Was für das familiäre Zusammenleben gilt, trifft auch auf die LandFrauen-Gemeinschaft zu – Julia Vollmer ist Landfrau aus Überzeugung.
Am 5. Juli werden die Landfrauen des Ortsvereins Entersbach Gastgeber im Dorfgemeinschaftshaus Unterentersbach sein, wenn der LandFrauen-Bezirk Haslach „50 Jahre LandFrauen im Kinzigtal“ feiert: Der Ortsverein Haslach wurde vor exakt einem halben Jahrhundert gegründet. Seine Mitglieder kamen ursprünglich unter anderem auch aus Entersbach, Nordrach, Prinzbach, Unter-u. und Oberharmersbach. Mit einigen Vertretern dieser heutigen Ortsvereine unterhalten wir uns in einer vierteiligen Serie, heute in Teil drei: Julia Vollmer aus Nordrach.
„Die Landfrauen kenne ich schon immer“, erzählt Julia Vollmer, „meine Mama ist auch Landfrau mit Leib und Seele“ Auf einem 300-Einwohner-Dorf „hinter Stuttgart“ ist die Zweiundvierzigjährige aufgewachsen und 2002 nach Nordrach gekommen. „Davor war ich in noch keinem Verein“, sagt sie, „aber wenn ich einem Verein beitreten würde, dann wären es die LandFrauen. Das war für mich so klar, dass ich das hier in Nordrach dann auch gemacht habe.“ Im Jahr 2012 war das.
Ihr Beruf als Diätassistentin hat sie hierher verschlagen. Geblieben ist sie ob der vielen Freunde, die sie hier kennengelernt hat, und weil sie das Landleben von Kind auf kennt und liebt. Zu alledem schlug 2009 das Liebesglück zu, in Form ihres heutigen Mannes, so kam sie vor zehn Jahren auf den Vollmer´schen Hof auf dem Hutmacherdobel. Auch Schwiegermama Margarete ist eine engagierte LandFrau.
Im Ortsverein Nordrach ist Julia Vollmer von Anfang an auch gleich im Vorstand tätig gewesen, als Beisitzerin, „weil ich gleich bei der nächsten anstehenden Wahl gefragt wurde, ob ich das machen würde.“ Bei der jüngsten Vorstandswahl im vergangenen März nahm sie das Amt der zweiten Vorsitzenden an. „Mir ist es einfach wichtig, dass der Verein weitergeht, es geht um Frauen und um das Leben auf dem Land. Jetzt im März war es mir deshalb ein Bedürfnis, dieses Amt zu übernehmen und darin Zeit zu investieren“, betont sie, trotz dreier Kinder im Alter von acht bis drei Jahren, Berufstätigkeit und Nebenerwerbslandwirtschaft.
Hinzu kommt ein Ferienhaus. „Hier ist der Parkplatz für die Zwillingsmama Julia“, bedeutet ein liebevoll gestaltetes Holzschild an der Vorderseite des Wirtschaftsgebäudes den Feriengästen des Hofes, „die Maxi-Cosis sind ja ganz schön schwer“, lacht die zierliche inzwischen Dreifach-Mama dazu, „da brauchte ich den Platz möglichst nah am Hauseingang.“
Nicht selbstverständlich
Fünf Hektar umfasst die Liegenschaft teils in Steilhanglage: Streuobstwiese und Weide, dazu ein Nutzgarten, letztes Jahr ging der Hof auf die junge Familie über. „Meine Schwiegereltern wohnen ja auch mit hier im Haus, und die sind natürlich eine große Stütze, ohne die beiden wäre das für meinen Mann und mich schwierig. Ohne Oma und Opa ginge es gar nicht. Das heißt, es ginge schon, aber unter anderen Bedingungen.“ Früher half sie den Schwiegereltern bei den Ferienwohnungen, „denn zum Betreiben einer Ferienwohnung gehört ja noch viel mehr dazu als jeweils An- und Abreise“, und ihr Mann half bei der Arbeit auf dem Hof. Jetzt geht das alles umgekehrt: „Das ist ja auch schön, so ein ständig wechselndes Geben und Nehmen.“ Dass das so gut funktioniere, sei nicht selbstverständlich, betont Julia Vollmer mit Nachdruck, das müsse man sich immer vor Augen halten.
Wer sie auf Landfrauen-Versammlungen erlebt, dem fällt ihr sehr geübtes und strukturiertes Sprechen auf. „Es macht mir auch sehr viel Spaß“, lacht sie, „auch im Job – dort halte ich Vorträge und mache Schulungen, seit 22 Jahren bin ich das Sprechen vor anderen Leuten gewohnt“, schmunzelt sie, „das macht mir gar nix aus, ich liebe es!“ Umso mehr, als sich ihr Beruf, ihr Einsatz für die Landfrauen und das Leben auf dem Land sehr gut miteinander verbinde, wegen des Themas Lebensmittel: „Es liegt mir ja sehr am Herzen, dass die Menschen sich gut und gesund ernähren.“
Da trifft es sich bestens, dass Ernährung und Gesundheit zu den offiziellen Betätigungsfeldern der LandFrauen gehören. Hinzu kommt der regionale Aspekt, „also das zu bewerben, was wir hier in der Region anbauen und das weiterzutragen, das kann ich natürlich auch in meinem Beruf machen“, freut sich die Ernährungsbewusste.
