Gesellig, wissbegierig, erkundungsfroh und immer in Bewegung – so hat Kurt Ficht sein Leben gemeistert.
Wer Kurt Ficht kennt, der weiß: Er ist ein außergewöhnlicher Mensch. Aufgewachsen im hinteren Nordrachtal hat er als Bub erlebt, wie die Bergbauern in Nordrach-Kolonie in Rückentragen den stinkenden Mist die steilen Hänge hinauf zu ihren kleinen Feldern schleppten.
Und er erinnert sich: „Damals hat man noch Winter gehabt.“ Wenn er morgens um 10 Uhr Schule hatte, weckte ihn die Mutter um halb sieben: „Weil man sich durch den meterhohen Schnee erst mal den Weg hat bahnen müssen, bis man überhaupt unten an der Straße war.“ Von dort aus arbeitete er sich dann weiter bis zum damaligen Schulgebäude in der Kolonie. Und das in einer Zeit, in der Kleidung und Schuhe aus „Goretex“ und Konsorten ferne, ganze ferne Zukunftsmusik waren.
Und in einer Zeit, in der er nur die Volksschule besuchen durfte, anschließend keine Lehrstelle finden und damit keine Ausbildung genießen konnte. Umstände, die er noch heute zutiefst bedauert. Und doch kann er auf einen beeindruckenden Lebensweg zurückblicken:
Aber lassen wir den Jubilar von Anfang an erzählen:
„Ich kam am 19.10.1935 in Nordrach im abgelegenen Hintertal als Hausgeburt zur Welt, im Leibgedinghaus von Ludwig Huber, dem Huberlui. Meine Eltern waren Katharina Ficht aus Altenbach bei Schriesheim/ Bergstraße und Josef Ficht III von der Nordracher Moosmatt. Beide wurden 1905 geboren.
Meine Mutter hatte sechs und mein Vater drei Geschwister. Er war Schreiner und Waldarbeiter, meine Mutter arbeitete bis zu ihrer Rente in der LVA-Klinik in Nordrach-Kolonie. Meine Schwester Anita kam im Mai 1944 zur Welt. Mein Vater war von 1939 an Soldat im Zweiten Weltkrieg und gilt seit Februar 1945 als vermisst.
Meine Schulzeit dauerte von 1942 bis 1950. Die Schule befand sich gegenüber dem Gasthaus „Adler“. Wir Kinder aus der Kolonie sind den ganzen Schulweg von der Kolonie aus gelaufen. Als die LVA-Klinik von der französischen Besatzungsmacht besetzt war, musste ich jedoch am Morgen eine große Kanne Kaffee bis zum Gasthaus Mooseck tragen.
Nach der Schulzeit konnte ich in der damaligen schwierigen Zeit keine Ausbildungsstelle finden. Bei der im Moosbach ansässigen Firma „Tiefbau Bächle“ fand ich eine Arbeitsstelle. Hier arbeitete ich bis Ende 1954. Das Forstamt Gengenbach suchte damals Leute für die Waldarbeit, unter anderem einen Mitarbeiter, der bereit war, mit Ernst Kimmig auf dem Unimog zu fahren.
Dank Führerschein ging es vorwärts
Da ich seit 1952 den Führerschein Klasse 4 hatte, bekam ich die Stelle, auch durch die Vermittlung durch den Förster Karl Asal. Im Jahr 1957 erhielt ich das Angebot, den Führerschein Klasse 2 auf Kosten des Forstamts zu machen, was ich annahm und was auch beim ersten Anlauf klappte. Mitte 1960 wechselte ich zur Firma Hukla als LKW-Fahrer, hier blieb ich bis Mitte 1962.
1960 heiratete ich Gisela Lux, geboren am 15.05. 1935 im damaligen Sudentenland, dem heutigen Tschechien. 1961 kam unsere Tochter Gabriele und 1964 unser Sohn Hartmut zur Welt.
Im Juli 1962 wechselte ich zur Firma „Prototyp“ als Fahrer und Lagerarbeiter. Nachdem der damalige Lagerleiter aufhörte, war ich als Lagerleiter tätig, bis ich nach fast 33 Jahren in den Vorruhestand ging.
