Sonntagvormittag elf Uhr. »Das kann am 50-jährigen Jubiläum unseres Heimatmuseums Kettererhaus liegen, oder am Muttertag«, freute sich Bürgermeister Jonas Breig darüber, dass bei der offiziellen Begrüßung der vielen auch auswärtigen Gäste statt des angesagten Regens immer wieder die Sonne durchbrach.
Mit der strahlte das Ortsoberhaupt denn auch um die Wette – gemeinsam mit allen für die Organisation Verantwortlichen sowie den Besuchern, die zumindest bis zum Einsetzen kurzer Episoden von Himmelsgetröpfel in großer Zahl kamen.
Für den regen Betrieb in der Ortsmitte sorgten nicht zuletzt rund 70 auf Hochglanz polierte Oldtimer. Vom Rolls-Royce über Buick und »Bulli« (»Bus- und Lieferwagen«) hin zum Gogo-Mobil waren die unterschiedlichsten Modelle aus den unterschiedlichsten Baujahren vertreten. Sie sorgten für neugierige Blicke, angeregte Gespräche und eine überaus würdige Kulisse für »das eigentliche Schmuckstück«, wie Jonas Breig es formulierte: das stattliche Kettererhaus.
Das genaue Datum der Fertigstellung des Gebäudes ist nicht bekannt, erstmals erwähnt wurde es 1839. Jonas Breig fasste zusammen: 1920 konnte die Gemeinde das Gebäude erwerben, bis 1960 diente es als Armenhaus. 1974 dann richtete die Gemeinde hier gemeinsam mit Gründungsvater Josef Bühler ein Museum ein. »Seitdem werden hier zahlreiche Gegenstände aus dem früheren Leben des ländlichen Raums dargestellt und auch die Heimatgeschichte bewahrt.«
Im Namen des Historischen Vereins begrüßte auch dessen Vorsitzender Josef Ringwald die auf dem Platz vor dem Museumsgebäude Versammelten. »Museen sind die Schaufenster der Geschichte«, verdeutlichte er, »sie dienen nicht nur der Bildung, sondern auch der Orientierung in der Gegenwart.«
Er dankte der Gemeinde – Bürgermeister Jonas Breig ebenso wie dessen teils anwesenden Vorgängern – für die Unterstützung des Museums über die Jahrzehnte hinweg. Auch Wolfgang Westermann als Nachfolger des Museumsgründers galt sein Dank, der Museumsleiterin Marlene Hermann und ihren Vorgängern sowie dem Hausfrauenbund, der das Museum alljährlich einem Generalputz unterzieht.
Als Dritter im Bunde der Redner hieß Karl Hoferer zum Museumsjubiläum herzlich in Biberach willkommen. Als stellvertretender Vorsitzender des Historischen Vereins war er federführend bei der Organisation des zweitägigen Festwochenendes und er war es auch, aufgrund dessen Kontakte das illustre Oldtimertreffen mit Vier- und Zweirädern zustande kam: als Mitorganisator des internationalen Oldtimertreffens im Juli in Baden-Baden.
Unter anderem begrüßte er den Vorsitzenden des Oldtimerclubs Ortenau unter den Gästen: Walter Lutz. Zudem dankte er allen Unterstützern, Sponsoren und Helfer:innen an den beiden Jubiläums tagen. Bürgermeister Jonas Breig wiederum würdigte den Einsatz Karl Hoferers und des Historischen Vereins mit einem Gutschein.
Viel los
Reger Betrieb herrschte zudem im Museum selbst, das auch im Inneren ein Schmuckstück ist und vom Erdgeschoss bis zum Dachboden mit allerlei Schätzen aufwartet. Gleichzeitig hatten die Hobby-Historiker das Jubiläum zum Anlass genommen, gemeinsam mit dem Bauhof im Inneren alles herzurichten, zu sortieren und sich von diversen alten Dingen zu verabschieden. Unter den Fittichen von Barbara Martin kam dabei ein Flohmarkt heraus, dessen zeitaufwändige Vorbereitung sich lohnte. Alleine am Samstag kamen mindestens 60 Besucher in den liebevoll hergerichteten Kellerraum des Museums, den die SKC-Motorradfreunde »Schneckenclub« für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatten. Noch wesentlich höher war die Besucherzahl am Sonntag.
