Daniela Paletta sowie meinen Kollegen Günter Pfundstein und Carsten Erhardt möchte ich mich ausdrücklich für die herzliche Aufnahme im Kreis der Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft bedanken. Richtige Enttäuschungen sind bislang ausgeblieben. Aber Enttäuschungen sind ja unerfüllte Erwartungen. Und als Bürgermeister tut man heutzutage gut daran, diese nicht allzu hoch anzusetzen.
Welche Ziele haben Sie für die nächste Zeit ins Auge gefasst?
Es gibt kurzfristige Ziele und Aufgaben. Hierzu gehört beispielsweise die Umsetzung der laufenden Bau- und Sanierungsmaßnahmen, aber auch grundlegende organisatorische Regelungen in der Verwaltung, die noch zu treffen sind. Wir arbeiten auch an langfristigen, strategischen Zielen, zum Beispiel was die Ortsentwicklung und den Tourismus angeht. In diesen und anderen Bereichen müssen wir uns zukunftsfähig aufstellen. Hier möchte ich aber keine »Schnellschüsse« machen, sondern nachhaltige Lösungen ausarbeiten, möglichst gemeinsam mit der Einwohnerschaft.
Wo wollen beziehungsweise können Sie zuerst anpacken, was muss zurückstehen?
Wir haben im infrastrukturellen Bereich, das heißt bei Straßen, Brücken und gegebenenfalls den leitungsgebundenen Einrichtungen Einiges an Nachholbedarf. Die Werthaltigkeit und Notwendigkeit des Wohngebäudebestands muss auf den Prüfstand. Dies sind Pflichtaufgaben der Gemeinde, die nicht vernachlässigt werden sollten. Ich arbeite gerne strukturiert und nicht nach Tageslaune, deswegen dauert es bei dem einen oder anderen Problembereich vielleicht etwas länger, bis Lösungsvarianten vorliegen. Insoweit bitte ich auch jene um Verständnis, die bereits nach zweieinhalb Monaten Amtszeit eine Einwohnerversammlung anfragten. Manches ist noch nicht spruchreif, so zum Beispiel die Gewährung von Zuweisungen und Zuschüssen für die Ortsmitte oder das Volumen der auf uns zukommenden Sanierungs- beziehungsweise Erneuerungsaufwendungen für die Brücken und Durchlässe, beim Breitbandausbau sind noch manche Fragen zu klären und so weiter. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, so früh eine Einwohnerversammlung abzuhalten und dort maßgebliche Informationen nicht liefern zu können.
Das gibt wohl der finanzielle Spielraum vor.
Richtig, und der ist bekanntermaßen denkbar knapp. Unvorhergesehene Maßnahmen, wie zum Beispiel die notwendige Sanierung der beschädigten Brücken, führen zu einer weiteren Anspannung der finanziellen Lage. Wir müssen und können derzeit nur auf Sicht fahren und sollten weitere finanzielle Schwerpunkte dabei mit Bedacht setzen.
Entscheidend wird hier die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat sein. Wie hat sich hier die »Atmosphäre« entwickelt?
Den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten möchte ich ein großes Lob aussprechen! Ich habe die Beratungen in den von mir geleiteten Gemeinderatssitzungen bisher als sachlich und konstruktiv wahrgenommen. Aufgrund der allseits bekannten Vorgeschichte ist das keine Selbstverständlichkeit. Ich denke allen ist bewusst, dass wir in einer kleinen Gemeinde im ländlichen Raum keine andere Wahl haben, als an einem, und zwar am selben Strang zu ziehen.
Haben Sie ein »Erfolgskonzept« für die bisherige gute Zusammenarbeit?
Ich setze auf Kooperation, das heißt auch auf Zuhören. Die Tür zu meinem Büro steht meistens offen. Mir liegt an einer ergebnisoffenen Beratung, die in eine für die Gemeinde positive Entscheidung mündet. Dazu gehört auch Transparenz und der Bürger will das wohl auch so, wie die bisherigen Besucherzahlen in den Sitzungen zeigen. Es wäre schon ein Erfolg, wenn dieses Interesse an den Sitzungen anhielte und die Bürgerinnen und Bürger sich auch mit ihren Anliegen ernst genommen sehen, oder selbst mit ihren Überlegungen etwas angestoßen haben.
Der Tourismus ist für Oberharmersbach sehr wichtig. Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen?
Hier gibt es meines Erachtens keine schnelle Lösung. Im Wahlkampf habe ich eine langfristig ausgerichtete Tourismusstrategie mit Schwerpunkt Ortsentwicklung gefordert. Daran werden wir arbeiten. Ich hoffe, dass uns die tatsächliche Entwicklung nicht überrollt. Auch hier sind wir alle gefordert, und ich hoffe auf die Mitarbeit der Bevölkerung, die ich bei passenden Aufgaben und Projekten einbinden möchte. Doch sind hier zunächst verwaltungsintern Vorarbeiten zu leisten.
Wo sehen Sie Oberharmersbach in einem Jahr
Alles, was jetzt bereits angestoßen ist, muss zu Ende gebracht werden. Man wird in einem Jahr hier sicherlich Ergebnisse sehen können. Jetzt schon zu große Hoffnungen zu wecken oder Versprechungen zu machen, die man zum Beispiel wegen unvorhergesehener Ereignisse oder fehlender finanzieller Mittel nicht umsetzen kann, wäre doch vermessen. Darauf habe ich bereits im Wahlkampf bewusst verzichtet!





