Lösung: Ausnahmsweise geht es heute um ein Motiv außerhalb der Oberharmerbacher Gemarkung, aber immer noch auf dem Boden des ehemaligen Reichstals. Anlass ist die alljährlich stattfindende Gelöbniswallfahrt. Wir bewegen uns deshalb talabwärts, wie es seit Jahrhunderten auch ein Anliegen der Wallfahrer aus dem Harmersbachtal ist.
Diese Ansicht der Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten« (aufgenommen um 1900) bot sich den Pilgern aus Nah und Fern nach 1740 (bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts). Damals vereinbarten der Zeller Magistrat und der Gengenbacher Abt, die Kapelle zu erweitern, um der stetig wachsenden Zahl von Wallfahrern Rechnung zu tragen. Die Zeller begannen jedoch mit den Bauarbeiten, ohne die Meinung des hochwohllöblichen Rats im Reichstal Harmersbach abzuwarten.
Erneut waren deswegen die Beziehungen zwischen Stadt und Tal bis zum Zerreißen gespannt. Die Rechtsgelehrten rieben sich einmal mehr die Hände, denn ganz und gar nicht christlich lagen sich die beiden Kontrahenten fast schon in gewohnter Manier in den Haaren. Ein kostspieliger Prozess wurde angestoßen.
Den Stein des Anstoßes im wahrsten Sinne des Wortes sieht man vorne links vor der Kapelle: der Bannstein. Er markierte die Grenze zwischen Reichstal und Reichsstadt. Ferner war das Untertal – und damit auch das Areal der Wallfahrtskirche – Bestandteil des Kirchspiels Zell.
Und den damit verbundenen Wirrwarr von Kompetenzen – rechtlich, politisch, wirtschaftlich, religiös – galt es zu entflechten. Schließlich einigte man sich auf ein Querschiff, um eben besagte Gemarkungsgrenze nicht zu berühren. Das Reichstal Harmersbach zeigte sich versöhnlich und gab ein Stück der Allmende außerhalb der Einfriedung der Kapelle zur Bebauung frei.
Damit war an dieser »Front« Ruhe eingekehrt. Aber nur hier, denn Ansätze für Streit gab es auch weiterhin. Zum einen ging es um die Kapellenwirtschaft, denn die Wallfahrt war damals schon ein Wirtschaftsfaktor, zum anderen um die Rechtshoheit, beispielsweise wegen der Aburteilung möglicher »Kapellendiebe«. Und um den Zellern einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, ließ der Harmersbacher Rat im Jahre 1741 hinter der Wallfahrtskirche ein Kreuz errichten mit der eindeutigen (und nicht minder eindeutig zu hoch gegriffenen) Inschrift, dass man hier auf dem Territorium des »freien und unmittelbaren Reichstals Harmersbach« stünde.
Erst 1910/11 war dieser ätzende Konflikt vergessen und mit der neuerlichen Erweiterung – was auch dem heutigen Stand der Wallfahrtskirche entspricht – sprang man über die Gemarkungsgrenze. Und über den eigenen Schatten.