Am 1. Januar um 17 Uhr läutet »Gemeindeglöckner« Alfons Büdel das Rathausglöckchen. Damit beginnt das politische Jahr, denn kurz nach dem Läuten ergreift das Gemeindeoberhaupt traditionell und »open-air« in der Neuen Ortsmitte das Wort, zieht beim Neujahrsempfang ein Resümee des alten Jahres und blickt auf die noch verbleibenden 365 Tage des gerade begonnenen. »Eine gute Gelegenheit, grundsätzliche Gedanken vorzustellen«, wie Bürgermeisterin Daniela Paletta feststellte.




Bei Weitem nicht nur, aber insbesondere ist die Neujahrsansprache von Daniela Paletta auch an die Neubürger gerichtet. Biberach wächst – und da ist der Empfang für die zugezogenen Einwohner ideal für eine umfassende Information. Die Bürgermeisterin selbst wird auch im Laufe des Jahres Neubürgerin »ihrer« Gemeinde werden. Sie zieht spätestens im Sommer um.
Dank des Unternehmergeistes der ortsansässigen Betriebe – vom selbstständigen Handwerker über den Hidden Champion bis hin zum international tätigen Unternehmen – gibt es in Biberach aktuell mehr als 1.600 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die Tendenz in den letzten Jahren: steigend.
Dreiklang für die Zukunft
Paletta beschrieb den Haushaltsplan 2020 als solides Zahlenwerk, bei dem von einem positiven ordentlichen Ergebnis ausgegangen werden könne. Konstant gute Gewerbesteuereinnahmen in den letzten Jahren bringen Biberach in eine Situation, in der aktuell gut geplant werden kann. Etwas mehr als 100.000 Euro werden wohl Ende 2020 übrig bleiben, was keinen Anlass für übertriebene Erwartungen gebe. Gleichzeitig machte die Bürgermeisterin auf die Auswirkungen aufmerksam, sollten die Gewerbesteuereinnahmen sinken: Die meisten Aufwendungen im Haushalt sind Fixkosten, Einsparpotenziale seien nur schwer zu finden. Es gelte daher, das Augenmerk auf die Pflichtaufgaben zu legen.
Wertschöpfung, Digitalisierung und Zukunftsfähigkeit ist der Dreiklang, mit dem sie die Gemeinde in die Zukunft führen will. Sie forderte auf optimistisch in die nächsten Jahre zu schauen. »Nicht weil keine Aufgaben auf uns warten, sondern weil wir sie bewältigen können.«
Lebenswert über Generationen hinweg
Die Weichen sind gestellt: Mit dem Nachbarschaftshaus hat der erste Baustein des Mehrgenerationen-Areals am Alten Sportplatz seinen Betrieb aufgenommen. Eine Bereicherung für Biberach, wie Paletta betonte. Der demografische Wandel schreite voran und bereits jetzt liege der Anteil von Biberachern, die über 65 Jahre alt sind, bei mehr als 20 Prozent der Einwohner.
Zu den wichtigsten Zukunftsprojekten zählt der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. Mit dem Naturkindergarten und dem sechsgruppigen Neubau am Alten Sportplatz schaffe die Gemeinde vielfältige Betreuungsmöglichkeiten. Das kostet viel Geld. Zuschüsse von Landesseite gibt es für den Neubau vom Regierungspräsidium, aber ob auch der Naturkindergarten finanziell gefördert wird, ist offen. Der Fördertopf des Investitonsprogramms »Kinderbetreuungsfinanzierung« sei völlig überzeichnet. Mit weiteren vier betroffenen Gemeinden habe sich Biberach deshalb zur »Initiative Kinzigtal« zusammengeschlossen, das Bundesfamilienministerium über die Lage informiert und um Unterstützung gebeten.
Mit dem Kindergartenneubau ist die Liste der gemeindlichen Aufgaben jedoch noch lange nicht abgearbeitet. Grundschulsanierung, Baugebiete, Breitbandausbau: All das steht zeitgleich auf der Agenda. Einen »finanziellen Kraftakt«, der Investitionen mit Sinn und Verstand bedarf, nennt die Bürgermeisterin das, was impliziert, dass freiwillige Leistungen nur dort angeboten werden können, wo sie sich die Gemeinde auch auf Dauer leisten kann: »Nicht jeder Wunsch kann erfüllt werden.«
Den Rahmen schaffen
Die Ausgangslage scheint indes nicht allzu schlecht: Die Gewerbesteuereinnahmen waren in den letzten Jahren stabil, die Gemeinde hat ihre Hausaufgaben gemacht und ordentlich Schulden abgebaut. 1,85 Millionen Euro waren es in den letzten fünf Jahren. Paletta zeigt sich zuversichtlich, auch wenn das in Zukunft sicherlich nicht immer einfach sein werde, dass Biberach es jedoch mit dem nötigen Weitblick wieder schaffen werde.
Das Ziel ist definiert. Daniela Paletta will Rahmenbedingungen schaffen für mehr Lebensqualität, für eine lebens- und liebenswerte Gemeinde und für ein zukunftsfähiges Biberach und Prinzbach. Sie weiß, dass es dafür das Zusammenwirken aller braucht. Unternehmen, die an den Standort glauben und deshalb investieren, Mitarbeiter, die vor und hinter den Kulissen dafür sorgen, dass die Gemeinde funktioniert, Menschen, die in Gemeinde- und Ortschaftsrat Verantwortung übernehmen und unzählige Ehrenamtliche, die sich in Flüchtlingshilfe, bei der Feuerwehr, in der Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Senioren oder in einem der vielen Vereine engagieren.
Mit Bedauern erinnerte sie an die Umbildung der Volksbank zu einer SB-Filiale – der Zahn der Zeit und die Dominanz des Online-Bankings haben das Geldinstitut zu dieser Entscheidung veranlasst.
Blick auf die Umwelt
Die heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre haben nicht nur den Wald getroffen. Auch immer mehr Anwesen im Außenbereich müssen an die öffentliche Trinkwasserversorgung anschließen, berichtete die Bürgermeisterin. Sie forderte jeden auf, selbst in Sachen Klimaschutz tätig zu werden, etwa regional einzukaufen oder auf die Verpackung zu achten. Die Gemeinde Biberach selbst bezieht Ökostrom und unterstützt die Produktion von erneuerbaren Energien auf vielfältige Weise.
Was man von China lernen kann
Beeindruckt zeigte sich Paletta von ihrer Delegationsreise mit der Wirtschaftsregion Ortenau nach China. Riesige Konzerne standen auf dem Besichtigungsprogramm genauso wie Start-Ups. Überall sei sichtbar geworden, wie planvoll und zielstrebig China seine Position in der Welt zu verbessern sucht. »China ist ein hungriges und williges Land, das uns bei Weitem bereits überholt hat,« fasste sie zusammen. Potenzial sieht sie nicht zuletzt im Tourismus, denn »die Chinesen lieben den Schwarzwald.«
Kaltstart ins neue Jahr
Paletta nutzte zudem die Gelegenheit, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und den Technischen Betrieben für die Organisation und Mithilfe zu danken. Musikalisch umrahmt wurde der Neujahrsempfang vom Blasorchester Biberach mit einem hörgefälligen Programm.
»Der Kaltstart ins neue Jahr«, wie Bürgermeister-Kollege Günter Pfundstein treffend auszudrücken vermochte, sorgte dafür, dass die Gäste sich in der neuen Ortsmitte mit dicken Mützen und Schals wiederfanden. Umso schöner war die Einladung der Gemeinde im Anschluss an die Rede zum neuen Jahr zu warmem Punsch und Neujahrsbrezeln.