In unserer Serie berichten Autoren von »Der Himmel über der Ortenau« von ihren persönlichen Lieblingsorten in der Region. Heute schreibt der Bildhauer und Maler Armin Göhringer von seinem kreativen Refugium in Nordrach.

Der »Himmel über der Ortenau« ist im Kulturverlag Art und Weise erschienen.

Es schreibt heute:
Armin
Göhringer
Bildhauer und
Maler, lebt
in Zell a. H.,
arbeitet in
Nordrach
Der fünf Kilometer lange Weg zu meinem Atelier, meinem Arbeitsplatz, führt mich von Zell am Harmersbach, meinem Wohnort, entlang des Talbachs nach Nordrach, vorbei am Ortsteil Allmend ins Gewerbegebiet Grafenberg. Ein Stück Land, ausgewiesen als damals nicht sonderlich schönes Mischgebiet von Industrie und Wohnen, das ich Anfang der 90er Jahre erwerben konnte. Heute umzäunen Obstbäume, Kastanien und Weiden das Gelände und die Westseite begrenzt die Nordrach, ein Bachlauf in dem sich stets reges Leben zeigt. Hier sind alle Jahreszeiten unmittelbar spürbar. Alles lebt und verändert sich mit ihnen, auch meine Kunst, die hier entsteht und sich in Zwiesprache mit der Natur befindet. Am schönsten aber ist es für mich von Mai bis Oktober, dann wenn sich die Vegetation in seiner Pracht entfaltet und die wärmende Sonne das Arbeiten im Freien begünstigt.
Auf dem Grundstück dominiert ein modernes Industriegebäude, umsäumt von gelagerten Stämmen, vorgeschnitten Holzelementen und vor allem von Holzskulpturen. Schwarz gefasste Stelen, mit der Kettensäge in Form gebracht, teils mit einer Eisenhaut ummantelt ragen bis zu acht Meter gen Himmel und zeigen, dass es hier um Kunst geht, um die Umformung des Materials zu archaischen, mit Bedacht geformten Gebilden, die zum Innehalten auffordern. Was hier die Spannung erzeugt ist zum einen der Gegensatz von idyllischer Natur und zu abstrakt inszenierten Skulpturen, die in Farbe und Form einen Kontrast und damit auch einen Dialog zur Umgebung auslösen.
Im Innern des Gebäudes folgt eine Fortsetzung des äußeren Eindrucks, nur in kleineren Dimensionen. Holzreste, Sägemehl, halbfertige und vollendete Skulpturen mischen sich mit Arbeitsgeräten, Skizzen und Farbresten. Der Geruch von Holz gepaart mit Ölen und Farben erzeugt eine eigenartige Melange von Düften.
Ein Refugium ohne Regulierung von außen, ein sehr persönliches Chaos, in dem der Besitzer König ist und tun und lassen kann, was er will. Ein kreatives Biotop für alle Sinne, ein Platz der schöpferischen Kraft und der kleinen Freiheiten. Für mich sind es ideale Bedingungen, um inne zu halten, Ideen zu kreieren, und diese dann auch zu vollenden.
Und manchmal kommt auch ein interessierter oder neugieriger Besucher vorbei, den ich dann gerne an meiner Freude teilnehmen lasse.
Wenn einem Künstler das Glück widerfährt, leben zu dürfen, um zu arbeiten – also seinen Beruf als Lieblingsbeschäftigung zu betrachten – und so sogar einen Platz gefunden hat, an dem er dies alles uneingeschränkt tun kann, dieser Ort auch alles bietet, was er zur künstlerischen Arbeit benötigt, dann hat er seinen Lieblingsplatz gefunden.