Auf dem meerumspülten Land am südlichen Rand von Europa spüre man bereits den Atem Afrikas, meinen manche Zeitgenossen, wenn sie von der zweitgrößten Insel im Mittelmeer sprechen. Die Römer nannten die ihnen verschlossene Welt „Barbaria“ und in den Medien war bis vor wenigen Jahren noch von der „Banditeninsel“ die Rede.
Die 37 Teilnehmer der „Pfingstfahrt“ des Kath. Bildungswerks konnten sich ein eigenes Bild machen von den vielgestaltigen Landschaften mit Korkeichenwäldern, Schopflavendel, Thymian, Rosmarin und Ginster entlang der Reiserouten. Nicht zu vergessen die kulturellen Sehenswürdigkeiten und die historischen Attraktionen. Die einwöchige Reise, die rund um die Insel führte, war Pandemie-bedingt zweimal verschoben und von Busunternehmer Bruno Meßmer und Herbert Vollmer für 2023 aktualisiert worden.
Bei Temperaturen zwischen 18 und 23° C, einem angenehmen Klima und fehlendem Sommertrubel bereitete sogar das anspruchsvolle Besichtigungsprogramm großes Vergnügen. Wo immer man Halt machte, gab es Zeit zum Durchatmen und die Einladung „piano, piano, erst mal ’n Espresso“.
Da Bruno Meßmer dieses Mal nicht an der Reise teilnehmen konnte, saß Robert, einer seiner besten Fahrer, am Steuer. Durch die Schweiz und Norditalien erreichte man bereits am Nachmittag Genua. Zeit genug für einen Stadtrundgang, bevor man sich auf die Fähre begab. Die nächtliche Überfahrt war unruhig, aber frühmorgens legte das Schiff pünktlich im Hafen von Porto Torres an.
Stolz und Unabhängigkeit
Im Hafengebiet kam Sergio – Markenzeichen Schiebermütze – an Bord des Meßmer-Busses und begleitete die Gruppe bis zum Ende der Reise. Ein Glücksgriff, wie sich erweisen sollte, denn Sergio spricht perfekt Deutsch und verfügt über ein geradezu enzyklopädisches Wissen auf allen Gebieten.
In Wolfsburg als Kind sardischer Gastarbeiter geboren, arbeitete er nach der Realschule und einer Lehre bei VW und holte auf dem 2. Bildungsweg das Abitur nach. Doch es zog ihn in die Heimat seiner Vorfahren, wo er seither als Reiseleiter, Wanderführer und Bergretter tätig ist.
Geistreich, mitunter ironisch-provokant und mit einem nicht ganz uneitlen Understatement informierte und unterhielt Sergio die Busgesellschaft auf das Beste. Um die Sarden und ihre Insel verstehen zu können, müsse man nur einen althergebrachten Spruch beherzigen: „Wer über’s Meer kommt, will uns berauben“. Diese Mischung aus Skepsis und Stolz prägt die Einheimischen bis heute.
Beim Rundgang durch Sassari, mit 130‘000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Sardiniens nach Cagliari, wurde vielerorts das Streben der Menschen nach Unabhängigkeit deutlich. Am Palazzo della Provinzia erinnern eindrucksvolle Fresken daran. Der Palazzo d’Ursini gehört zu den wenigen erhaltenen Renaissancebauten. An der von modernen Gebäuden umgebenen Piazza Castello erinnert nur noch der Name an das Kastell aus dem 14. Jahrhundert. Die reich verzierte Barockfassade des Doms San Nicola bot ein willkommenes Fotomotiv.
Geheimnisse der Nuraghen
Wie sehr Glaube und Brauchtum die Eigenart der sardischen Seele bestimmen, erfuhr man im neu gestalteten Museo Nazionale Sanna. Sergio erläuterte anhand bedeutender archäologischer Funde die Geschichte der Insel und ihrer Bewohner von der Jungsteinzeit bis zum Hochmittelalter.
