»Mit Naturheilmitteln schöpfen wir in den Wechseljahren das Selbstheilungspotential des Körpers aus, mit Hormonen ersetzen wir diese oder unterdrücken sie sogar«, warnt die Ärztin Heide Fischer.
Ein Frauenthema –in dem auszukennen auch Männern gut steht – stand am vergangenen Dienstag auf der Agenda des katholischen Bildungswerks und stieß beim weiblichen Geschlecht denn auch auf großes Interesse. Denn die ins Pfarrheim eingeladene Ärztin Heide Fischer beschäftigt sich seit über drei Jahrzehnten mit Frauengesundheit aus ganzheitlicher Sicht.
Die gute Nachricht für alle auf ihre Lebensmitte zugehenden Frauen: »Ein Drittel merkt so gut wie nichts von den Wechseljahren mit ihren hormonellen Schwankungen. Ein weiteres Drittel hat leichte Beschwerden »wie hier und da mal eine durchwachte Nacht oder Hitzewallungen«, so die Autorin dreier Sachbücher, der zufolge lediglich ein Drittel aller Frauen mit wirklichen Beschwerden kämpft.
Bis vor einigen Jahren noch wurde die Hormontherapie sehr häufig angewandt. Heide Fischer rät zu dieser jedoch nur in Extremfällen. Denn »inzwischen wissen wir, dass die Aufrechterhaltung des biologisch fruchtbaren Hormonspiegels verbunden ist mit einer deutlichen und nachgewiesenen Erhöhung des Risikos für sämtliche gynäkologischen Krebsarten, Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfälle, Herzinfarkte, Venenentzündungen, Thrombosen, Leber-Galle-Erkrankungen – den ganzen Abend lang könnten wir mit der Liste der Nebenwirkungen verbringen.«
Eine an fast einer Million Frauen durchgeführte Studie hat diese Nebenwirkungen nach der Jahrtausendwende ans Licht gebracht, durch kleinere Folgestudien wurden die Ergebnisse nochmals erhärtet. Sind Hormongaben jedoch nicht vermeidbar, »dann sollten es bio-identische« sprich körperidentische beziehungsweise natürliche Hormone sein, statt molekular veränderter. Und zwar so kurz, so niedrig dosiert und so individuell wie möglich.
»Natürliche« Hormone
Allerdings sorgt der Begriff »natürliche Hormone« des öfteren für Verwirrung: »Bio-identische Hormone kommen in Pflanzen nicht vor, sie können aber im Labor aus diesen hergestellt werden, wie z.B. aus Rotklee oder aus Soja«, stellt Heide Fischer klar.
Wie aber definiert man die Wechseljahre überhaupt? »Der Begriff ist nicht geschützt«, sagt die leidenschaftliche Naturheilkundlerin. Sie erklärt: Solange Frauen noch Zyklen und plötzlich wieder prämenstruelle Beschwerden mit Brustspannen, schlechter Laune und Co haben oder Myome entwickeln, also gutartige Geschwulste an der Gebärmutter, solange sind sie auf jeden Fall noch in der Phase der Prämenopause – der typischen Phase in der Lebensmitte.
Im Grunde erst mit »50 plus«, wenn die Blutungen tatsächlich seltener werden, spricht sie persönlich von den Wechseljahren: »Im Schnitt versiegt die Menstruation mit 50 bis 52 Jahren. Die Bandbreite ist aber sehr groß, von 40 Jahren bis in die hohen 50er.«
Die beiden Hormone, die den weiblichen Zyklus vor allem regulieren, sind das Östrogen und das Progesteron, erinnert die Ärztin an den Biologie-Unterricht. Der Spiegel beider Hormone beginnt ab 30 grundsätzlich zu sinken. Zwischen 40 und 50 sind die allermeisten Frauen »noch ziemlich gut östrogenisiert«, das Progesteron hingegen sinkt deutlich schneller ab. Von einer Gelbkörperschwäche respektive einer Östrogendominanz spricht man dann. Und die wird durch Umweltfaktoren verschärft: »Wir kennen über 200 Östrogen-Umweltgifte«, mahnt Heide Fischer, enthalten unter anderem in Pestiziden, Insektiziden, in Kunststoffen enthaltenen Weichmachern. Auch in Kosmetika, Farben und Lacken finden sie sich.
