Der über sechs Tonnen schwere Altarstein bestimmte seit der Kirchenrenovation 1968/69 das Bild der Apsis in der Pfarrkirche »St. Gallus«. Jetzt wurde er zerlegt. Aus einem größeren Teilstück modelliert der Merdinger Künstler und Bildhauer Alois Landmann einen Gedenkstein.





»Das ist schon heftig, was hier umgestaltet wird«, meinte ein Betroffener von damals, als er die Baustelle in der Pfarrkirche vom Hauptportal aus kurz in Augenschein nimmt. Es sei längst überfällig, so meint er nachdenklich, dass sich hier etwas verändere. Schemenhaft sieht er durch den Staubschleier den Altarraum, nichts ist mehr so wie es damals war, als auch hier nur kurze Zeit nach der Neugestaltung des sakralen Raumes sexuelle Übergriffe über Jahre hinweg stattgefunden haben. Der wuchtige Koloss aus Blaubank-Muschelkalk war deswegen schon seit längerem zu einem Stein des Anstoßes geworden. Jetzt ist der Chor leergeräumt, man kann nur noch ahnen, wo der Altar stand. Anstelle des Tabernakels klafft eine weiße Lücke in der kunstvoll ausgemalten Rundung der Apsis.
Am 9. November 1969 hatte der damalige Erzbischof Hermann Schäufele den Hochaltar in der neu gestalteten Kirche in feierlicher Weise konsekriert und Reliquien der heiligen Märtyrer Justus und Probus darin eingeschlossen. Justus, der Gerechte, und Probus, der Anständige und Rechtschaffene – Eigenschaften, die den ungeheuerlichen Erlebnissen hohnsprechen, die manche hier erleiden mussten.
So ist es nur allzu verständlich, dass der Altarstein keine schlimmen Erinnerungen mehr wecken soll.
Reliquien wurden gesichert
Patric Kienzler, beim laufenden Umbau für die Natursteinarbeiten zuständig, geht anfangs ganz behutsam vor, um das »Grab«, wie man die Stätte der Reliquien im Altar auch bezeichnet, zu öffnen. Mit einem kleinen Winkelschleifer trennt er die Fuge auf, die die Nische umschließt. Schon damals war wohl der Mörtel gut angemacht, denn es bedarf schließlich doch einiger kräftiger Schläge, um die Platte abheben zu können. Vorsichtig nimmt Gemeindereferentin Judith Müller das kleine weiße Bündel mit dem erzbischöflichen Siegel entgegen, um es bis zur Wiederverwendung sicher im Tresor zu verwahren.
Sebastian Benning von der Firma Diamantbohr fährt etwas schwereres Gerät auf. Eine Seilsäge wird den Block zerlegen: Dreimal senkrecht, das verbleibende Drittel einmal horizontal. Die Löcher für das Einführen des Seils sind an den vorgesehenen Stellen gebohrt. Stromkabel, Hydraulik- und Wasserschläuche werden verlegt, um die Steinsäge für den Einsatz vorzubereiten.
Blaubank-Muschelkalk wird zertrennt
Umlenkrollen straffen das in sich gedrehte und mit Diamanten besetzte Seil. Sebastian Benning reguliert mit der Hydraulik die Laufgeschwindigkeit des rundum laufenden Seils, je nach Härte des Gesteins. Die vor rund 235 Millionen Jahren in einem Meer im fränkischen Kirchheim südlich von Würzburg abgelagerten Sedimente wurden im Laufe der Erdgeschichte durch Druck immer mehr verfestigt. So sind auch die unterschiedlich harten Partien in diesem Blaubank-Muschelkalk entstanden.
Aber das ein Zentimeter starke Seil sucht seinen Weg. Millimeter für Millimeter kommt es voran, auf der »Zugseite« schneller als auf der »Schlackerseite«. Eine gelblich-graue Schlämme mit dem Abrieb, nach dem Trocknen alles durchdringender feiner Staub hinterlassend, zerfließt auf dem Boden. Nach rund einer Stunde ist der erste Schnitt mit rund einem Quadratmeter geschafft.
Die Einzelteile werden nochmals zerkleinert und nach und nach abtransportiert. Patric Kienzler und Martin Jilg bleibt es vorbehalten, das letzte große Stück mit einem Flaschenzug so zu verlagern, dass es ohne Beschädigung zum Künstler transportiert werden kann. Noch einmal sind Verstand und Kraft gefordert, um den Klotz mit rund anderthalb Tonnen anzuheben und zum bereitstehenden Lastwagen vor der Kirche zu schaffen.