Einzigartig ist die so genannte Nuraghenkultur. Vom Ursprung des Volkes weiß man wenig, aber ihre Baukunst lässt sich mit der zeitgleich bestehenden Pyramidenarchitektur der Ägypter vergleichen: Kegelförmige, gewaltige Steintürme – die Nuraghen – finden sich mehr oder weniger gut erhalten über die ganze Insel verstreut. Viele tausend Jahre boten diese Nuraghen den Hirten und Siedlern Schutz, erklärte Sergio. Heute sind sie die Wahrzeichen Sardiniens.
Am Nachmittag konnten sich die Besucher selbst ein Bild der komplexen Anlage bei der Nuraghe Palmavera machen. Neben einem geschätzt 800 Jahre alten Mastixbaum erheben sich zwei Steintürme, um die sich die Fundamente von etwa fünfzig Rundhütten gruppieren. Nur einen Katzensprung entfernt vom Compleso Nuragico liegt Alghero, „die spanische Stadt“. Dort wurde das Hotel für die erste Nacht auf sardischem Boden bezogen.
Katalanisches Erbe und Korallen
Mit Alghero lernte man eine der ungewöhnlichsten Städte Sardiniens kennen. Von den Genuesern gegründet, kam sie ab 1353 in aragonisch-katalanische Hand. Noch heute wird in der „spanischen Stadt“ eine katalanische Mundart gesprochen und die Straßenschilder sind zweisprachig.
Das nicht besonders große, autofreie historische Zentrum ließ sich in einer Stunde gut erkunden: romantische malerische Gassen, die man durch die auf einem Plateau gelegene Bastione de la Maddalena betrat. Viele Sarden halten Alghero für die schönste Stadt der Insel, meinte Sergio und die blumengeschmückte Piazza Civica mit den schönen Palazzi ringsum bestätigte das durchaus. Ebenso die kleine Kirche San Francesco mit herrlichem Sternengewölbe und Marmoraltar. Da sich nur wenige Touristen darin aufhielten, konnte der romanische Sandstein-Kreuzgang mit seinen 22 Säulen ausgiebig besichtigt werden. Wenige Schritte entfernt vom Kirchlein zog die Kathedrale Santa Maria mit ihrem markant achteckigen Glockenturm die Blicke der Betrachter auf sich.
Überall in den Geschäften und Schaufenstern lockte Korallenschmuck die Fußgänger und Flaneure. Die meisten dieser Korallen stammen allerdings aus chinesischer Produktion. Sardische Korallen dürfen nur in streng reglementierten zertifizierten Läden angeboten werden, erklärte Sergio.
Der Mittagstisch war an diesem Tag für die gesamte Gruppe in der traditionellen Trattoria ‚Posada del Mare‘ bereitet. Bei einem Drei-Gänge-Menü nach sardischem Hausrezept und mit Weinverkostung konnte man sich nachhaltig stärken.
In der „Neptun-Grotte“
Weiter ging es vom Hafen mit dem Ausflugsboot auf eine einstündige Überfahrt zum Cappo Caccia. Dort liegt auf Höhe des Meeresspiegels an den steilen Felsklippen der Eingang zur Grotta di Nettuno, einer Tropfsteinhöhle.
Der Übergang vom Boot in den dämmrigen Höhleneingang war eine wacklige Angelegenheit. Unmittelbar dahinter stieß man verwundert auf einen grünlich funkelnden See. Im Gänsemarsch ging es durch die bizarre Welt der Kristalle und Tropfsteine. Von der Decke in einem mächtigen Gewölbe hingen lange verästelte Fäden herab. Man meinte in den exzentrischen Gebilden Tiergestalten und Märchenfiguren zu erkennen. „Unser sardisches Fantasialand“, schmunzelte Reiseleiter Sergio.
Wieder zurück im Hafen von Alghero chauffierte Robert die Gruppe mit dem Bus zum Hotel, wobei man die vielen Eindrücke des Tages genüsslich Revue passieren ließ.