Meine Hobbys waren das Briefmarkensammeln, Wandern, Skilanglauf, Radfahren und Reisen (unter anderem nach Andorra, Südfrankreich, Baltikum, Norwegen, Finnland, Polen, St. Petersburg), im PKW oder Bus, auch viele Flusskreuzfahrten machten meine Frau Gisela und ich.
16 Jahre waren wir gemeinsam Hüttenwirte auf der „Kuhhornkopfhütte“. Ich war auch dabei gewesen, als die Hütte gebaut wurde. Auch das Sammeln von Postkarten aus meinem Geburtsort Nordrach war meine große Leidenschaft.
Ich bin Mitglied im Wander- und Freizeitverein Unterharmersbach, beim Deutschen
Alpenverein, im Turnverein Zell a. H., der Bürgerwehr Zell, dem Kneippverein (Gründungsmitglied), im Briefmarkenverein und bei den Freunden des Storchenturmmuseums. Ebenso war ich von 1979 bis 1988 Chef der Fasendgemeinschaft Insel, und hier bin ich immer noch Mitglied. Von 1994 bis 2021 begleitete ich in der Weihnachtszeit als „Knecht Ruprecht“ verschiedene Nikoläuse.“
Bis vor Kurzem noch aktiver Montagsturner
Viel, viel mehr natürlich gäbe es aus dem langen und prall gefüllten Leben des ebenso rührigen wie geselligen Jubilars zu berichten. Beispielsweise, dass er mit seiner Mutter in Nordrach in einer winzigen Zweizimmer-Wohnung lebte. 1960 dann zog er „der Liebe wegen“ nach Zell, in das Haus der Schwiegereltern. Hier hatte er eine Werkstatt, und hier kam sein handwerkliches Geschick zum Einsatz. Sogar den Hof pflasterte er selbst. „Ich hab´ immer andere gefragt, wie das geht, und mir dadurch vieles selbst beigebracht.“
Vor etwa 12 Jahren zog er mit seiner Gattin in eine Wohnung in der Grabenstraße. Seine Frau lebt inzwischen als Pflegefall im St. Gallusheim, wo er sie regelmäßig besucht. „Wenn ich sehe, wie viele der Patienten dort kaum oder keinen Besuch bekommen – das beschäftigt mich schwer“, schlägt er nachdenklich-bedrückte Töne an. Er selbst ist noch bis vor vier Jahren Rad gefahren, war bis vor Kurzem noch bei den „Montagsturnern“ aktiv.
„Bis zum 85. Lebensjahr ist alles okay gewesen, aber inzwischen besteht der ganze Kerl aus lauter Ersatztteilen“, nimmt sich der Jubilar mit tapferem Galgenhumor selbst aufs Korn. Dennoch lässt er sich – mithilfe des Rollators – die Wege durch´s Städtle nicht nehmen. „Früher war ich mir fast zu stolz dafür“, schmunzelt er wieder in der für ihn so typischen, trockenen Art, „aber jetzt bin ich froh um das Ding.“
Nachdem Kurt Ficht am vergangenen Sonntag seinen besonderen Geburtstag im großen Kreis seiner Familie gefeiert hatte, überbrachte ihm Bürgermeister Pfundstein am Montag die herzlichsten Glückwünsche sowie Präsente auch im Namen der Stadt. Außerdem dankte er dem Senior ausdrücklich für dessen ehrenamtliches Engagement: „Solche Leute brauchen wir.“
Kurt Ficht jedoch winkte bescheiden ab, „das war ja nicht viel, was ich gemacht hab´“ – wenngleich der Umstand beispielsweise, dass er im Jahr 2004 vom Wander- und Freizeitverein Unterharmersbach ob seiner Verdienste zum Ehrenmitglied ernannt wurde, eine andere Sprache spricht.
Sehr herzlich wünscht auch die Schwarzwälder Post dem Jubilar nachträglich alles Gute und: Gesundheit.





