Eine Lesung der besonderen Art mit Hugo Rendler, Jürgen Heider und der Harfenistin Annemarie Weinzierl. Mit langanhaltendem Applaus dankte das Publikum für einen eindrücklichen Abend.
Auf dem Weg vom Parkplatz hierher habe ich das Rauschen eines Baches gehört“, leitet Hugo Rendler die Veranstaltung ein, „da war mir klar, was ich lesen werde.“ Es war die Nordrach gewesen, die ihn am vergangenen Freitagabend inspiriert hatte. Denn was der Schriftsteller und hoch arrivierte Autor auch von Theaterstücken sowie prämierten Hörspielen in erster Linie las, waren Passagen aus seinem Roman „Zeit der kurzen Hosen“.
Geschichten aus Düllenbach
„Aus 400 Seiten das jeweils Passende herauszusuchen ist nicht so einfach“, erklärte der 67-Jährige, lag mit den von ihm Ausgewählten dann aber goldrichtig. Passagen, die von dem Leben dreier neun- beziehungsweise zehnjährigen Buben in Düllenbach erzählen – einem fiktiven Dorf, das im tief ländlichen und somit auch durchaus derben Überall und Nirgendwo des Schwarzwalds der 1960er Jahre liegt.
Sprachlich leichtfüßig, wie spielerisch und doch detailgenau und obendrein kunstvoll gewebt fächert der erwachsene Erzähler einstmals als Kind Erlebtes auf. Mal mit liebevollem Augenzwinkern, mal mit schonungsloser Komik. Wie beispielsweise den scharf riechenden Urin der krummen Euphemia betreffend. Denn so, wie in Düllenbach die Küche immer zum Bach hin ging, tat es auch das Abwasserrohr.
Vorsicht: Regen aus China!
Folglich landeten die Ausscheidungen der krummen Euphemia in der Dülle, wurden von ihr in den nächsten Fluss und von dort immer weiter bis schließlich ins Meer getragen. Protagonist Biffi und seine Freunde Joschi und Kurti wenden ihr frisch erworbenes Schulwissen konsequent weiter an: Aus dem Meerwasser bilden sich Wolken, in denen sich folglich auch die Seiche der krummen Euphemia befindet. Über China, stellen die Buben sich vor, regnen diese Wolken ab, und damit auch … na was wohl!
Dann aber kommt den gewitzten Knaben der Gedanke, dass es sich umgekehrt so auch mit den flüssigen Hinterlassenschaften Chinas verhalten dürfte, die konsequenterweise dann über Düllenbach abregnen. Das dämpft die kindliche Schadenfreude einerseits erheblich, führt andererseits jedoch zu der Erkenntnis, dass diese Umkehr des Geschehens nur gerecht ist.
Eiskalt den Rücken hinunter lief es den Zuhörern, als sie Zeugen des von den Jungs stets gefürchteten Frisörbesuchs wurden – erzählt der Veteran den ihm und seinen furchterregenden Werkzeugen Ausgelieferten doch auf schauerlichste Weise von seinen Kriegserlebnissen. Für Lachsalven wiederum sorgte beispielsweise das kuriose Drama, das sich aus der Idee der drei Grundschuljungs entwickelte, den mit allen Wassern gewaschenen fünfjährigen Bubi als Eistester auf den zugefrorenen See zu schicken.
Vortragskünstler
„Zeit der kurzen Hosen“ zu lesen, ist vergnüglich. Sie aber aus Rendlers Mund zu hören, ist ein Erlebnis für sich. Dafür sorgt dessen sonore Radiostimme ebenso wie sein Talent für unterschiedliche Zungenschläge. Eine andere Schaffensseite zeigte er mit einer fein-schmunzligen „Morgengeschichte“ in schönstem Alemannisch – über 400 davon hat er für den Schweizer Hörfunk verfasst und selbst eingesprochen.
Wunderbare Atmosphäre
Tief berührend dann eine der weiteren Facetten des gelernten Krankenpflegers sowie studierten Mathematikers und Philosophen – als Dichter und Inklusion-Betreibender. Seinen körperlich und sprachlich gehandicapten Dichterkollegen Jürgen Heider hatte er daher mitgebracht. Der las ein bewegendes Gedicht, das sein Freund eigens für ihn verfasst hatte. Eine Leistung, für die Heider kräftigen Sonderapplaus erhielt.
Für eine besonders stimmungsvolle musikalische Umrahmung sorgte Annemarie Weinzierl aus Oberharmersbach mit ihrer Konzertharfe und sommerlich-beschwingten Klängen. Die vom Tourismusbüro mit kreativer Liebe zum Detail gezauberte Dekoration tat ihr Übriges.
Das Publikum war begeistert von der ursprünglich im Bürgerpark geplanten und wegen des Wetters in den Bürgersaal verlegten Veranstaltung. „Wenn diejenigen, die nicht hier gewesen sind, wüssten, was ihnen entgangen ist, würden sie sich ganz schön ärgern“, meinte jemand aus dem rund 30-köpfigen Publikum.