Von Bosa zur Halbinsel Sinis
Von der nördlichen Region Gallura entlang der Westküste in die Provinzen Planargia und Arborea hatte Robert mit dem Bus eine kurvenreiche Strecke durch eine schroffe und fast menschenleere Landschaft zu bewältigen. Die touristisch aufstrebende Stadt Bosa liegt an der Flussmündung des Temo, der einzigen schiffbaren Wasser straße Sardiniens.
Zunächst wirkte der Ort wenig einladend, weil es regnete, aber beim Gang am palmengesäumten Ufer des Temo entlang kam bald die Sonne hervor und man genoss die anmutige Atmosphäre. Denn die farbenfrohen Fassaden der ehemaligen herrschaftlichen Häuser zeigten sich im üppigen Blumenschmuck. Leider konnte die aus dem 16. Jahrhun- dert stammende Kathedrale wegen Sanierungsarbeiten nicht besichtigt werden.
Die Straße von Bosa in Richtung Süden führt weitab vom Meer durch das Landesinnere, bevor eine Stichstraße westwärts auf die Halbinsel Sinis abbiegt. Die unberührte Landzunge mit ihrer besonderen Flora und Fauna ist eine ökologisch wertvolle Zone. Aus diesem Grund wurde das Gebiet für Wohnmobiltouristen und Wildcamper gesperrt. Auch das Mitnehmen von Sand und Steinen ist streng verboten, wie Sergio betonte.
Meeräsche nach sardischer Art
Das nächste Tagesziel war das Fischerdorf Cabras an der größten Lagune der Region. Wenngleich die Sarden sich ursprünglich allein von den Erträgen der Viehzucht und Landwirtschaft ernährten und weder Fischfang noch Seefahrt betrieben, haben sich in den Küstengebieten Fischgerichte als Bestandteil der sardischen Küche durchgesetzt.
Ein gediegenes Mittagsmahl bei ‚Sa Pischera ‘E Mar`E Pontis‘ lieferte den Beweis. Meeräsche, der wichtigste Fisch der Lagune, auf verschiedene Arten zubereitet, sowie allerlei Meeresfrüchte und der sardische Kaviar (Bottarga di muggine), dazu wahlweise Weiß- oder Rotwein ließen keine Wünsche offen.
Da die Zeit zur Weiterfahrt drängte, geriet die Besichtigung der phönizisch-römischen Hafenstadt Tharros kürzer. Dafür besuchte man die frühchristliche Kirche San Giovanni di Sinis, denn der winzige Sakralbau mit steinerner Kuppel stammt aus dem 5. Jahrhundert und ist die älteste Kirche auf Sardinien.
Carbonia und der Bergbau
Wechselhaftes Wetter begleitete die Reisenden aus der Ortenau auf der Fahrt durch die einstigen Bergbaugebiete der Insel im Südwesten. Aus der fruchtbaren Ebene geriet man unversehens in die unwirtliche, von struppiger Macchia bedeckte Berglandschaft. Geisterdörfer, verfallene Förderanlagen und überwucherte Abraumhalden zeugen vom Erzabbau-Boom vergangener Zeiten.
Die Phönizier waren die ersten, die sich der Bodenschätze bemächtigten. Die Römer gründeten hier ihre Stadt Metallica, die sagenhaften Reichtum besessen haben soll und bis heute nicht gefunden wurde. Im 19. Jahrhundert waren es große Industrieunternehmen – darunter auch die deutsche Firma Krupp -, die Minen betrieben. „Vom Reichtum der Erde blieb den Sarden kaum etwas“, bemerkte Sergio lakonisch..
Das urbane Zentrum des Küstengebirges ist die Kohlestadt Carbonia, in der Zeit des Faschismus gegründet. Der ‚Duce‘ Benito Mussolini wollte in den 1930er Jahren Bergarbeiter ansiedeln, doch das Projekt scheiterte, weil Sardiniens Braunkohle nicht wettbewerbsfähig war. Carbonia versank in der Bedeutungslosigkeit, kommentierte Sergio, der im Faschistenführer seinen „Lieblingsfeind“ auserkoren hat. Mussolinis Gleichschaltungswahn wollte in der Tat die sardische Sprache und damit die sardische Identität auslöschen. Es durfte damals nur Italienisch gesprochen und geschrieben werden.
