In der Oberharmersbacher Pfarrkirche »St. Gallus« stehen größere Umbauarbeiten an. Die Kirche wird an das Fernwärmenetz angeschlossen, die aus den 1960er-Jahren stammende Elektroinstallation komplett erneuert. Wie am Donnerstagabend die Pfarrgemeinde die Bevölkerung weiter informierte, erfährt der Altarraum eine grundlegende Veränderung.
Pfarrrer Bonaventura Gerner begründete die Neugestaltung des Chorraumes. Eine Kirche müsse nicht nur schön anzusehen sein, man müsse sie mit Leben füllen und Möglichkeiten für Begegnungen schaffen. »Wir wollen nicht ständig wachrütteln, aber auch nicht vergessen« betonte er die Verantwortung für die noch immer nicht bewältigte Thematik des vielfältigen Missbrauchs in der Gemeinde. Wegen der anfallenden Sanierungsarbeiten habe Freiburg nach einer längeren Denkpause signalisiert, sich an den Kosten der Neugestaltung des Altarraumes zu beteiligen.
»Hinter diesem Altar haben sexuelle Übergriffe stattgefunden« erinnerte Gemeindereferentin Judith Müller an die belastenden Erinnerungen der Betroffenen, denn trotz ihrer schlimmen Erlebnisse fänden noch immer Missbrauchsopfer den Weg in die Kirche. Man müsse von etwa 120 Missbrauchsopfern in rund 25 Jahren ausgehen. »Die Umgestaltung ist ein nicht zu diskutierendes Muss«, wurde Müller deutlich. Man könne die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, aber man müsse unbelastete Räume schaffen. Sie appellierte an die rund 80 Besucher der Informationsveranstaltung, diese Baumaßnahmen konstruktiv zu begleiten und dies auch so weiter zu geben.
Pfarrgemeinderat und Stiftungsrat hätten den Handlungsbedarf erkannt. Bereits 2011 sei man mit diesem dringenden Anliegen in Freiburg vorstellig geworden. Projekte wie Neuanschaffung der Messgewänder und Präventionsprojekte hätten Unterstützung erfahren, über weitere Maßnahmen seien die zwischenzeitlich abgebrochenen Gespräche erst unter dem neuen Erzbischof Stephan Burger wieder in Gang gekommen.
Michael Wieseler, Architekt bei der Erzdiözese Freiburg, erläuterte den Neubau der Heizung. Unter anderem mache dies die Größe des Raumes erforderlich. Damit sei künftig eine gleichmäßige Verteilung der Wärme möglich. Ein glimpflich verlaufener Brand an einem Strahler über der Empore habe ferner gezeigt, dass die Elektroinstallation dringend erneuert werden müsse.
Beim Ideenwettbewerb für die Neugestaltung des Chores erhielt der Merdinger Bildhauer Alois Landmann den Zuschlag. Ansatzpunkt für seine Überlegung sei die großräumige Kirche gewesen. Der Chorraum solle künftig die einzelnen Architekturelemente der Kirche verbinden und eine signifikante Gestaltung zeigen, die es nur hier gebe. Mit »Präsenz und Transparenz« brachte der Künstler seinen Entwurf auf den Punkt. Die Neugestaltung soll es der Gemeinde ermöglichen, auf die Vorkommnisse einzugehen.
Bisher war der Altarraum durch Stufen zerstückelt. Diese Absätze um den Altar verschwinden, drei Steinplatten auf drei Pfeilern bilden den neuen Altar, der zusammen mit den bestehenden Stufen zum Kirchenschiff hin nach vorne rückt. Hier in der Apsis stehen künftig Tabernakel und Taufbecken frei. Der Boden wird mit Sandstein ausgelegt. Ambo, Altar, Taufbecken und Tabernakel sowie die Sedilien werden in Kalkstein gehalten. Die Ausmalung der Apsis bleibt unverändert, das vorhandene Kreuz wird in eine große weiße Fläche eingebunden, die beiden Altarflügel finden an den Seitenwänden der Apsis einen neuen Platz. »So erhalten wir einen Raum, in dem wir auch in kleineren Gruppen rund um den Altar Taufe oder Gottesdienste feiern können«, ergänzte Pfarrer Gerner.
Durchaus kontrovers wurde über die künftige Gestaltung und die Notwendigkeit dieser Baumaßnahme im Chor diskutiert. Hier wurde deutlich, dass das Tabuthema Missbrauch keineswegs aufgearbeitet ist. Ob diese Maßnahme denn so in dem Umfang erforderlich sei, wurde hinterfragt. Und ob ein solcher Umbau auch mit dem Thema Missbrauch verbunden werden müsse. Da würden immer wieder alte Wunden aufgerissen. »Was nicht verheilt ist, kann nicht aufgerissen werden« zitierte Judith Müller die Mutter eines Betroffenen.
Gertrud Wangler von der Verrechnungsstelle Lahr der Erzdiözese Freiburg erläuterte das finanzielle Volumen der drei Baumaßnahmen. Die Kosten für den Umbau der Heizung werden auf 213.000 Euro veranschlagt, wobei die Erzdiözese Freiburg sich mit 50 Prozent beteiligt. Die Neugestaltung des Chorraums einschließlich der Elektroinstallation in der Pfarrkirche belaufen sich auf 380.000 Euro, von denen Freiburg 90 Prozent übernimmt.
Nach dem Weißen Sonntag wird die Kirche wegen des Umbaus der Heizung für ca. sechs Wochen gesperrt. Danach sind im Kirchenschiff wieder Gottesdienste möglich, der Umbau des Altarraums dauert etwas länger, »wenn es gut geht, bis Weihnachten«, wagte Architekt Michael Wieseler eine vorsichtige Prognose.