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Allgemein, Zell am Harmersbach | 24.01.2020

Krasse Explosionen neben feinnervigen Linien

Seit Samstag im Museum Villa Haiss zwei prestigeträchtige Künstler: K.R.H. Sonderborg und seine Schülerin Hildegard Esslinger

Foto:
Galerist Walter Bischoff mit der ausstellenden Künstlerin Hildegard Esslinger. Foto: Gerhard Vaternahm
von Susanne Vaternahm

In der Ausstellungsreihe »4+1 – Kunst in wechselnden Positionen« ist schnell erkennbar die Gegensätzlichkeit beider Künstler. Der impulsive Umgang mit Farben ist typisch für das dynamische Werk K.R.H. Sonderborgs. Im Gegensatz dazu die klaren, von Linien bestimmten Asphaltbilder seiner einstigen Studentin Hildegard Esslinger, die am Vernissageabend zugegen war.

Foto: Privatbesitz
»Ein Maler ohne Atelier« K.R.H. Sonderborg (1923-2008).
Foto: Gerhard Vaternahm
Galerist und Kunstsammler Walter Bischoff bei der Vernissage am vergangenen Samstag im Museum Villa Haiss. Im Hintergrund das Werk »Gewehre-Peacemaker« des Malers K.R.H. Sonderborg.

Mit dem Künstler K.R.H. Sonderborg pflegte Kunstsammler und Galerist Walter Bischoff bis zu dessen Tod 2008 eine langjährige freundschaftliche Beziehung. Ob in Stuttgart, Chicago, Berlin oder in Zell – immer gehörten Sonderborgs Bilder ins Repertoire der Walter Bischoff-Galerien, ebenso auf internationalen Kunstmessen, an denen der Kunstsammler teilnahm.

Richtig hieß er Kurt Rudolf Hoffmann. Geboren 1923 im dänischen Sonderborg machte er im Rahmen seiner künstlerischen Laufbahn seine Geburtsstadt zum Künstlernamen. Nach dem Studium der Malerei und Grafik in Hamburg beginnt sehr schnell seine steile Karriere.

Walter Bischoff erinnert sich: »Er lief an die zwanzig Mal ums leere Papier, bis dann wild und explosiv die abstrakten Motive in kurzer Zeit gebündelt auf dem Malgrund ihren Ausdruck fanden.«

Tatort Papier/Leinwand

Zahlreiche Bilder wirken wie spontan hingeworfene Notizen. Die Palette ist reduziert auf Schwarz und Rot auf weißem Grund. Mit scheinbar ausholender Geste des linken Armes, der linken Hand führt er mit aggressiver Wucht die gestische Handlung auf den Malgrund. Obendrein noch mit Tempo – vielleicht als trotzige Reaktion auf seine körperliche Einschränkung mit der von Geburt an fehlenden rechten Hand. Nie betitelt er seine Arbeiten, sondern versieht sie nur mit dem Entstehungsdatum, der Zeitspanne, in der die »Explosion« stattgefunden hat und dem Ort. Oftmals einem Hotel und in einem Zeitfenster von nur etwa zwanzig Minuten. Ein unruhiges Leben, bestimmt von Aggression und Zerstörung gegen sich selbst. Er zog hin und her zwischen Berlin, Paris, London, New York und Chicago. Begleitet von weltweiter Anerkennung und vielfach geehrt und ausgezeichnet als ein Künstler der Nachkriegszeit, der Maßstäbe setzte als Mitglied der Gruppe »Zen 49« und im deutschen Informell.

Es wäre zu einseitig, diesen Maler mit seiner eigenwilligen Malerei auf das körperliche Defizit und die zu deren Überwindung eingesetzten Energien zu reduzieren. Keineswegs beschränkt sich seine Malkunst nur auf die informelle Abstraktion – zu der er sich aber nie bekennen wollte. Immer wieder entstehen auch Bilder mit Realitätsbezug. Sie beziehen sich auf technische Konstruktionen wie Maschinen, Kräne, Hochspannungsleitungen und – wie in der aktuellen Bilderschau – auf die Darstellung von Gewehren (hier Gewehre – Peacemaker).

Zu starken, Hektik, Angst und Melancholie vermittelnden Bildmotiven passt sein bekanntes Zitat: » Für mich ist Malerei fast eine kriminelle Handlung. Ich bin wie jemand, der in den Keller hinabsteigt, um eine Ratte zu töten.« So wird folglich der Malgrund zum Tatort für einen Overkill.

Mit Hildegard Esslinger verbindet Galerist Walter Bischoff auch eine langjährige Zusammenarbeit. Als einstige Studentin Sonderborgs kann sie aus vielen Erinnerungen an ihren prominenten Lehrer schöpfen. Gerne betont sie, wie viel Freiheit der Professor seinen Studierenden ließ. »Er war eigentlich selten da. Paris, Paris. Und wenn er kam, bestätigte er uns in unserem künstlerischen Tun. Wir konnten uns frei entfalten.«

Genau das ebnete Esslinger den Weg zu ihrer eigenen Bildsprache. Als Spätstudierende (nach Studium der Biologie an der Universität München und Familienzeit) widmet sie 41-jährig ihre ganze Aufmerksamkeit dem Studium der Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Professor K.R.H. Sonderborg.

Tatort Straße

Hildegard Esslinger ist eine Meisterin der Linie. Mit 19 mittelformatigen Positionen macht sie in der aktuellen Sonderausstellung deutlich, was ihr Anliegen ist. Im Gegensatz zu Sonderborg ist ihr Tatort die Straße, genauer gesagt Spuren im grobkörnigen Asphalt. Als aufmerksame Fußgängerin nimmt sie Risse, Ausbesserungsspalten oder abgefahrene Zebrastreifen in den Fokus. »Ich nehme mir was da ist und mache etwas damit, « erklärt die der Linie verhaftete Künstlerin. Ihre Vorgehensweise entspricht ganz ihrer inneren Klarheit und Ruhe. Sie nimmt eine interessante Linie im Asphalt auf und setzt spiegelbildlich einen eigenen mit Kreide gezogenen Strich dagegen. Diese Striche formen sich zu Kompositionen, oft mehrreihig, selten sich durchdringend. Manchmal strahlt ein leuchtend blaues Farbfeld in die Komposition hinein und setzt zu den zarten, aus dem Format laufenden oder in sich kreisenden Kreidelinien einen gelungenen Kontrast.
So findet und erfindet Esslinger Vorgefundenes und Eigenes mit fester Orientierung.

Allerdings mit dem Risiko eines Regens, der alle Kompositionen wegspült.

Sie beugt dem Prozess des Vergänglichen jedoch vor indem sie zuvor die Szenerie fotografisch festhält und mittelformatig rahmt.

Hildegard Esslinger ist eine international anerkannte Künstlerin. Sie lebt und arbeitet in Waiblingen bei Stuttgart.

Die Ausstellung »4+1 – Kunst in wechselnden Positionen« ist donnerstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Kontakt: museum-villa-haiss@artbischoff.com.

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