Sergios Erzählung stimmte viele nachdenklich und während der Weiterfahrt prasselten kräftige Regenschauer auf das Busdach. Als man am Hotel in Capoterra – ganz in der Nähe von Cagliari – ankam, schob sich unvermittelt die Sonne durch die Wolken. Von da an blieb es sommerlich auf der Tour. Ein Abendspaziergang am Meer war deshalb ein schöner Ausklang dieses interessanten Maisonntags.
Schöne Stadtpanoramen und mediterranes Flair
Am nächsten Tag stand die am Golfo di Cagliari liegende Hauptstadt Sardiniens auf dem Programm. Mittlerweile auf 149.000 Einwohner angewachsen, ist Cagliari in vielerlei Hinsicht eine widersprüchliche Stadt. Von Beginn an sei sie das Zentrum der Eroberer und Kolonialisten gewesen, sagte Sergio. Von hier aus wurden Unterdrückung und Ausbeutung organisiert. Bei der Anfahrt mit dem Bus hatte man den Eindruck einer typischen europäischen Großstadt mit gesichtslosen Vororten und weitläufigen Gewerbezonen.
Auf einer Anhöhe über der Küstenstraße genoss man einen herrlichen Blick auf das Bergmassiv Sella del Diavolo. Aus ihm soll der Legende nach der Teufel ins Meer gestürzt sein – nach verlorenem Kampf mit Gott. Seitdem bewachen Engel die Bucht darunter, weshalb sie Golfo degli Angeli heißt. Von der Bushaltestelle aus konnte man auch auf die kilometerlangen Salinen blicken, seit Langem ein einzigartiges Revier für Flamingos.
Über die Via Roma, die vor der Altstadt am Hafen entlang führt, gelangte der Bus an eine der seltenen Halte nischen, sodass man das historische Zentrum zu Fuß erkunden konnte. Über verwinkelte Treppen ging es hoch zum Castello: kein mittelalterliches Freilichtmuseum, sondern ein Wohnviertel mit schmalen Gassen und düsteren Fassaden. Etwas weiter dagegen entfaltete sich vor den Augen der Betrachter das beste Stadtpanorama: auf der riesigen palmengesäumten Bastione de Saint Remy, wo an Sommerabenden Konzerte stattfinden. – Der perfekte Ort für ein Fotoshooting!
Erbaut wurde die Festung von den Besatzern aus Pisa, um die Eroberer aus Genua abzuhalten. Schließlich okkupierten die Spanier die Stadt und beherrschten sie 400 Jahre lang mit einem Terror-Regime. Davon zeugen die wuchtigen Wehrtürme mit eisernen Falltüren. Den Torre dell‘ Elefante ziert ein kleiner weißer Elefant an der Außenmauer – inzwischen das heimliche Wahrzeichen Cag-liaris, erklärte Reiseleiter Sergio.
Vorbei an prachtvoll restaurierten Adelspalästen kamen die Besucher auf die Piazza Palazzo, wo die glänzende, reich verzierte Fassade des Doms Santa Maria den Fotografen wieder ein ideales Motiv bot. Eng wurde es an der spätbarocken Kirche Sant‘ Efisio, wo zwei Schulklassen die Vortreppe bevölkerten. Das beeinträchtigte später auch die Besichtigung des Altarraums und der Krypta etwas. Für die einheimische Bevölkerung ist die Kirche deshalb von besonderer Bedeutung, weil in ihr die Statue des heiligen Efisio aufbewahrt wird, die zum größten Fest auf der Insel (Sagra di Sant‘ Efisio) aus der Kirche geholt und nach Pula (und wieder zurück) über 30 Kilometer getragen wird. Laut Sergio ist die Prozession alljährlich ein Stelldichein der schönsten Landestrachten.
Die Mittagspause verbrachten einige an der Flaniermeile der Stadt, einem langen Arkadengang an der Via Roma, wo sich Bars und Cafés aneinanderreihen; andere schauten sich in der Einkaufsstraße um oder suchten etwas Ruhe unter den schattenspendenden Palmen an der Piazza Yenne. Viel mediterranes Flair und ein „Hauch von Afrika“ waren da zu spüren, liegt die sardische Metropole doch nur 70 Kilometer von Tunis entfernt.