Restaurierte Tracht lebendig geworden
Wer sich für die lebendige Geschichte des Kettererhauses sowie des Museums interessierte, der konnte sich im Rahmen einer Sonderausstellung im ersten Stockwerk informieren. Die hier normalerweise ausgestellte Biberacher Tracht allerdings hatte im wahrsten Sinne des Wortes »Beine bekommen«: Josef Ringwalds jüngste Tochter Anna-Maria trug sie und präsentierte das Prachtstück damit der Öffentlichkeit. Die Großmutter der jungen Frau hatte zu den letzten Trachtenträgerinnen Biberachs gehört. Über eine Stunde hat es gedauert, bis sie die Tracht mit der Hilfe von Rosemarie Himmelsbach korrekt angelegt hatte und die Frisur zur Haube passend gerichtet war.
Über Jahrzehnte hinweg war die Ortstracht der Frauen verschwunden, bis sie nach jahrelanger Recherchearbeit rekonstruiert werden konnte – anlässlich der 800-Jahrfeier Biberachs im vergangenen Jahr. Unterstützt worden war dieses Vorhaben von Gutachs Bürgermeister Siegfried Eckert, dessen Lebensgefährtin Brunhilde Schweizer aus Biberach stammt. In seiner Funktion als Präsident des »Bund Heimat und Volksleben e.V.« und als Folge der Rekonstruktion der Biberacher Frauentracht nahm er am gestrigen Sonntag die Beitrittserklärung Biberachs zu eben jenem Bund an, im Namen des Historischen Ortsvereins überreicht von Josef Ringwald.
Geschichte auch musikalisch oder aus Autorenhand
Emotional ging es eine traute Weile in der guten Stube des Kettererhauses zu. Hier fand sich überraschend Jürgen von der sangesfreudigen »Schwarzwaldfamilie Seitz« aus Ohlsbach ein. Einer in die Hand gedrückten Gitarre und der Bitte um zwei Lieder widersetzte er sich nicht.
Erst fetzig-lustig, dann melancholisch-schmunzlig verpackte der sympathische Musiker museums-thematisch passend Gedanken zum Älterwerden in Worte und Töne. Saßen zunächst nur sechs Menschen am großen Tisch, wurden es ruckzuck mehr, ganz eng rückte man zusammen, schließlich füllten Zuhörer den Raum im Stehen.
Anschließend konnte man sich mit der Buchautorin Astrid Helmers unterhalten, die mit ihrem Gatten Dietmar in einem illustren Rolls-Royce Silver Cloud II, Baujahr 1961, aus der Nähe von Ulm angereist war. Ihre Werke hat Astrid Helmers nach dem Eintritt ins Rentenalter verfasst, damit ihre Erinnerungen aus einem ereignisreichen Leben nicht verloren gehen, ebenso wenig wie Teile ihrer Familiengeschichte.
Ebenfalls Oldtimer gab es im Foyer des Rathauses zu besichtigen – im Spielzeugformat. Im sich anschließenden Bürgersaal konnte man sich an Kaffee und Kuchen laben, draußen dagegen gab es Flammenkuchen, heiße Wurst vom Turnverein, Mostmusik vom Biberacher Musikverein sowie Munteres vom Gesangsduo »Blue Sky«.
Dem am Sonntag bis 18 Uhr stattfindenden Programm war ein Samstag vorausgegangen, an dem sich statt motorisierter Oldtimer handwerkliche »Oldies« präsentierten: Bei Bogenschießen, Spinnen, Schuhmacherhandwerk und Kräutersalz-Herstellung.













