Seit drei Jahren gibt es das Kreativprojekt „Heimat“ an den Beruflichen Schulen Wolfach. Unter Anleitung zeichnen, malen und modellieren junge Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, der Ukraine und anderen Ländern einmal pro Woche für eineinhalb Stunden über einen Zeitraum von acht bis zehn Wochen.
Dabei geht es der Religionslehrerin und Kunsttherapeutin Mira Schwingshandl nicht darum, dass „schöne Bilder“ gestaltet und diese dann bewertet werden wie im Kunstunterricht. Es ist viel wichtiger, dass die Jugendlichen Freude am kreativen Gestalten entwickeln, dass sie eine Möglichkeit bekommen, sich über Farben und Formen auszudrücken und durch das gestalterische Arbeiten innerlich gestärkt werden.
In der ersten Stunde geht es darum, langsam mit den Materialien, mit sich und anderen in Kontakt zu kommen: Alle zeichnen ihren Handumriss auf ein Blatt Papier und malen diesen mit Ölkreiden aus. Viele junge Leute verwenden dabei die Farben der Heimatflaggen, um ihre eigene Identität auszudrücken. Aber auch Gefühle können darin ihren Niederschlag finden. „Ich bin stolz auf mein Heimatland“, „Ich habe mich gern!“, „Ich bin stark!“ oder „Ich bin verletzt!“ Die Umrisse der Hände jedes einzelnen werden anschließend auf eine Papierbahn geklebt. So entsteht ein Gemeinschaftsbild, auf dem jede(r) vorkommt, und es wird sichtbar: Ich bin nicht allein, sondern Teil einer neuen und besonderen Gemeinschaft. Anschließend können noch Herzenswünsche und Hoffnungen ausgesprochen werden und auf dem Bild steht dann: Kein Krieg! Sicherheit! Zufriedenheit! Bitte Frieden!
Bei einer anderen Übung stehen Pinsel und Malpappen bereit, und Schwingshandl sagt: „Wenn du deine Augen schließt und an etwas Schönes aus deiner Heimat denkst, was siehst, hörst oder riechst du dann? Male eine schöne Erinnerung aus deiner Heimat!“ Viele der Mädchen und Jungen hören dann beim Malen über ihre Kopfhörer Musik aus ihrer Heimat und gestalten dazu ihre Erinnerungen.
So entstehen persönliche Bilder: ein Lieblingsplatz in Polen oder ein Blick aufs Meer in Odessa, das Sindschar-Gebirge im Irak, die Farben der Heimat Afghanistan, … Mit solchen Erinnerungen können die jungen Menschen ein Stück Heimat in ihre neue Umgebung bringen, und sie verbinden mit diesen Bildern Gefühle wie Freude, Geborgenheit oder Liebe.
Ein weiterer Baustein des Projekts ist die Gestaltung einer persönlichen Wohlfühl-Collage. Die Jugendlichen modellieren eine Figur aus Ton, die sie selbst darstellt und foto-grafieren diese Figur. Dann kleben sie das Foto auf ein Plakat. Der Auftrag: „Gestalte einen guten Ort für diese Figur, indem du Bilder aus Zeitschriften auswählst, die dir guttun und klebe sie auf dein Plakat.“ Der Gestaltungsprozess allein ist schon wohltuend und eine Form der Selbstfürsorge für die jungen Künstlerinnen und Künstler. Wenn sie dann nachdenken: „Was ist jetzt wichtig?“, so sagt einer: „Wichtig ist, dass ich zur Ruhe komme“ und deutet auf das Motiv eines Sees. Ein anderer meint: „Ich suche ein Ziel für mein Leben“ und zeigt auf eine Laterne in seiner Collage.
Mit kreativen und künstlerischen Mitteln ist es möglich Jugendlichen dieses „Heimat“-Projekts entlastende, entspannende, stärkende und anregende Erfahrungen zu vermitteln. Die entstandenen Kunstwerke dienen aber auch der Verständigung und sind oft ein Einstieg ins Gespräch. Nicht alles, was diese jungen Menschen an persönlichen „Päckchen“ mitbringen, wollen und können sie anderen direkt mitteilen. Durch ihre Bilder können sie aus drücken, was sie bewegt. Die Jugendlichen kommen ihren Bedürfnissen auf die Spur und entdecken manchmal auch Lösungen für ein Problem im gerade entstandenen Bild. So können Bilder heilsam sein für Menschen, die Schlimmes erlebt haben und erst langsam mit ihrer Seele bei uns ankommen, wohin ihre Flucht sie geführt hat.