Auf den Spuren der Römer
Der Nachmittag stand im Zeichen der antiken Römerstadt Nora. Die Fahrt an die Küste führte über die von blühendem Oleander gesäumte Straße direkt auf den Parkplatz am Capo di Nora. Die gesamte Landzunge ist von dem archäologischen Gelände bedeckt. Bereits die Phönizier hatten um 1000 v. Chr. einen Handelsstützpunkt errichtet, der sich zu einer blühenden Hafenstadt entwickelte, die dann von den Römern übernommen wurde.
Seit den 1960er Jahren finden systematische Ausgrabungen statt. Sergio führte die Gruppe durch die fast vollständig erhaltene Anlage mit gepflasterten Straßen, Wohnvierteln, einem zentral gelegenen Theater und den Thermen dahinter. Besonders erstaunten die gut erhaltenen Bodenmosaiken in den Patriziervierteln und im Tempelbezirk.
Auf dem Rückweg zum Hotel machte man kurz Halt am Kirchlein Sant‘ Efisio, das alljährlich im Mai das Ziel der (bereits erwähnten) größten Prozession Sardiniens ist.
Museumsschätze, Kulinarisches und „Graffitis“
Die Fahrt tags darauf von Cagliari auf der Schnellstraße nach Osten entlang der Costa dei Rei nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Die „Königsküste“ gilt als bevorzugtes Badeparadies, glänzt sie doch mit einem zehn Kilometer langen Sandstrand. Eine weitaus größere Strecke hatte der Bus ins Landesinnere zu bewältigen. Dort in der Barbaglia prägen wuchernde Macchia und kahle Berggipfel die Landschaft.
In der Provinzhauptstadt Nuoro näherte man sich in steilen Serpentinen vom Tal auf den Bergrücken, wo die Häuser liegen. Sehenswürdigkeiten finden sich kaum, aber dafür ist das Museo d’Arte della Provincia, Sardiniens größtes volkskundliches Museum, ein wahres Ju- wel. Prachtvolle Trachten, Schmuckstücke, Amulette, farbenprächtige Teppiche und kunstvolle Schnitzereien aus der Barbaglia sind dort zu sehen. Begeistert waren alle von der Präsentation sardischer Brotbackkunst: Über 500 Backwaren in Vitrinen konnte man bestaunen, vom einfachen Hirtenbrot bis zum filigran geformten Festtags gebäck.
Da ‚probieren‘ bekanntlich über ‚studieren‘ geht – am besten in einem echten Natur idyll –, steuerte Robert den Bus über eine einspurige Piste bergauf durch schattigen Hochwald zu einem Picknickgelände bei einem Bauernhof. Dort erwartete die Ortenauer ein rustikales Hirtenessen. Im großen Kreis sitzend, ein Vesperbrett auf den Knien ließ man sich Schaf- und Schweinebraten, dazu Brot und Landwein schmecken. Während danach das Käsedessert serviert und bereits ein würziger Mirto in Gläschen eingeschenkt wurde, intonierten drei Sänger aus voller Kehle die traditionellen Canti a Tenori. Ungewohnte Klänge, aber eine faszinierende Darbietung.
Derart gestärkt, konnte man getrost das berühmt-berüchtigte Hirtendorf Orgosolo besuchen, einst die „Banditenhochburg“ schlechthin. Allerdings macht die Ortschaft heutzutage nicht mehr mit Familienfehden und Schießereien von sich reden, sondern mit Kunst: Im Dorfkern sind die Hauswände mit bunten Bildern und großen Schriftzügen gestaltet, die als „Graffitis“ kunstvoll politische und gesellschaftliche Probleme thematisieren. Reiseleiter Sergio erläuterte die Darstellungen wieder mit viel Hintergrundwissen.
Quartier bezog man an diesem sechsten Tag auf der Insel in Olbia, das im äußersten Nordosten der Region Gallura liegt.