»Progesteron- und Östrogenpflanzen«
Die Östrogendominanz mit ihren typischen Beschwerden wie starken Blutungen und Brustspannen »gleicht man am klügsten aus mit Progesteronpflanzen«, empfiehlt sie und verweist auf den Frauenmantel – aber auch auf die Schafgarbe mit ihren (uns in der Nahrung immer stärker fehlenden) Bitterstoffen, die nicht nur hormonell ausgleichend sondern zudem blutstillend wirken und die Leber anregen. Hinzu kommt der Mönchspfeffer sowie die medizinische – also wilde – Yamswurzel. Vor allem bei Myomen, Zysten und verstärkten Blutungen setzt die 63-Jährige letztere ein – dann also, »wenn die Schulmedizin, weil sie sich nicht anders zu helfen weiß, noch eben geschwind die Gebärmutter entfernt.
»Ich kämpfe um jede Gebärmutter«, betont die Betreiberin einer eigenen Arztpraxis in Freiburg die Bedeutsamkeit des Organs für das gesamte Beckengefüge und die diesbezüglich heilsamen Kräfte des schon im April blühenden Hirtentäschels. Ganz wichtig dabei: Progesteronwirksame Pflanzen dürfen nicht durchgehend gegeben werden: »Sie gehören in die zweite Zyklushälfte, denn nur jetzt wird dieses Hormon ausgeschüttet.« Nimmt man die Präparate hingegen auf Dauer, gewöhnt sich der Körper daran und sie wirken nicht mehr. Fischer rät nicht nur zu Tinkturen und Cremes, die jede Frau im Sinne einer nachdrücklich propagierten Selbsthilfe eigenhändig herstellen kann, sondern auch zu Sitz- und Fußbädern mit diesen Pflanzen, wie zu Groß- und Urgroßmutters Zeiten. »Sogar Unterleibsräucherungen und
-dampfbäder findet man in alten Kräuterbüchern«.
Wenn dann irgendwann auch das Östrogen stärker absinkt – »mit den für Östrogentäler typischen Beschwerden wie Hitzewallungen, Herzbumpern und Konzentrationsschwäche« – werden die östrogenausgleichenden Pflanzen wichtig: Traubensilberklee, die Blüten des Rotklee, Salbei, Hopfen, Rhabarberwurzel, Soja, das Öl der Granatapfelkerne. Auch auf Leinsamen hält Heide Fischer große Stücke: Ein bis zwei Esslöffel pro Tag, jeweils mit einem großen Glas Wasser eingenommen: Ein Segen nicht nur für den Cholesterinspiegel, sondern auch für die Schleimhäute sowie überhaupt für die Durchfeuchtung der Haut.
Noch mal durchstarten
»Die hormonellen Phasen können auch ein paar Mal durcheinander gehen – aber irgendwann ist noch jeder auf der anderen Seite angekommen«, lächelt die Freiburgerin in das in einer breiten Altersspanne anwesende Publikum, »diese Schwankungen beruhigen sich irgendwann. Dann sind wir in der Postmenopause und werden hoffentlich gesund und munter steinalt.«
Darüber hinaus rät sie zu gesunder Lebensführung ebenso unbedingt wie zu einem gesunden Selbstbild: »Es ist wichtig, dass wir aufhören, Jugendidealen nachzueifern«, hebt sie hervor und regt dazu an, über den kulturellen Tellerrand zu schauen: »In Gesellschaften, in denen das Älterwerden von Frauen mit einem Zuwachs an Ansehen, Macht und Einfluss verbunden ist, kennen Frauen keine Wechseljahresbeschwerden – der in den Medien wiedergespiegelte Jugendlichkeitswahn ist eine Sache von Europa und Amerika.«
Und noch etwas betont Fischer: Mit dem Absinken des Östrogens kommen die männlichen Hormone mehr zum Tragen. Und mit diesem etwas erhöhten Testosteronspiegel kommen Frauen noch mal in eine Durchstartphase, in der das eigene Ich wichtiger wird als in den von Fürsorglichkeit geprägten Östrogenjahren. »Und das«, verspricht Heide Fischer ihren Zuhörerinnen, »das wird noch mal sehr spannend.«