Emma Gißler wurde 1947 Opfer eines Militärunfalls. Ein Geländewagen verletzte sie tödlich. Was aus der Familie wurde.
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Am 12. August 1947 wurde Emma Gißler in Biberach von einem französischen Besatzungssoldaten mit seinem Jeep angefahren und tödlich verletzt. Die kleine Gisela Haaser, heute verheiratete Vetterer, war ebenfalls vom Unfall betroffen und vorübergehend bewusstlos. Emma Gißler war an jenem Tag mit einem Leiterwägele auf dem Weg vom Dorf zum Gewann Haubach unterwegs, wo sie Rüben hacken wollte. Unterwegs schloss sich ihr die 12-jährige Gisela Haaser an, die mit derselben Tätigkeit im Rübenacker beauftragt war.
Kurz nach der Holzbrücke
Die Nazis hatten in den letzten Kriegstagen die Brücke der Landstraße über die Kinzig gesprengt. Danach war etwa 80 Meter oberhalb eine provisorische Holzbrücke errichtet worden. Diese überquerten an jenem 12. August Emma Gißler und Gisela Haaser. Als sie danach auf die Straße abbogen, die damals auf dem Kinzigdamm verlief, wurden die beiden von einem französischen Militärfahrzeug erfasst; etwas oberhalb des ehemaligen Standorts des Gasthauses „Linde“.
Durch den Aufprall schwer verletzt
Die kleine Gisela wurde die Böschung hinunter auf das Vorland der Kinzig geschleudert und blieb bewusstlos liegen. Emma wurde durch den Aufprall sehr schwer verletzt. Die beiden Verletzten wurden zunächst von französischen Sanitätern versorgt und zum französischen Hauptquartier am Anfang der Brückestraße gebracht. Emma Gißler hatte einen Schädelbasisbruch erlitten und starb noch auf dem Transport zum Zeller Krankenhaus. Gisela hatte innere Verletzungen, die ihr auch in späteren Jahren noch zu schaffen machen sollten.
Kinder wurden Halbwaisen
Emma Gißler, geb. Himmelsbach von Wittelbach, war mit Wilhelm Gißler verheiratet. Außer dem Witwer hinterließ sie zwei kleine Buben, Hubert mit 2,5 Jahren und Egon mit 12 Jahren. Die Tragik wurde dadurch verschlimmert, dass Wilhelm Gißler blind war. Eine in Offenburg vormalig vorgenommene Augen-Operation war schiefgelaufen und hatte das Augenlicht schrittweise verschlechtert. Nach drei Jahren war Wilhelm Gißler blind. Seine angefangene Lehre zum Elektriker hatte er abbrechen müssen. In der örtlichen Zigarrenfabrik Krämer fand er eine Beschäftigung als Zigarrenmacher.
Bei der Gedda gut aufgehoben
Zum Glück fand sich in der ledigen Katharina Gißler für die beiden Buben eine Ersatzmutter. Sie war die „Gedda“ (Patentante) der beiden Buben. Sie wohnte zusammen mit ihrem ledigen Bruder und ihrer ledigen Schwester im Leibgedinghaus der „Bau-Mühle“ im Mühlenweg. Sie war bereit, die beiden Buben aufzunehmen. Wilhelm Gißler blieb in seiner Wohnung im Haus von Maurer Knäble in der angrenzenden Mühlenstraße.
Vier Personen auf 42 Quadratmeter
1948 entschloss sich Wilhelm ein zweites Mal zu heiraten. In Magdalena Brunn aus Biberach hatte er eine Partnerin gefunden. 1954 zogen Vater, Buben und Stiefmutter in ein Mehrfamilienhaus in der Mühlgartenstraße. Der vierköpfigen Familie standen gerade mal 42 Quadratmeter zur Verfügung. Das „Plumsklo“ im Freien muss-ten sich fünf Familien teilen. Die Wohnungsnot hatte sich durch die Ankunft von Flüchtlingen aus Ostdeutschland verschärft.
Wilhelm Gißler war trotz seiner Behinderung ein geselliger Mensch. Sein Orientierungsvermögen war erstaunlich. So saß er bei Turnfesten an der Kasse und zählte zuverlässig das Geld. Besonders aktiv war er im Kleintierzuchtverein.
Vater forderte Entschädigung
Den Verlust seiner ersten Frau durch den Unfall mit einem Militärfahrzeug wollte Wilhelm Gißler nicht einfach hinnehmen. Er setzte sich mit einem Wolfacher Rechtsanwalt in Verbindung, der des Französischen mächtig war. Es ging um eine Entschädigungs-Forderung an den französischen Staat. Die Verhandlung fand im französischen Hauptquartier Offenburg, neben dem Palmengarten, statt. Die französischen Offiziere versuchten die Verantwortung des Jeep-Fahrers herunterzuspielen. Ihr energisches Auftreten ängstigte den kleinen Hubert, sodass er sich zwischen den Beinen seines Vaters verkroch. Er hatte den blinden Vater zur Verhandlung begleiten müssen.
Das Urteil ließ 10 Jahre auf sich warten. Die den beiden Kindern zugesprochene „Halb-Waisen-Rente“ wog gerademal die Rechtsanwaltskosten auf, stellt Hubert Gißler im Nachhinein fest. Der Jeep-Fahrer war wohl betrunken gewesen.
Das wurde aus den Kindern
1958 zog die Familie es wieder zurück in das Leibgedinghaus der „Bau-Mühle“. Die beiden Halb-Waisen Egon und Hubert haben sich von den schwierigen Verhältnissen nicht unterkriegen lassen. Der ältere Egon hat beim Gengenbacher Architekten Weber eine Lehre begonnen. Das dritte Lehrjahr als Kaufmann konnte er bei der Brauerei-Jehle absolvieren. Er blieb bei dieser Firma und brachte es zum Prokuristen. Er starb im Jahre 2015.
Hubert begann nach der Volksschule eine Lehre in der Mechanischen Werkstatt von Otto Herrmann. Über den zweiten Bildungsweg konnte er sich zum Industrie-Kaufmann qualifizieren. Im Zeller Gewerbegebiet „Steinenfeld“ errichtete er eine Fabrik für mechanische Präzisionsteile.
Als 1971 seine Frau verstarb, zog Wilhelm in das Haus seines Sohnes Egon und seiner Schwiegertochter Martha Gißler. Wilhelm Gißler starb 1984.