Wie von Künstlerhand geschaffen
Nur wenige Kilometer von Olbia sind es zur weltbekannten „Smaragdküste“ (Costa Smeralda), eine weit verzweigte Bucht- und Klippenlandschaft aus zerklüfteten Granit- und Porphyrbrocken und einem kristallgrün bis azurblau schimmernden Meer. Faszinierend war der Blick auf den „Felsenbär“ am Capo d’Orso, eine wie von Künstlerhand geschaffene Skulptur, die über die vielen kleinen Inseln des Maddalena-Archipels zu wachen scheint. Natürlich ein „klassisches“ Motiv für die Fotografen in der Reisegruppe.
Weiter auf der Panoramastraße nach Norden gelangte man in den Hafenort Palau und bestieg dort die Fähre zur Hauptinsel La Maddalena. Das gleichnamige Städtchen ist vergleichsweise stark touristisch geprägt und es herrscht in allen Gassen ein reges Treiben. Cafés und Lokale, Boutiquen und kleine Läden locken die Besucher. Etliche Straßen und Plätze erinnern an den italienischen Nationalhelden Giuseppe Garibaldi, der auf der Nachbarinsel Caprera seinen Lebens abend verbrachte.
Zurück in Palau war das nächste Ziel der Küstenort Castelsardo; in letzter Zeit durch den neuen Yachthafen beim internationalen Jet-Set beliebt geworden. Malerisch thront das mächtige Castello über dem pittoresken Städtchen mit seinen eng beieinanderliegenden Granithäusern. In den Gassen waren viele Produkte der traditionellen Korbflechtereien zu sehen.
Überraschende Weinprobe und herzlicher Abschied
Auf der letzten Etappe der Reise über die Insel zurück zum Ausgangspunkt, dem Fährhafen Porto Torres, bog der Meßmer-Bus unvermittelt von der Küstenstraße ab und fuhr über einen Landwirtschaftsweg zu einem kleinen Weingut.
Die Überraschung war gelungen: Reiseleiter Sergio hatte für die Ortenauer eine Weinprobe in einem jungen Agrikulturbetrieb organisiert. Der Winzer kredenzte einen erlesenen Vermentino di Gallura (Weißwein), einen herben Rosé und zum Schluss den König der Rotweine, den Cannonau di Sardegna. Dazu wurden Fladenbrot, Salsiccia (grobe Wurst) und Käse (Pecorino sardo) serviert.
Bei solch großzügiger Bewirtung auf der Anhöhe mit schönstem Blick auf den Golfo dell‘ Asinara hätte man den Aufenthalt bis zum Abend genießen können, wäre da nicht unverrückbar der Termin zum „Fähren-Check-In“ im Hafen von Porto Torres gewesen. Dort wurde Sergio herzlich verabschiedet. Herbert Vollmer dankte dem Reiseleiter für die zugewandte, souveräne und sachkundige Begleitung. Sergio verabschiedete sich bei allen mit Handschlag und bekam für diese persönliche Geste viel Beifall.
Am frühen Abend legte die Fähre vom Hafen ab. Die Rückfahrt mit dem Bus von Genua am Donnerstagmorgen verlief reibungslos. Auch der schöne Brauch im Rahmen der „Pfingstfahrt“ langjährige Teilnehmer zu würdigen, wurde neu belebt – mit einer Laudatio von Herbert Vollmer und einem Präsent. Geehrt wurden Siggi Ernst und Heinz und Ursula Herrmann, die jeweils zehnmal mit dabei waren. An fünf Fahrten teilgenommen haben Stephan und Monika Haenel, Karl-Heinz Heitzmann, Helga Vollmer sowie Wilfried und Elke Weber.
Zudem bedankte sich Herbert Vollmer bei Busfahrer Robert und dem Unternehmen Meßmer, das seit über zehn Jahren an den Fahrten beteiligt ist. Eine Nachbesprechung der Sardinienreise ist für den Herbst vorgesehen. Dann werden auch Vorschläge für die „Pfingstfahrt“ anno 2024 besprochen.