Damit der Edeka-Markt am Ortseingang wachsen darf, braucht die Stadt Zell ein hieb- und stichfestes Einzelhandelskonzept. Der Gemeinderat hat die Pläne nun vorgestellt bekommen und darüber diskutiert. Entschieden ist noch nichts.
Der Gemeinderat hat sich am vergangenen Montag mit dem Entwurf für ein neues Einzelhandelskonzept befasst. Ziel ist, die Entwicklung des Lebensmitteleinzelhandels zu steuern. Anlass ist die geplante Erweiterung des Edeka-Markts am Ortseingang. Das Regierungspräsidium Freiburg steht dem Projekt bislang skeptisch gegenüber. Es prüft, ob sich an diesem Standort eine unzulässige Verdichtung von Einzelhandel abzeichnet. Das Einzelhandelskonzept solle – so Bürgermeister Günter Pfundstein – bei einem erneuten Gespräch mit dem Regierungspräsidium überzeugende Argumente pro Erweiterung liefern.
Experte: „Einzelhandel ist kein spaßiges Thema“
Gerhard Beck von der Gesellschaft für Markt und Absatzforschung (GMA) stellte das Konzept im Gemeinderat vor. Sein Befund fiel nüchtern aus: „Einzelhandel ist zurzeit kein spaßiges Thema.“
Jährlich verschwinden in Deutschland 5000 bis 10.000 Fachgeschäfte – durch Onlinehandel, Fachkräftemangel und fehlende Nachfolger, berichtet er. Zell sei davon nicht ausgenommen, stehe aber im Vergleich zu ähnlich großen Städten gut da. Mit rund 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und 66 Betrieben sei die Struktur solide. Dennoch werde künftig weniger Handelsfläche benötigt. „Einzelhandel allein reicht für eine attraktive Innenstadt nicht mehr aus“, sagte Beck.
Drei Zonen für Zells Einzelhandel
Das vorgestellte Einzelhandelskonzept trennt zwischen den zwei Bereichen Innenstadt und Nahversorgung. Im Innenstadtbereich „Hauptstraße“ soll der klassische Einzelhandel, etwa Mode, Schuhe, Bücher oder Dienstleistungen, erhalten und gestärkt werden. Eine Mischung mit Gastronomie, Gesundheit und Freizeit als Frequenzbringer wird angestrebt.
Der Nahversorgungsbereich „Keramik/Oele“ am Stadteingang umfasst die Märkte von Edeka, Aldi und dm. Laut Gutachten funktioniert der Standort gut: Er sei an die Innenstadt angebunden, stark frequentiert und städtebaulich integrierbar.
In Vorderhambach/Unterharmersbach gab es früher einen Penny-Markt. Das Konzept sieht, unter der Voraussetzung, dass neues Baurecht geschaffen wird, Potenzial, um den Standort zu reaktivieren.
Außerhalb dieser Zonen soll künftig kein neuer großflächiger Einzelhandel mehr entstehen dürfen. Vor allem in den Gewerbegebieten wie Steinenfeld/Neumatten soll Einzelhandel ausgeschlossen werden, um dort Flächen für Handwerk, Industrie und Produktion zu sichern.
Kein Entwicklungspotenzial für Norma und Netto
Allerdings befinden sich im Bereich Steinenfeld/Neumatten mit Penny, Netto und Norma aktuell gleich drei Discounter. Sie haben Bestandsschutz. Das Urteil des Gutachters hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten: Der Netto-Markt sei nicht direkt an Wohngebiete angebunden, der Norma-Markt klein und baulich veraltet. Diese beiden Standorte gelten im Gutachten deshalb als nicht mehr entwicklungsfähig. Der Experte schlägt deshalb vor, die Entwicklung stärker auf Unterharmersbach zu lenken, das derzeit als unterversorgt gilt.
Was der Gemeinderat dazu sagt
Im Gemeinderat wurde der Entwurf sachlich, aber durchaus kontrovers diskutiert.
Armin Reber (Grüne Liste) äußerte grundsätzliche Zweifel an der Schärfe der Regelungen und konnte die Einstufung von Netto und Norma als nicht entwicklungsfähig nicht nachvollziehen.
Michael Wurtz (CDU) betonte, dass der Netto-Standort für viele Menschen wichtig sei. Auch er konnte nicht verstehen, warum er keine Perspektive mehr haben solle. Zudem regte er an, Showrooms für lokale Hersteller zu ermöglichen, damit Firmen ihre Produkte direkt am Standort verkaufen können Hannes Grafmüller (CDU) begrüßte grundsätzlich, dass die Stadt aktiv werde. Er mahnte, die Geschäfte im Städtle selbst nicht zu vergessen und forderte die Stadt auf, sich Gedanken zu machen, wie sie diese unterstützen könne.
Sybille Nock (Grüne Liste) lobte die Tiefe des Konzepts und sah es als notwendige Arbeitsgrundlage. Der Gemeinderat habe sich bereits für die Edeka-Erweiterung ausgesprochen. Besonders wichtig war ihr, die Nahversorgung in Unterharmersbach wieder zu verbessern.
Thomas Hoog (Freie Wähler) erinnerte daran, dass der eigentliche Anlass die geplante Edeka-Erweiterung sei.
Bürgermeister Günter Pfundstein betonte: „Wenn jemand reguliert, dann das Land und der Regionalverband – nicht wir.“ Zell wolle lediglich Spielräume sichern, um die örtliche Entwicklung mitzugestalten. Der Entwurf stelle Netto und Norma nicht grundsätzlich in Frage. „Wir tun niemandem etwas Böses“, so Pfundstein.
Hannes Grafmüller (CDU) fragte zum Schluss, ob sich Zell mit dem Konzept mögliche künftige Ansiedlungen verbaue, etwa, wenn ein neuer Lebensmittelmarkt Interesse an einem Standort habe. Die Antwort des Bürgermeisters: Das Konzept schließe keine Unternehmen aus, sondern lege Standorte fest. Wer sich dort ansiedeln wolle, sei grundsätzlich willkommen – aber eben nur dort.
Hintergrund: Warum das Regierungspräsidium bei Edeka mitredet
Der Edeka-Markt am Ortseingang will seine Verkaufsfläche von 1.300 auf 1.637 Quadratmeter vergrößern, hinzu kommen 130-Quadratmeter Gastronomie. Über dem Markt sollen Büros und Besprechungsräume entstehen. Bereits im Februar hatte der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für die Edeka-Erweiterung gefasst.
Das Unternehmen begründet den Umbau mit geschlossenen Geschäften im Stadtgebiet, etwa einem Reformhaus, einer Metzgerei und einem Getränkemarkt. Die Erweiterung soll die Nahversorgung sichern.
Da sich Edeka in der Zone „Keramik/Oele“ befindet, wo auch Aldi und dm liegen, befürchtet das Regierungspräsidium eine Ballung von großflächigem Einzelhandel. Der Regionalplan Südlicher Oberrhein will solche Entwicklungen eigentlich verhindern. Das neue Einzelhandelskonzept soll daher zeigen, dass der Standort städtebaulich eingebunden ist und keine isolierte Einkaufsmeile am Stadtrand entsteht.




