Vor 90 Jahren wurde die Bruder-Konrad-Kapelle auf dem Sturmbühl eingeweiht. Wie die Biberacherin Amalia Schilli aus Dankbarkeit eine Kapelle errichtete – und ihr Vermächtnis bis heute weiterlebt.
Am Sonntag, 29. Juni, feiert die katholische Kirchengemeinde Biberach an der Bruder-Konrad-Kapelle um 10 Uhr einen Jubiläumsgottesdienst. Dankbar blickt sie zurück auf den Bau der Kapelle auf dem Sturmbühl, die mit ihrer exponierten Lage zu Biberachs Wahrzeichen gehört. Zu ihrer Erhaltung fanden und finden sich immer wieder ehrenamtliche Helfer bereit.
Stille mit Weitblick
Die kleine Kirche, von den Biberachern liebevoll „s’Kapelleli“ genannt, steht auf einem Felssporn am Rande des ehemaligen Steinbruchs der Gemeinde. Wer die Höhe erklommen hat, genießt einen herrlichen Blick ins langgestreckte Kinzigtal und auf das abschließende Panorama der Schwarzwaldberge. Das kleine Gotteshaus mit vorgebauter Laube und heimeligem Innenraum lädt ein zu Besinnung und Gebet.
Versprechen aus Dankbarkeit
Die Initiative zum Bau der Kapelle ging von Amalia Schilli aus. Die 1887 geborene Biberacherin erkrankte Anfang der 1930er-Jahre schwer. Sie bat den Heiligen Bruder Konrad, dessen Verehrung damals sehr verbreitet war, um seine Fürsprache. Sie gelobte, im Falle einer Genesung eine Kapelle zu errichten. Nach glücklicher Heilung machte sich die alleinstehende Frau daran, ihr Gelübde in die Tat umzusetzen.
Genehmigt und mit Bedacht gebaut
Amalia sammelte in der Bevölkerung 3.000 Reichsmark und bat Zimmermann Karl Fautz, einen Plan anzufertigen. Diesen reichte er bei der Gemeinde und anschließend beim Bezirksamt (heute Landratsamt) Offenburg ein. Der Gemeinderat erhob keine Einwände gegen das Vorhaben auf seinem Gelände. Auch die Offenburger Behörde zeigte sich einverstanden. Die von ihr gemachte Auflage einer solideren Fundamentierung war kein Hemmnis, sondern diente der dauerhaften Standfestigkeit der Holzkonstruktion.
Ein Heiliger des Alltags
Karl Fautz übernahm nicht nur die Zimmermannsarbeiten, sondern auch die Bauleitung für die anderen Gewerke. Der heimische Holzschnitzer Josef Glück fertigte eine Statue des Heiligen Bruder Konrad an. In ihren Fuß wurde – einer alten Tradition folgend – ein Splitter der Gebeine des Heiligen eingelassen. Die Echtheit dieser Reliquie war bischöflich bestätigt worden. Die Glocke erhielt die Aufschrift „Ave Maria“. Sie wurde ein paar Jahre später wie andere Glocken für Rüstungszwecke eingeschmolzen. Die neue Glocke nach dem Krieg bekam die Inschrift: „Mutter der Barmherzigkeit, bitte für uns!“
Leben in Demut
Von kirchlicher Seite zeigte sich die Bestrebung, die Bewunderung für Bruder Konrad in die Verehrung Mariens einzubinden. Bruder Konrad war ein „Alltagsheiliger“. Der Kapuziner hatte sich als langjähriger Pförtner am bayerischen Marienwallfahrtsort Altötting einen Namen gemacht. Seine gleichbleibende Freundlichkeit und Fürsorglichkeit den Pilgern und Obdachlosen gegenüber waren legendär. Die Kraft zur gütigen Ausstrahlung schöpfte er aus dem Gebet.
Vorbild mit Wirkung
Geboren wurde Johannes Birndorfer, so der bürgerliche Name von Bruder Konrad, 1818 auf dem Venushof von Parzham, einem Ort unweit von Altötting. Später verzichtete er zugunsten seiner Geschwister auf sein Hofrecht und trat in die Gemeinschaft der Kapuziner ein. Als er 1894 starb, war Amalia Schilli eine Schülerin. Die Predigten über das religiöse Vorbild prägten sich ihrer Seele tief ein.
Gesuchte Nähe
Pfarrer Ludwig Erdrich, von 1923 bis 1938 Seelsorger in Biberach, unterstützte das Anliegen der frommen Frau und sorgte für den Segen der offiziellen Kirche. Am 15. September 1935 weihte er im Beisein von Kapuzinern die Kapelle ein. Wie üblich erhielt die Glocke einen eigenen Segen. Nach der Einweihung trafen Kirchenbehörde und politische Gemeinde eine Vereinbarung. Danach verbleibt das Grundstück, auf dem die Kapelle steht, im Eigentum der politischen Gemeinde, während die Kapelle der Kirchengemeinde gehört. Diese Übereinkunft ist im Grundbuch festgehalten.
Leben in der Nähe
Um ihrer Konradskapelle ganz nahe zu sein, ließ sich Amalia Schilli unterhalb der Kapelle von Zimmermann Karl Fautz ein kleines Häuschen erbauen, wo sie ein bescheidenes Leben führte. Zwei Ziegen dienten der Selbstversorgung. Täglich läutete sie zu den Gebetszeiten den „Engel des Herrn“. An Sonn- und Feiertagen betete sie in der Kapelle mit Besuchern den Rosenkranz und sang mit ihnen Marienlieder. 1963 musste sie mit dem Pflegeheim Fußbach vorliebnehmen, wo sie 1975 verstarb.
Ehrenamtliche Betreuung
Zum Glück fanden sich immer Gläubige, die das Werk von Amalia Schilli fortführten. Zwanzig Jahre läutete Helene Finkenzeller an den Sonntagen das Glöckchen und betete mit den Besuchern den Rosenkranz. 1986 übernahm Alfons Büdel mit seiner Frau Irmgard die Betreuung des Kirchleins auf dem Felsen. Im Jahr darauf organisierte er zusammen mit Fridolin Mäntele eine umfassende Sanierung. An den Arbeiten, die acht Monate dauerten, beteiligten sich rund 40 Helfer – ein Zeichen für den breiten Zuspruch.
Erinnerung und Engagement
Seit einigen Jahren hat Konrad Huber die Sauber- und Instandhaltung der Kapelle und des Vorplatzes übernommen. Der Nordracher, dem seine Eltern den Vornamen des Kapellenheiligen gegeben haben, hat in seiner Jugend oftmals an Sonn- und Feiertagen mit seinem Vater in der Kapelle den Rosenkranz gebetet. Die Biberacherin Mechthild Lahn sorgt dafür, dass immer wieder frische Blumen auf dem Altar stehen. Auf dem Biberacher Friedhof kümmert sich Rita Finkenzeller um die Pflege des Grabes der Kapellenstifterin Amalia Schilli. So wird die Idee einer gottesfürchtigen Frau nach wie vor in Ehren gehalten.
Quelle:
Uwe Gaiser, „60 Jahre Bruder-Konrad-Kapelle (1935–1995)”