Ernährung und Gesundheit
Der weitläufige Nutzgarten auf dem Hof dient daher so weit es geht der Selbstversorgung, „Wir bauen Gemüse an, dazu kommen Obstbäume und auch Beeren – das ist so ein typischer Bauerngarten. Die Kinder helfen im Garten, sie kennen auch die Kräuter, die wissen Bescheid.“
Dazu stehen neun Fleischrinder derzeit auf der Weide, alle zwei Jahre verlassen sie den Hof. Je nach Wetterlage sind sie ab Oktober/ November im Stall, wo dann morgens und abends die Fütterung ansteht, sowie zwischendurch mal schauen, den Stall ausmisten, „das machen mein Mann und mein Schwiegerpapa“, berichtet Julia Vollmer, „und die Kinder helfen auch mit, die sind über den Winter jeden Abend mit im Stall.“
Im Frühjahr müssen die Weidenzäune und –pfähle gerichtet werden. Wenn die Kühe dann rauskommen – dieses Jahr war es im April, „lässt man sie von Weide zu Weide.“ Nun gilt es regelmäßig zu kontrollieren, ob die Tränkebecken in Ordnung sind und sich im Bach genügend Wasser befindet. „Im Sommer hatten wir wegen des Klimawandels in den letzten Jahren schon öfter das Problem, dass unser Bach ausgetrocknet war.“ In solchen Fällen muss eine Wasserstelle gerichtet werden. „Mein Schwiegervater hat gesagt: Früher hat er es nie erlebt, dass der Bach ausgetrocknet war.“
Haben die Rinder eine Weide abgegrast, wird diese ausgemäht, damit es sauber aussieht und damit alle Kräuter und Unkräuter, die die Tiere nicht fressen, ebenfalls abgemäht sind. Je nach Steillage wird das mit der Mähmaschine oder mit der Motorsense per Hand gemacht. Das Schnittgut wird den Vierbeinern zwar als Futter vorgesetzt, „aber das, was sie auf der Weide nicht gefressen haben, das sortieren sie mit der Zunge auch aus dem Schnittgut aus“, schmunzelt Julia Vollmer, „die schmecken das. Gerade die wunderschönen Margeriten, die bei uns wachsen, schmecken den Kühen nicht“, erklärt sie in liebevoll-ironischem „Ete-petete-Tonfall.
Kein Gezicke
Zusätzlich muss das Jakobs-Kreuzkraut per Hand aus den Weiden gestochen werden, damit von dem für Kühe und Pferde tödlichen Gewächs bloß nichts im Heu-Silo landet. Nur in frischer, gelb blühender Form frisst ein Rind das Kraut nicht, „das sortieren sie aus, aber im Heu können sie es nicht mehr sortieren.“
Die Kinder bekommen das Landleben natürlich tagtäglich mit, erzählt Mama Julia, „auch wenn es Probleme gibt“: Wenn beispielsweise das Wasser fehlt oder wenn das Futter knapp wird, weil es zu trocken ist – oder dass es andersherum zu nass ist, so dass der Schlepper nicht auf die Weide fahren kann, weil er am Hang abrutschen würde. Bei den achtjährigen Zwillingen kommt das Landleben auch in der Schule zum Tragen. Im ersten Schuljahr, als es für die einzelnen Buchstaben Wörter zu finden galt, „sind wir alle Kräuter und Obstbaumarten und so weiter durchgegangen“, schmunzelt Julia Vollmer.
An den LandFrauen gefällt ihr, dass es ein reiner Frauenverein ist – also von Frauen für Frauen. Weil die Themen, für man sich interessiere, die gleichen seien, „dadurch ist das Untereinander so schön – und das geht jetzt überhaupt nicht gegen Männer! Die Gemeinschaft ist toll, es ist immer schön unter Frauen und bei uns gibt es kein Gezicke!“ Auch schätzt sie es, dass alle Altersklassen vertreten sind, „und auch berufsmäßig sind wir ziemlich gut durchgemischt.“ Zudem erhalte man viele Ideen und Tipps, auch dank der Erfahrungen der Älteren. „Außerdem finde ich es toll, wenn Frauen etwas erreichen. Ich habe allen Respekt vor dem, was Frauen schon auf die Beine gestellt haben und finde es toll, was man alles erreichen kann, wenn man zusammenhält.“
Leidenschaftliches Plädoyer
Als praktisch empfindet Julia Vollmer, dass es nicht jede Woche Treffen gebe, zu denen hinzugehen man verpflichtet sei. „Wir machen zwar viele Veranstaltungen, die finden aber nicht immer an bestimmten Tagen oder regelmäßig einmal in der Woche statt. Dadurch ist man als Landfrau vom Zeitmanagement her ein bisschen flexibler.“ Auch sie selbst beteiligt sich an der Gestaltung des Programms, führt Koch- und Backkurse durch.
Und dann hält sie ein leidenschaftliches Plädoyer für die LandFrauen als Institution: „Man kann Landfrau sein nicht nur, wenn man schon etwas älter ist, sondern auch, wenn man jung ist oder schon eine Familie mit kleinen Kindern hat. Außerdem sind die LandFrauen generell und auch die Landfrauen im Nordracher Ortsverein nicht nur für Frauen von einem landwirtschaftlichen Hof da, sondern generell für die Frauen vom Land und im Dorf“, betont Julia Vollmer.
Und sie fährt fort: Es geht unter anderem darum, dass man versucht, die Bedingungen für Frauen auf dem Dorf einfacher zu machen. Und der Verband setzt sich ja auch politisch stark für die Frauen auf dem Land ein – seien es zum Beispiel die Rentenpunkte für die Frauen. Auch meine eigene Mama profitiert davon– das haben die Landfrauen durchgesetzt, dass generell Frauen über die Mütterrente besser berentet werden. Auch um die Kinderbetreuung kümmert sich der LandFrauen-Verband unter anderem. Dass er solche Themen auf den Tisch bringt und unterstützt, finde ich wichtig.“