Anlässlich der Jubiläumsfeier von Biberachs urkundlicher Ersterwähnung vor 800 Jahren hatte das Heimatmuseum Kettererhaus am vergangenen Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Besonderes spielt sich auf dem überdachten Vorplatz ab: Hier halten sich das Biberacher Ehepaar Matthias Köhler und seine Frau Monika sowie zwei Freunden aus Karlsruhe auf – allesamt mittelalterlich gewandet.
Seit 17 Jahren sind die Köhlers »mittelalterlich aktiv«, gehören auch einer Mittelaltergruppe an. Beim ersten Mittelalterfest auf der Burg Geroldseck kamen sie mit dem Holzbogenschießen in Berührung, widmeten sich diesem fortan gemeinsam mit ihren drei Kindern.
Da fünf Holzbögen zu kaufen jedoch zu sehr ins Geld gegangen wäre, versuchte sich Matthias Köhler am Eigenbau. Die ersten beiden Exemplare gelangen denn auch prompt, »seither hat sich das entwickelt«, schmunzelt der beruflich als Heilpraktiker Tätige.
Unter dem vor Regen schützenden Dach vor dem Museum hat er eine Sammlung selbst gefertigter Bögen und Pfeile aufgebaut – früher im Krieg und zur Jagd verwendet. Auf Fellen präsentiert er die Pfeile daher. Mit dabei: ein Fuchsfell mit daran belassenen Pfoten, Nase und buschiger Rute. Eine Gruppe Kinder befühlt und begutachtet es von allen Seiten: Wie ist das Leder unter dem Fell entstanden, was haben die Leute früher gegessen, und wann kamt Ihr?
»Wir kommen aus einer Zeit, in der die Ritter noch oben auf der Burg Geroldseck gewohnt haben, das ist so etwa 800 oder 850 Jahre her«, antwortet der Mittelaltermann. »Der Fuchs und du – redet ihr manchmal zusammen?«, will eines der Kinder wissen. Matthias Köhler bejaht, vor allem wenn er mal daneben schieße, würden sie sich unterhalten, dann wolle der Fuchs wissen, was er denn jetzt wieder gemacht habe. Auch auf den Einwand eines anderen Kindes, dass der Fuchs aber doch tot sei und deshalb keine Stimme habe, weiß der Mann mit dem zum Pferdeschwanz gebundenen Haar eine Antwort: »Der Fuchs redet so, dass ich seine Stimme nicht mit den Ohren, aber in meinem Kopf höre«.
Die Fragen enden nicht: »Waren die Tiere früher eure Freunde? Gab es auch Leute, die keine Tiere töten wollten? Haben die Leute hier früher Deutsch gesprochen? Kannst du die alte deutsche Sprache sprechen?« Auf alles hat Matthias Köhler eine Antwort. Auch einen »Pfeilkratzer« erläutert er: Einen an einen Stock gebundenen Rehfuß, mit dem man das Gras auf der Suche nach einem am Ziel vorbei geschossenen Pfeil durchkämmte.
Vom Bau eines Holzbogens
Erwachsenen hingegen erklärt er beispielsweise, wie er die Holzbögen baut – mittlerweile in der Regel für Sportschützen, und zwar auf Bestellung, »weil man solche Bögen für gewöhnlich individuell baut. Das Pfeilbogenschießen mit Holzbögen ist die schwierigste Variante beim Bogenschießen.«
Traditionelles respektive intuitives Bogenschießen nennt man diese auch wettkampfmäßig ausgeübte Variante, »d.h. wir intuitiven Bogenschützen zielen nicht. Sondern: Der Bewegungsablauf, den wir eingeübt haben, bringt den Pfeil dazu, dahin zu fliegen, wo er hin soll – sehr vereinfacht gesagt.«
Seine Bögen stellt er aus verschiedensten Hölzern und in zwei Schichten her – einer je nach Bogenseite biegsamen und einer stabilen. Die heimische Eibe ist gut für diesen Zweck geeignet, Matthias Köhler aber bevorzugt Osage Orange –ein gelbliches Holz, aus dem amerikanische Ureinwohner früher ihre nur rund einen Meter langen und relativ breiten Bögen herstellten.
Die englischen Langbögen hingegen – Kriegsbögen, mit denen die Engländer im 100-jährigen Krieg kämpften – waren aufgespannt gut mannshoch und besaßen eine enorme Wurfkraft von bis zu 120 englischen Pfund. Mit dem Nachteil allerdings, dass der sehr hohe Rückschlag, Handschock genannt, die Schultergelenke schädigte. »Deshalb verwenden wir heutzutage Bögen mit einer wesentlich geringeren Wurfkraft.«
Je nach Bogenart benötigt Matthias Köhler 12 bis 18 Stunden zur Herstellung eines Exemplars, unter bewuss tem Verzicht auf technische Hilfsmittel. Lediglich für die Sehne verwendet er aufgrund der schnellen Abnutzung keine natürlichen Materialien – Leinen kommt hier nur noch zum Einsatz, wenn er historische Bögen baut, »nach schon 500 bis 800 Schuss muss eine Sehne aus Leinen ausgetauscht werden.«
Auf etwa 100 schätzt Matthias Köhler die Zahl der Menschen – klein wie groß –, denen er am Sonntag Rede und Antwort stand. Wer wollte, konnte sich zudem gleich im Holzbogenschießen ausprobieren.
Ein reges Kommen und Gehen herrschte auch im Heimatmuseum Kettererhaus selbst, über zwei Stockwerke hinauf bis zum Dachboden. Immer wieder sah man Gruppen von Geschichtsinteressierten im lebhaften Austausch miteinander. In der Küche konnten Kinder wie Erwachsene bei Marlene Herrmann und Marita Echle gewürztes Salz herstellen, in der Bauernstube gab es eine Bastelecke für Kinder und Susanne Büchler zeigte den Umgang mit dem Spinnrad.